Frommen mitzutheilen, ohne aber auf Euere Entschlüsse unbedingt bestimmend einwirken zu wollen. Dann wird es ein reger Verkehr werden und rasch wird es sich zeigen, daß die wenige Zeit, welche Ihr auf die regelmäßigen Versammlungen alle Sonntag verwendet, sich tausend und abertausendfach rentiren wird. Euere Stimme wird Geltung erlangen und die drückenden Uebelstände werden wie Spreu vor dem Winde verfliegen. - Also der ,Mittelrheinische Bauernbund' mit dem Wahlspruch: ,Glekhe Pflichten, gleiche Rechte'." Vornehmstes Ziel sei es aber, "die Bauern und Arbeiter zu einem gemeinsamen Bund zu vereinen". Habe die Gründung Erfolg, könnten beide, Arbeiter und Bauern, genossenschaftliche Betriebe errichten: "Compostfabriken, Mühlen, Ackerbauwerkzeugfabriken und andererseits große Fruchtmagazine, Verkaufshallen etc." . Wenn alle bereit wären, ihr eigenes Interesse mit der Existenz des Bundes zu verknüpfen, werde sich auch "die Erkenntniß der Freiheitsgesetze" , also die Demokratie, "unumstößlich stabilisierenu. Der Weg sei schwer, man werde mit dem Mißtrauen der Bauern und der Regierung zu kämpfen haben. "Die Befürchtungen vor der Entwickelung des s. Standes" 28), schloß Bonhorst, müßten daher "durch die eigene Gesetzgebung und deren strenge Handhabung, sowie stetig fortschreitende Belehrungen unter der Hand gehoben werden". Er hoffe, appellierte Bonhorst an Becker, daß die Internatkmale ihren Beistand nicht versagen werde. Es bestände dafür Aussicht, daß sich der Mittelrheinische Arbeiterbund auf seiner nächsten Tagung in Mainz mit der I. A. A. vereinigen werde. Wenige Wochen danach hatte Bonhorst über Rückschläge zu berichten 29). Der Wiesbadener Anzeiger habe sich unter dem Druck der "Bourgeoisie" von dem Bund gelöst. Er selbst sei persönlichen Pressionen ausgesetzt - "Vater, Mutter, Freund und Feind, alle, alle mäkeln, warnen sie und rathen ab". Aber auch dieser Kelch werde vorübergehen. "Es kann ja kein Ohngefähr, kein Wahn, kein Traum sein", bekennt Bonhorst mit dem Pathos einer fast religiösen Überzeugung, "was des Mannes Brust so wonnesüß durchzieht, jenes Gefühl nach der Heimath der Menschlichkeit, die wir uns nur auf den Schultern unserer übermächtig großen Arbeiterkreise aufbauen werden." "Merkwürdig", heißt es im nächsten Brief, "wie man zweifelt und prüft bis man von dem Sodaldemokratismus erfaßt ist, - wie es momento Licht schafft und klarsehen läßt" SO). "SO stehen wir denn", fährt er fort, "wie einst Lassalle in Grenz- 28) Als ,,5. Stand" bezeichnet Bonhorst an gleicher Stelle das "Geldproletariat". 28) Bonhorst an Becker vom 9. 7. 1867. 80) Bonhorst an Becker vom 31. 1. 1868. Die Bekehrungserlebnisse vieler früher Sozialisten erinnern in ihrer Ausdrucksform und Gefühlsintensität an Zeugnisse religiöser Erweckungsbewegungen. S. z. B. die eine Generation nach Bonhorst verfaGte Sdbstdarstellung von Hendrik deM an über seine erste Begegnung mit dem Marxismus: "Bei der ersten Berührung mit dem Marxismus war es mir zumute, als ob mir ein Weltbild offenbart würde. das die Lösung für alle quälenden Probleme bot ... Daraus ergab sich ein solches Gefühl der Sicherheit und der Kraft, daß der dadurch gesteigerte 144 <strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong> http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong> Abb. 1. L e 0 n h a r cl. von Bon h 0 r s t Ausschnitt aus einem Gruppenbild, das die Lötzener Gefangenen von Ketten ll1llgeben zeigt. Abb. 2. Die B rau 11 s c h w e i ger Tu r n hall e a l1l Pet r i tor. Schauplatz der sozialdemokratischen Volksversammlung vom 16. Juli 1870. Nach dem Originalphoto im Stadtarchi v <strong>Braunschweig</strong>. http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042500