BS 08-2018
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Schiffstechnik<br />
Bernd Fischer hat seinen beruflichen<br />
Weg auf seiner heutigen<br />
Schiffswerft gegenüber von Alsleben<br />
begonnen. Er ist gelernter Schiffauer,<br />
hat Schiffau studiert und seinen<br />
Dipl.-Ing. (FH) gemacht. Seither hat<br />
er hier alle Höhen und Tiefen kennengelernt.<br />
Tiefen vor allem deshalb,<br />
weil die schifffahrtsverwalterischen<br />
Obrigkeiten nach dem Ende<br />
der DDR die Saale als Schifffahrtsweg<br />
zwar noch erhalten wollen, mehr<br />
aber auch nicht. Als vorletzte hatte<br />
die Roth mannwerft in Nienburg den<br />
Übergang in die Marktwirtschaft<br />
nicht überstanden. Auch die Rückprivatisierung<br />
der ehemaligen Grieseler-Werft<br />
in Mukrena war nicht<br />
lange erfolgreich. Ihr ehemaliger<br />
Technischer Leiter Bernd Fischer, der<br />
vom Lehrling bis zur Insolvenz das<br />
Leben der Werft geteilt hatte, kaufte<br />
sie anschließend, weil er der Überzeugung<br />
war, dass man sie durchaus<br />
erhalten könnte, wenn man für genügend<br />
Arbeit sorgt.<br />
Er fing 1996 mit zwei Schiffauern<br />
an, drei Jahre später beschäftigte<br />
er bereits acht, jetzt sind es zehn. Fischer<br />
hat sich einen Namen in Sachen<br />
Qualität und Termintreue gemacht.<br />
Er bietet in erster Linie Schiffsreparaturen<br />
aller Art und Reparaturen<br />
an Antriebsmaschinen und –anlagen<br />
sowie Landrevisionen an. Auch<br />
Neubauten sind im Programm. Seine<br />
Hauptkunden sind Wasserstraßenund<br />
Schifffahrtsämter und andere<br />
Behörden, die mit der Schifffahrt zu<br />
tun haben, zum Teil auch die Fahrgastschifffahrt<br />
an Saale und Elbe<br />
oder solche Gemeinden an den beiden<br />
Flüssen, die Fähren besitzen sowie<br />
die Touristik- und Freizeitschifffahrt<br />
der Region.<br />
Da die Saale über die Sommermonate<br />
meistens wegen Niedrigwassers<br />
nicht schiffbar<br />
ist, akquiriert er<br />
über den Winter<br />
die Aufträge<br />
für das nächste<br />
Frühjahr<br />
und<br />
den Sommer,<br />
und<br />
im Sommer<br />
für den<br />
Ein kleines Arbeitsschiff erfährt eine<br />
Grunderneuerung und wird<br />
sandgestrahlt<br />
nächsten Herbst und den anschließenden<br />
Winter. Da er Qualität liefert und<br />
Pünktlichkeit garantiert, kommen zufriedene<br />
Kunden wieder, weil sie sich<br />
auf Fischer verlassen können. Er übernimmt<br />
auch Arbeiten, die nicht direkt<br />
mit Schiffen zu tun haben. So werden<br />
Fahnenmasten gebaut, Geländer für<br />
Steganlagen von Fähren und Schleusen<br />
oder Schweißarbeiten an Schleusen<br />
und Wehren ausgeführt, wie gerade<br />
gegenwärtig an der Schleuse Alsleben,<br />
die sich in Reparatur befindet.<br />
Die meisten Kunden sind Stammkunden<br />
geworden, zum Beispiel Peter<br />
Grunewald mit seinem Kreuzfahrtschiff<br />
»Sans Souci«, das über<br />
jeden Winter an der Fischer-Werft<br />
liegt und dort auf seine nächste Saison<br />
vorbereitet, und falls nötig, instandgesetzt<br />
wird.<br />
Die Schiffswerft Bernd Fischer<br />
war bis vor kurzem keine GmbH. Fischer,<br />
ist noch ihr Eigner und haftet<br />
mit seinem und dem Vermögen seiner<br />
Familie. Ehefrau Brigitte macht<br />
die Buchhaltung und Tochter Karina<br />
ist zuständig für Marketing und<br />
Kundenbetreuung. Sohn Thomas<br />
ist Meister für Schiffau und ist als<br />
solcher auch an der Werft tätig. So<br />
ist die ganze Familie ins Unternehmen<br />
integriert. Karina Fischer qualifizierte<br />
sich auch für die Zukunft<br />
als staatlich anerkannte Technikerin,<br />
Fachrichtung Maschinenbautechnik,<br />
und als Betriebswirtin des<br />
Handwerks. Damit bereitete sie sich<br />
darauf vor, das Unternehmen später<br />
einmal mit ihrem Bruder übernehmen<br />
zu können. Seit dem diesjährigen<br />
Elbschifffahrtstag leitet sie auch<br />
den Verein zur Hebung<br />
der Saaleschifffahrt<br />
(VHdS), der sich<br />
durch das<br />
Ausscheiden<br />
des Hafens<br />
Halle aus<br />
dem<br />
Hafengeschäft<br />
und<br />
seiner wichtigsten<br />
Sponsoren<br />
aus Bernburg und Alsleben verkleinert<br />
hat. Ihr ist es gelungen, den<br />
VHdS in die Elbe-Allianz zu integrieren,<br />
womit der Verein als Sprachrohr<br />
der Saaleschifffahrt und des Saale-<br />
Bündnisses seine Stimme für die Ertüchtigung<br />
der Saale nicht verliert.<br />
Die Fischer-Werft besteht nun<br />
22 Jahre. Um auch die Zukunft der<br />
Kinder abzusichern, wurde nun eine<br />
GmbH gegründet, in der Karina und<br />
Thomas gleichberechtigte Geschäftsführer<br />
sein werden, wenn Bernd Fischer<br />
und seine Frau in den Ruhestand<br />
gehen.<br />
Gegründet wurde die Werft<br />
1856 von Schiffaumeister Heinrich<br />
Schütze (laut Patent der Kgl.<br />
Regierung zu Merseburg), später<br />
übernommen von August Jersch,<br />
1913 von Karl Grieseler, später Inhaber<br />
Ernst Vopel als Schwiegersohn<br />
von Karl Grieseler. Vopels Tochter<br />
Anni Kloß privatisierte die Werft<br />
1991 unter dem alten Namen Karl<br />
Grieseler, konnte aber 1995 die Insolvenz<br />
nicht verhindern.<br />
Höhepunkte der Geschichte der<br />
ehemaligen Grieseler Werft sind:<br />
zwischen 1925 und 1939 der Bau von<br />
Saalemaß-Gütermotorschiffen, um<br />
1935 der Bau von Sektionen für ein<br />
1.000-t-Schiff, die auf der Grieseler-<br />
Werft im Magdeburger Zollhafen<br />
montiert wurden. 1970-77 erfolgte<br />
der Serienbau von Binnenfahrgastschiffen,<br />
deren Rümpfe noch genietet<br />
wurden, sieben davon gingen<br />
nach Ostberlin als sogenannte Stadtbezirksklasse.<br />
Einige von ihnen fahren<br />
noch heute.<br />
n<br />
Mit einem mobilen Schwerlastkran werden große<br />
motorisierte Wohnboote für Unterwasser reparaturen an<br />
Land oder ins Wasser gesetzt<br />
Fotos: Knoll<br />
Binnenschifffahrt – ZfB – <strong>2018</strong> – Nr. 8 49