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10 - Digitale Bibliothek Braunschweig

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und am Abendmahl teilnahm. also in ebenderselben Kirche. in der er selbst von 1756-63<br />

seine gottesdienstlichen Funktionen als Gemeindepfarrer verrichtete 1 Es ist zu bezweifeln.<br />

vielleicht galt sein Magdeburger Großonkd für die Familie als verschollen.­<br />

Gregoire Mourier ging mit seinen drei Vettern MOIse. Etienne und Pierre nicht ins Exil.<br />

sondern blieb der angestammten Heimat im Vivarais treu. allerdings unter Preisgabe<br />

seines reformierten Bekenntnisses. Derselbe wurde bestenfalls nach außen hin katholisch.<br />

um der Familie Vermögen und Liegenschaften zu erhalten; vielleicht heiratete er<br />

später eine Alt-Katholikin. so daß die in der alten Heimat seither geborenen Nachkommen<br />

als gute Katholiken gelten und von der protestantischen Vergangenheit ihrer<br />

Ahnen wahrscheinlich nichts wissen; möglidJerweise aber war Gregoire M. religiös<br />

indifferent und eine berechnende Natur. dann liegt der Schluß nahe. daß seinerseits die<br />

Abschwörung der .erreurs de Calvin" einzig zu dem Zweck erfolgte. das Erbe seiner<br />

geflohenen protestantischen Verwandten anzutreten. - In diesem Hin und Her scharfer<br />

Glaubensgegensätze und schwankender Lebensumstände wird die ganze Tragik und<br />

Problematik des Lebens der französischen Protestanten von anno 1685 offenbar. die in<br />

unerhörte Gewissenskonflikte hineingestellt wurden. denen sich schwächere Charaktere<br />

nicht gewachsen zeigten. Drei junge Leut.? die hier stellvertretend stehen für tausend<br />

und aber tausend andere in gleicher Lage. kehren der Heimat den Rücken und wandern<br />

aus Gewissensgründen aus. um in der Fremde wie die englischen Pilgerväter .to worship<br />

God in the way they thought right". sicherlich in der stillen Hoffnung auf eine zukünftige<br />

Änderung der politischen Konjunkturen und auf eine damit verbundene Rückkehr<br />

oder Rückrufung in ..Ia belle France". Wie oft mag dieser Stoßseufzer bei Verschnaufpausen<br />

auf gefahrvollen Fluchtwegen und im sicheren Exil beim Zusammentreffen mit<br />

Landsleuten von den lippen geflossen sein I<br />

Der eine der drei Brüder - MOlse - siedelt sich in der relativ heimatnahen.<br />

glaubens- und sprach verwandten Welschschweiz an. um später - bei der aJlgemein<br />

erhofften Rückkehr- eine günstige Absprungbasis zu besitzen. Er hat es am leichtesten.<br />

er hat als Gastwirt und Zuckerbäcker einen gängigen Beruf. denn getrunken und gegessen<br />

wird immer. auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Der zweite - Etienne - tritt<br />

in die Dienste Englands. wird Seemann und trägt sein Teil dazu bei. daß die protestantischen<br />

Mächte gestärkt. damit das Refuge und die Zufluchtsorte seiner Glaubensgenossen<br />

gewährleistet bleiben. Der dritte schließlich - Pierre - zählt als Strumpffabrikant<br />

zu den Wirtschaftpionieren und ist als Unternehmer auf ökonomischem<br />

Neuland von den wechselnden Zeitläuften in hohem Maße abhängig; er folgt dem Ruf<br />

des Großen Kurfürsten und läßt sich im femen Magdeburg nieder. wo er sich mit einer<br />

Landsmännin vermählt. aber in Bezug auf seine Kinder Unglück hat. denn vier Söhne<br />

sterben von 1707-17 rasch hintereinander. so daß seine Familie in Norddeutschland<br />

keine Wurzeln zu schlagen vermochte.<br />

Die Lebensgeschichte der Sippe Mourier vermag repräsentativ zu stehen für die<br />

lebensschicksale .zahlloser anderer:: ,Hugenotten familien. und ihre Lebensumstände umschließen<br />

alle jene Elemente. die als die bezeichnenden Merkmale der Refugies überhaupt<br />

gelten: die vorwiegend südfranzösische Herkunft der Auswanderer von 1685. die<br />

alttestamentlichen Vornamen. die Vorherrschaft der Textilberufe. die Spaltung der<br />

Familie in einen auswandernden protestantischen und in einen in der alten Heimat verbleibenden<br />

rekatholisierten Zweig. die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen der<br />

Aufnahmeländer. die mit dafür verantwortlich zeichnen. ob die Familien blühen oder<br />

aussterben. das Auseinanderreißen der Familien durch das Seßhaftwerden in den Protestantischen<br />

Zielländern : in der Schweiz. in England und in den mit ihm seit 1689 in<br />

Personalunion verbundenen Niederlanden. in Kurbrandenburg und anderen do!utschen<br />

Territorien. in Dänemark und schließlich in Übersee. Eine einzige Sippe nur. in derem<br />

Auf und Ab sich aber die Lebensschicksale einer ganzen Generation von reformierten<br />

Auswanderern französischer Nationalität widerspiegeln. zwar nur eine Familie. deren<br />

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