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WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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Jan lebt im Moment mit seiner Freundin<br />

in Würzburg, wo er ein FSJ am<br />

Uniklinikum in der Neurochirurgie<br />

macht. Eigentlich will Jan Medizin<br />

studieren, aber sein Abischnitt von<br />

1,7 reichte nicht <strong>für</strong> einen direkten<br />

Studienplatz. Er will nun Bonuspunkte<br />

<strong>für</strong> das neue Zulassungssystem zur<br />

Humanmedizin sammeln <strong>–</strong> und Praxiserfahrung.<br />

Denn Arzt möchte er unbedingt<br />

werden: „Ich finde die Vorstellung,<br />

dass du einer Person mit einer rechtzeitigen<br />

Diagnose das Leben retten<br />

kannst, sehr schön.“ Seine Hoffnungen<br />

setzt er auf den Medizinertest im<br />

Mai <strong>2022</strong>.<br />

Würzburg gefällt ihm, er wollte ohnehin<br />

„mal raus aus Weißenburg“, vor<br />

allem jetzt, wo der Großteil seiner<br />

Freunde weggezogen ist. „Klingt es<br />

böse, wenn ich sage, hier bleibt mir<br />

nichts?“, fragt er und lacht. Es wäre <strong>für</strong><br />

ihn keine Option, immer am gleichen<br />

Ort zu bleiben. Würzburg bedeutet<br />

Großstadtleben, aber nicht zu sehr.<br />

Auf die Frage, wie es ihm nach einem<br />

Arbeitstag gehe, grinst Jan: „Ich hab‘ ja<br />

12 Jahre lang nichts gemacht. Nichts<br />

gearbeitet, war lieber auf der Couch<br />

gelegen oder hab‘ Basketball gespielt.“<br />

Die ersten zwei, drei Wochen im<br />

neuen Job fühlte er sich einfach nur<br />

platt. 100 Prozent <strong>für</strong> ein Hobby wie<br />

Basketball sind jetzt nicht mehr drin:<br />

„Weil ich schon mindestens 50 Prozent<br />

auf der Arbeit verliere.“<br />

Jans Eltern sind Ärzte. Viele Leute<br />

fragten ihn, ob er nur Medizin studieren<br />

will, um die Praxis seines Vaters<br />

zu übernehmen. Aber im Moment<br />

sieht Jan sich dort nicht. Durch seine<br />

Eltern habe er aber von klein auf<br />

einen anderen Zugang zur Medizin<br />

bekommen. Schon früh hätte seine<br />

Mutter ihm und seinem Bruder gezeigt,<br />

wie man Wunden vernäht oder<br />

Zugänge legt.<br />

Er zeigt mir, wie ich meine Venen<br />

ohne Stauen ertasten kann, und ist in<br />

seinem Element. „Die Venen, die blau<br />

durch die Haut schimmern, sind die<br />

Jan Michel<br />

18 Jahre, Weißenburg,<br />

Freiwilliges Soziales Jahr,<br />

Uniklinikum Würzburg<br />

dünnsten, da passiert‘s leicht, dass<br />

man durchsticht.“ Dann weist er<br />

mich an, einen Finger auf die Vene<br />

meiner Hand zu legen. „Mach mal<br />

Deine Augen zu, spürst Du das?“<br />

Ich muss sagen, den Arzt hab‘ ich<br />

spätestens an dieser Stelle in ihm gesehen.<br />

Mara Ludwig ist im fünften Jahr ihrer<br />

Ausbildung zur Erzieherin. Aktuell ist<br />

Regens Wagner in Zell Maras Arbeitgeber<br />

<strong>für</strong> ihr Berufspraktikum. Sie<br />

arbeitet dort mit Kindern, die durch<br />

mehrfache Sinnesbehinderungen stark<br />

eingeschränkt sind. Für Mara war<br />

Mara Ludwig<br />

20 Jahre, Weißenburg,<br />

Ausbildung zur Erzieherin<br />

der Einstieg nicht leicht, denn sie beherrscht<br />

die Gebärdensprache noch<br />

nicht richtig.<br />

Trotzdem grinst sie, als sie mir von<br />

ihrer ersten Nachtschicht im Heim<br />

erzählt. Mit zwei Kindern, die weder<br />

hören noch sehen konnten, war sie<br />

allein. Rückblickend meint sie, war<br />

es vielleicht nicht schlecht, ins kalte<br />

Wasser geworfen zu werden. Die<br />

Leichtigkeit, mit der sie die Geschichten<br />

von ihren Betreuungskindern erzählt,<br />

fasziniert mich. Mara scheint<br />

ihren täglichen Herausforderungen<br />

auf der Arbeit mit sehr viel Positivität<br />

entgegenzutreten.<br />

Natürlich habe der Job auch Nachteile:<br />

Die Schichtarbeit hat Auswirkungen<br />

auf ihre Freizeit. „Ich hab‘<br />

frei, wenn die anderen arbeiten, und<br />

wenn die Party machen, muss ich<br />

oft zur Nachtschicht.“ Oder die Bezahlung.<br />

Hier würde Mara sich mehr<br />

Wertschätzung wünschen. An einem<br />

gewissen Punkt, sagt sie, „muss sich<br />

die Gesellschaft entscheiden, was ihr<br />

wichtiger ist: gut gebaute Autos oder<br />

gut erzogene Kinder“. Aber einen anderen<br />

Beruf zu ergreifen, nur um mehr<br />

Geld zu verdienen? Dann würde<br />

Mara gegen sich selbst arbeiten <strong>–</strong> und<br />

das käme nicht infrage.<br />

Als ich sie nach ihren Zukunftsplänen<br />

frage, erzählt sie, auf jeden Fall vorerst<br />

in der Region bleiben zu wollen.<br />

„Nach der Schulzeit und vor dem Berufsleben<br />

kommt so viel Neues. Wenn<br />

du in der Region bleibst und deinen<br />

Freundeskreis behältst, dann hast du<br />

trotzdem noch deinen sicheren Hafen<br />

<strong>–</strong> etwas, was dir Halt gibt. Wenn du<br />

woanders hingehst, bist du komplett<br />

auf dich allein gestellt. Ich finde den<br />

Rückhalt im Umfeld hier schon wichtig.“<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

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