Nr. 78 - Frühling 2021
Hauts-de-France: musikalische Waldbäder Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin Burgund: ein essbarer Wald Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn Chantals Rezept: Crème catalane Produkt: Le parapluie de Cherbourg
Hauts-de-France: musikalische Waldbäder
Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin
Burgund: ein essbarer Wald
Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt
Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers
Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn
Chantals Rezept: Crème catalane
Produkt: Le parapluie de Cherbourg
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UNGEWÖHNLICHE GESCHICHTEN AUS FRANKREICH<br />
Alexandre Dumas<br />
Wie der Vater, so der Sohn<br />
Links der Vater, rechts der Sohn: die beiden<br />
Schriftsteller Alexandre Dumas.<br />
Alexandre Dumas (1802-1870) ist einer der meistgelesenen<br />
französischen Schriftsteller. Sein Roman<br />
Die drei Musketiere wurde in unzählige Sprachen übersetzt<br />
und machte den Namen des Autors auf der<br />
ganzen Welt bekannt. Weniger bekannt ist dagegen,<br />
dass es nicht nur einen, sondern gleich zwei Alexandre<br />
Dumas gibt. Der talentierte Autor hatte nämlich<br />
einen Sohn, der ebenfalls Alexandre Dumas (1824-<br />
1895) hieß und – neben vielen anderen Veröffentlichungen<br />
– das legendäre literarische Werk Die Kameliendame<br />
schrieb, von dem sich Guiseppe Verdi zu<br />
seiner Oper La Traviata inspirieren ließ. Lesen Sie die<br />
Geschichte einer ungewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung<br />
mit vielen Verwicklungen …<br />
Alain Decaux (1925-2016) war nicht nur ein anerkannter<br />
französischer Geschichtsforscher, sondern<br />
auch ein herausragender Autor, der die französische<br />
Geschichte den Menschen nahebrachte. 2010 widmete<br />
er Alexandre Dumas ein Dictionnaire amoureux, wo<br />
er für den Buchstaben « P » mit Palier pour aimer (Ein<br />
Treppenabsatz für die Liebe) einen sehr poetischen Einstieg<br />
wählte. In dieser pikanten Geschichte erzählt Decaux<br />
von einer Begegnung – und ihren Folgen – auf dem Treppenabsatz<br />
eines Pariser Gebäudes im II. Arrondissement,<br />
am Place des Italiens (heute Place de Boiëldieu) im Jahr<br />
1823. Genau dort trifft nämlich der aus einfachen Verhältnissen<br />
stammende 21-jährige Büroangestellte Alexandre<br />
Dumas, der gerade ohne einen Pfennig in der Tasche aus<br />
seiner Heimatstadt Villers-Cotterêts (Aisne) in die Hauptstadt<br />
gekommen ist, auf die ebenso mittellose 29-jährige<br />
Schneiderin Laure Labay. Decaux erzählt, dass « Dumas,<br />
der in seinem Zimmer kein fließendes Wasser hat, zum<br />
Treppenabsatz geht, wo sich alle Bewohner der Etage mit<br />
Wasser versorgen. Dort begegnet er einer jungen Frau, die<br />
ihm sehr liebenswürdig erscheint. Ab sofort treffen sie sich<br />
dort jeden Tag, jeder mit seinem Krug in der Hand […]<br />
Niemand weiß, wann genau die beiden jungen Menschen<br />
ihre Beziehung vertieft haben. Wenn man die Gewohnheiten<br />
von Dumas kennt, die dieser zeitlebens in Sachen<br />
Liebe pflegt, dann kann man aber zu Recht annehmen,<br />
dass dies nicht lange gedauert hat. » Und in der Tat ist Laure<br />
Labay nur einige Monate später schwanger. Am 27. Juli<br />
1824 bringt sie einen Jungen zu Welt, der mit seinem Vater<br />
nicht nur den Geburtsmonat, sondern auch den Vornamen<br />
gemeinsam hat …<br />
Ein Vorname, aber kein Nachname<br />
Das heißt zu dem Zeitpunkt aber noch nicht, dass<br />
dieses Kind auch den Nachnamen Dumas trägt, denn Alexandre<br />
erkennt den Neugeborenen nicht an … und Laure<br />
tut dies im Übrigen auch nicht. Alexandre Dumas freut<br />
sich zwar über die Ankunft des Kindes, weiß aber nur zu<br />
gut, dass die Heirat mit einer einfachen Schneiderin in der<br />
damaligen Zeit gesellschaftlich nicht mit seinem Wunsch<br />
vereinbar ist, durch literarischen Ruhm den bescheidenen<br />
Verhältnissen zu entkommen. Alexandre Dumas<br />
verschweigt die Existenz seines Sohnes sogar gegenüber<br />
seiner Mutter, mit der er eine Wohnung im Viertel Faubourg<br />
Saint-Denis teilt. Und doch verbringt er viel Zeit<br />
mit Laure Labay und dem Kind und besucht die beiden<br />
regelmäßig. Aufgrund erster Erfolge – sein Stück Heinrich<br />
III. und sein Hof wurde ein Jahr zuvor sehr erfolgreich an<br />
der Comédie-Française gespielt – ist Dumas im Jahr 1830<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2021</strong>