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Nr. 78 - Frühling 2021

Hauts-de-France: musikalische Waldbäder Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin Burgund: ein essbarer Wald Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn Chantals Rezept: Crème catalane Produkt: Le parapluie de Cherbourg

Hauts-de-France: musikalische Waldbäder
Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin
Burgund: ein essbarer Wald
Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt
Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers
Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn
Chantals Rezept: Crème catalane
Produkt: Le parapluie de Cherbourg

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UNTERWEGS IN FRANKREICH Burgund/ Saône-et-Loire<br />

Sie möchten vor allem « die Bäume wieder in den absoluten<br />

Mittelpunkt stellen », was meinen Sie damit?<br />

Die Gewohnheit, die Natur wirklich zu hinterfragen,<br />

sie wirklich zu betrachten, ist meines Erachtens in Frankreich<br />

verloren gegangen, selbst wenn sie vielleicht so langsam<br />

wieder zurückkehrt. Nehmen Sie den Baum als Beispiel:<br />

In den meisten Fällen betrachtet man ihn als dekoratives<br />

Element. Viele französische Gartengestalter setzen<br />

ihn als Accessoire ein. Ich bin jedoch der Meinung, dass<br />

Bäume etwas Wesentliches sind, dass wir ihnen nicht nur<br />

Beachtung schenken, sondern ihnen helfen müssen, ihren<br />

Platz in unserer Gesellschaft wieder zurückzuerobern.<br />

Denken Sie daran, dass alle Ökosysteme, in die man nicht<br />

eingreift, sich hin zum Wald entwickeln. Bäume steuern<br />

ihren Ertrag selbst, lagern Kohlenstoff und Wasser ein,<br />

beeinflussen das Klima … Wir sollten ihnen mehr Präsenz<br />

einräumen und uns vor allem die Zeit nehmen, sie zu<br />

beobachten. Sie können uns viele Dinge lehren.<br />

Inwiefern ist das Konzept des Waldgartens eine andere Produktionsmethode?<br />

In unseren traditionellen Kulturen wiederholen sich<br />

jedes Jahr dieselben Arbeiten: Man pflügt, sät, erntet.<br />

Entstanden sind ausgedehnte Monokulturen: Weizen,<br />

Mais, Gerste … Für den Landwirt ist das langweilig, in<br />

gewisser Weise trostlos. Er vergisst am Ende die langfristige<br />

Perspektive, es geht nur um Schnelligkeit und<br />

Rentabilität. Im Waldgarten arbeitet man dagegen auf<br />

Jahrzehnte hin, man versucht nicht, alles zu kontrollieren.<br />

Mithilfe eines langlebigen Pflanzensystems schafft man<br />

« essbare Landschaftsräume ». Man verlässt eingefahrene<br />

Gleise. Im Grunde bewegt man sich am Schnittpunkt der<br />

Nahrungsmittelproduktion unter Einbeziehung der Natur<br />

und den großen Umweltherausforderungen, denen wir uns<br />

stellen müssen.<br />

neugierig, es entspricht einem echten Bedürfnis nach einer<br />

stärkeren Einbindung der Natur, in der wir leben.<br />

Ist die französische Gesellschaft Ihrer Ansicht nach in der Lage,<br />

das Waldgarten-Konzept stärker in ihre landwirtschaftlichen<br />

und urbanen Entwicklungskonzepte einzubeziehen?<br />

Ich glaube schon. Wir stehen noch am Anfang, doch<br />

es ist offensichtlich, dass bereits jetzt ein großes Interesse<br />

für dieses Konzept besteht. Lange Zeit dachte ich, dass<br />

das politische Entscheidungssystem in Frankreich zu<br />

schwerfällig sei, um derartige Initiativen zu berücksichtigen.<br />

Doch ich glaube, dass uns gerade die heutige Zeit<br />

bewusst macht, dass sich unsere Denkmuster durch intelligente<br />

Ansätze sehr schnell ändern können. Nehmen<br />

Beispiele für Nahrungsmittel,<br />

die der Waldgarten in<br />

Burgund produziert.<br />

Glauben Sie, dass sich dieses Konzept durchsetzen kann?<br />

Wenn ich mich auf meine eigenen Erfahrungswerte<br />

stütze, kann ich diese Frage nur mit « ja » beantworten.<br />

Als ich 2010 damit begann, den Waldgarten zu pflanzen,<br />

habe ich mit niemandem darüber gesprochen. Ich wusste,<br />

dass man mich für verrückt halten würde. Seitdem haben<br />

sich die Dinge verändert. 2018, als der Wald sich gut entwickelt<br />

hatte, entstand bei mir das Bedürfnis, mich mit<br />

anderen über meine Erfahrung auszutauschen. Ich habe<br />

also begonnen, darüber zu kommunizieren, zunächst über<br />

die sozialen Netzwerke. Umgehend erhielt ich viele Nachrichten,<br />

dann Besuche vor Ort und schließlich Anfragen<br />

für Schulungen. Um all diesen Wünschen nachzukommen,<br />

musste ich sogar meine Arbeit als Krankenpfleger<br />

aufgeben. Wir haben einen Verein gegründet und zurzeit<br />

bin ich dabei, zehn Ausbilder zu schulen. Wir werden<br />

von Anfragen nur so überrannt. Parallel dazu arbeiten<br />

wir an mehreren Projekten für urbane Waldgärten in der<br />

Umgebung, zum Beispiel in Chalon-sur-Saône, Cluny, in<br />

der Nähe von Dijon … Das Konzept macht die Menschen<br />

64 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2021</strong>

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