BS 08-2018
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Auslandsaufenthalt in Australien – Mai bis Dezember 2017: Erfahrungsbericht von Jan Tiede (Ludwig-Franzius-Institut Hannover)<br />
In diesem Bericht werde ich meine Erfahrungen<br />
während meines Auslandsaufenthaltes<br />
an der University of Queensland<br />
in Brisbane, Australien beschreiben. Vorneweg,<br />
es war eine großartige Erfahrung<br />
und jedem, dem diese Möglichkeit offensteht,<br />
kann ich nur empfehlen, sie zu ergreifen,<br />
selbst wenn das Studium dadurch<br />
unter Umständen länger dauert.<br />
Mein Weg nach Australien führte über<br />
das Ludwig-Franzius-Institut (LuFI), an<br />
dem ich als studentische Hilfskraft angestellt<br />
war. Das LuFI hat im Sommersemester<br />
2017 eine Kooperation mit der<br />
University of Queensland (UQ) begonnen.<br />
Diese Kooperation umfasst die Zusammenarbeit<br />
auf akademischer Ebene<br />
in der Forschung, aber auch auf studentischer<br />
Ebene, in Form vom Austausch<br />
von Studenten/wissenschaftlichen Mitarbeitern<br />
und dem Angebot von parallel<br />
an beiden Universitäten stattfindenden<br />
Lehrveranstaltungen. Als erster Austauschstudent<br />
sollte ich an der UQ im<br />
Rahmen von Projekten neue Fähigkeiten<br />
erlernen, aber auch ein Thema für meine<br />
Masterarbeit finden und die Bearbeitung<br />
beginnen. Meine Position dort war<br />
weniger die eines Austauschstudenten,<br />
sondern mehr die eines Praktikanten, der<br />
auch noch seine Masterarbeit schreibt.<br />
Mit der Reisekostenunterstützung der<br />
Goedhart-Stiftung durch die Hafentechnische<br />
Gesellschaft (HTG) ging es dann<br />
im Mai 2017 nach Brisbane. Die ersten<br />
2 Wochen verbrachte ich mit Zimmersuche<br />
und Orientierung. Schließlich habe<br />
ich ein Zimmer in der Wohnung eines<br />
der Doktoranden meines Betreuers an<br />
der Universität gefunden.<br />
Brisbane ist eine 1,8 Millionen Stadt<br />
und liegt an der Ostküste Australiens.<br />
Ich bin im Winter in Brisbane angekommen,<br />
allerdings ist das bei Temperaturen<br />
von tagsüber ca. 25 °C und nachts 15 °C<br />
verkraftbar, auch wenn die Australier bei<br />
solchen Temperaturen die elektrischen<br />
Heizdecken herausholen. Mit seinen vielen<br />
Grünflächen und umgeben vom Brisbane<br />
River ist der Campus der UQ sehr<br />
einladend. Jeden Morgen begrüßten mich<br />
ein Leguan, Schildkröten und Aale im<br />
Fotos: © by Jan Tiede<br />
See und Kookaburras in jedem Baum auf<br />
dem Campus. Als Occupational Trainee<br />
habe ich an der UQ einen Tisch und PC<br />
in einem der Großraumbüros zugewiesen<br />
bekommen. Diese sind so gestaltet, dass<br />
die Doktoranden gemeinsam in einem<br />
großen Raum sitzen und wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter/Professoren meist ein<br />
durch eine Glaswand abgetrenntes eigenes<br />
Büro haben. Die erste Woche an der<br />
UQ verbrachte ich mit dem Erledigen von<br />
Formalitäten, dem Durchgehen von Arbeitssicherheits-Präsentationen<br />
und der<br />
sich anschließenden Quizze.<br />
Meine Aufgaben an der UQ waren vielfältig<br />
und knüpften gut an meine bisherigen<br />
Arbeitserfahrungen am LuFI an. Mein<br />
Aufgabenbereich erstreckte sich über die<br />
Auswertung von Naturmessdaten, die Vorbereitung<br />
von Feldeinsätzen und natürlich<br />
die Durchführung der Feldeinsätze mit einem<br />
der UQ-eigenen Boote. Zu den Projekten,<br />
an denen ich mitgewirkt habe, zählte<br />
unter anderem die Untersuchung der wirkenden<br />
hydro dynamischen Kräfte beim<br />
Anlegen der Ovations of the Sea, einem<br />
Kreuzfahrtschiff der Post-Panamax-Klasse.<br />
Auch habe ich an mehreren Feldeinsätzen<br />
in der Moreton Bay teilgenommen, die<br />
der Untersuchung der Sedimentationsproblematik<br />
in der Bucht dienten.<br />
Das Thema für meine Masterarbeit wurde<br />
dann die Untersuchung der Hydro- und<br />
Morphodynamik in der Mündung des Brisbane<br />
River in Vorbereitung für die Errichtung<br />
eines Kreuzfahrtterminals. Dieses<br />
Projekt hatte einerseits eine ingenieurtechnische<br />
und andererseits eine Forschungskomponente.<br />
Die Forschungskomponente<br />
stellte die Berechnung von Turbulenzparametern<br />
aus Acoustic Doppler Current<br />
Profiler (ADCP) Daten dar. Eine neue Generation<br />
von ADCPs erlaubt Strömungsgeschwindigkeiten<br />
über die gesamte Wassersäule<br />
in hoher zeitlicher und räumlicher<br />
Auflösung aufzuzeichnen. Mithilfe der Varianzmethode<br />
lassen sich dann aus diesen<br />
Daten Turbulenz parameter wie Reynolds-<br />
Spannungen und die turbulente kinetische<br />
Energie berechnen. Die so berechneten Parameter<br />
helfen einerseits beim grundsätzlichen<br />
Verständnis von turbulenten Strömungen<br />
und sind andererseits nötig um z.<br />
B. die Belastungen von Strukturen, die Turbulenz<br />
ausgesetzt sind, korrekt zu erfassen.<br />
In Hinblick auf zukünftige Entwicklungen<br />
im Bereich erneuerbare Energien, sind solche<br />
Daten insbesondere für die Turbinen<br />
von Tidekraftwerken oder ähnlichen Bauwerken<br />
von Belang. Seitens der UQ wurde<br />
ich bei diesem Projekt hervorragend unterstützt.<br />
Gleichzeitig wurden mir aber auch<br />
jegliche Freiheiten gelassen, das Projekt zu<br />
entwickeln, wie ich es für richtig erachtet<br />
habe. Ich habe in diesem halben Jahr eine<br />
Menge, nicht zuletzt über meine eigenen<br />
Stärken, gelernt.<br />
Auch wenn es entspannt zugeht, in diesem<br />
Land sind die Menschen sehr energiegeladen<br />
und unternehmungslustig. So gut<br />
wie jeder Mensch, den ich kennengelernt<br />
habe, surft, angelt, speerfischt, taucht, klettert<br />
oder wandert am Wochenende. Über<br />
Freunde meines Mitbewohners habe ich<br />
in Australien das Klettern für mich entdeckt.<br />
Üblicherweise war ich am Wochenende<br />
dann auch klettern, wandern oder<br />
Fahrradfahren. Von Brisbane aus ist der<br />
nächste Nationalpark in 30 Minuten mit<br />
dem Auto erreichbar. Eines der Highlights<br />
war ein Trip zum Campen und Klettern<br />
am Mount Tibrogargan. Was dieses Land<br />
neben seiner beeindruckenden Landschaft<br />
ausmacht, sind die Menschen. Der Umgang<br />
miteinander ist offen und herzlich.<br />
Ob es bei der Arbeit oder beim Surfen auf<br />
dem Wasser ist, ein freundliches »How’s it<br />
going?« zwischen wildfremden Menschen<br />
ist der vollautomatisierte Eisbrecher.<br />
Durch meinen Aufenthalt in Australien<br />
habe ich viel gelernt und mich menschlich<br />
und fachlich weiterentwickelt. Daher<br />
möchte ich mein Statement vom Anfang<br />
dieses Berichtes nochmal wiederholen: Jedem,<br />
dem die Möglichkeit offensteht, einen<br />
Auslandsaufenthalt in Studium oder<br />
Karriere einzubauen, empfehle ich, diese<br />
zu ergreifen. Sei es nun in Australien oder<br />
anderswo auf der Welt, der Zugewinn an<br />
Erfahrungen und Perspektiven, die sich<br />
daraus ergeben, ist kaum angemessen zu<br />
beschreiben.<br />
Jan Tiede<br />
Binnenschifffahrt – ZfB – <strong>2018</strong> – Nr. 8 79