WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

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tes Berufsbild, erst recht, seitdem die Ausbildung generalisiert ist und man noch mehr Möglichkeiten hat.“ Dazu kommt, dass sich in der Pflege selten die Sinnfrage stellt, was ganz sicher nicht für jeden Bürojob gilt. Man hilft in seiner täglichen Arbeit Menschen, die Hilfe dringend brauchen. Aber natürlich gibt es schon wirklich ein paar handfeste Gründe für die Probleme des Berufsbilds. Etwa die unregelmäßigen Arbeitszeiten mit Schichtarbeit, Wochenend- und Feiertagsdiensten oder auch dass man wegen der dünnen Personaldecke immer wieder einspringen müsse, wenn Kollegen ausfallen. Das sei für viele junge Menschen ein Grund, sich gegen die Pflege zu entscheiden, weiß Eidam. Zumal etwa Nachtschichten und Sonntagsarbeiten wirklich nicht angemessen über das Grundgehalt hinaus entlohnt würden, so Dorothea Eidam von der Schule auf der Wülzburg. Bergdolt sieht die Probleme unter anderem auch in der mangelnden Lobby des Pflegeberufs begründet. „Wir sind da als Branche selbst schuld, weil so wenige hier organisiert sind“, ärgert er sich. Man müsse sich dann nicht wundern, wenn man sich in den Verhandlungen mit den Arbeitgebern schwertue. „Ich denke, das liegt auch daran, dass in der Pflege viele schon seit Jahren am Limit arbeiten und dann, wenn sie mit der Arbeit fertig sind, sich nicht schon wieder um die Arbeit kümmern wollen“, spekuliert Dorothea Eidam. Tatsächlich lässt sich die mangelnde Organisation der ganzen Branche auch im Landkreis beobachten. Obwohl der Gesundheits- und Pflegebereich der zweitwichtigste Arbeitgeber im Landkreis ist, kommt er in der öffentlichen Diskussion kaum vor. Ganz anders als die erheblich besser organisierte Industrie etwa, die schon traditionell vor Ort das Industrie- und Handelskammergremium prägt. Die Chefs der großen Unternehmen vor Ort kommunizieren direkt und forsch ihre Bedürfnisse in Politik und Öffentlichkeit hinein. In der Pflege gibt es diese Stimme – zumindest auf lokaler Ebene – nicht. Die verschiedenen Träger in der Region – zum Beispiel Awo, Caritas, BRK oder einzelne Kommunen – treten in der Öffentlichkeit nicht gemeinsam als Das Haus Hahnenkamm in Heidenheim muss wachsen, um zu bleiben. Interessenvertreter auf. Das mag darin liegen, dass sie in einem engen Markt immer wieder miteinander konkurrieren. Um Arbeitskräfte, Bewohner, manchmal auch Zuschläge der öffentlichen Hand. Die nahe Zukunft sieht Bergdolt mit gemischten Gefühlen. Die anstehenden Reformen wollen den Pflegeberuf in einer Richtung akademisieren und in einer anderen Richtung den Zugang mit einer einjährigen Ausbildung erleichtern. Im Zusammenspiel von tief ausgebildeten Pflegeplanern und Assistenzkräften will man das System neu aufstellen. Bergdolt findet das grundsätzlich eine gute Idee, macht sich aber um die Umsetzung Sorgen. Im einen Bereich wären die Qualifikationshürden höher, was manche abschrecken könnte, in den Beruf zu gehen. Im anderen Bereich fürchtet er, dass man sich schwertun könnte, ausreichend Menschen zu finden, die die persönlichen Voraussetzungen für die Pflege haben, sich aber mit einem vergleichsweise gering qualifizierten Job zufriedengeben. Fakt ist für ihn aber, dass, wenn die Umstellung kommen sollte, man den Pflegeplanern mehr Kompetenzen geben muss. „In vielen Fällen darf eine Pflegekraft nicht mal eine Kopfschmerztablette geben, ohne dass der Arzt sie verordnet. Das sind Sachen, die sich sonst jeder selbst von der Apotheke holt“, ärgert sich Bergdolt. Am Ende werde man in der Pflege nie in der Lage sein, mit den Gehältern in der Industrie mitzuhalten. Das aber sei vielleicht auch nicht zwingend nötig „Wir brauchen diejenigen, die die Arbeit wirklich gern machen, und wir müssen ihnen ein Umfeld schaffen, dass sie diese Arbeit auch gut machen können“, glaubt Bergdolt. Gelingt das nicht, drohen ernste Probleme. „Ich frage mich schon auch manchmal“, sagt Eidam nachdenklich, „wer mich eigentlich mal pflegt, wenn es so weit ist.“ Immerhin sei es schon jetzt nicht ganz einfach, einen Pflegeplatz im Landkreis zu kriegen. Die Landschaft der Pflegeheime ist derzeit dabei, sich neu zu strukturieren. Das Prinzip ist dabei altbekannt: Wachse oder weiche. Viele Heime haben in den vergangenen Jahren angebaut oder planen es. Andere, bei denen das keine Möglichkeit war, sperrten zu. So wie etwa das Georg-Nestler-Haus in Pappenheim. In Heidenheim dagegen wurde das Haus Hahnenkamm an einen der größten privaten Pflegeanbieter des Landes übergeben. Die Burchard-Führer-Gruppe aus Dessau in Sachsen-Anhalt betreibt rund 40 Pflegeeinrichtungen in zehn Bundesländern und beschäftigt rund 3.500 Menschen. Schon in der Pressemitteilung zur Übernahme kündigte man einen Anbau an das nur 25 Plätze zählende Heim an und eine Beinahe-Verdreifachung der Kapazität. Fragt sich nur, wo all die Pflegekräfte herkommen sollen, die all diese neuen Pflegeplätze betreuen ... Auf die Pflegebranche im Landkreis kommen jedenfalls ziemlich spannende Zeiten zu. Auf dem Land immerhin tue man sich immer noch erheblich leichter, gute Arbeitskräfte zu finden als in der Stadt, weiß Willy Bergdolt aus Gesprächen mit anderen Trägern. Ob es der Politik gelingt, das Berufsbild spannender für junge Leute zu machen, daran hat Bergdolt allerdings so seine Zweifel. „Ich bin jetzt seit 36 Jahren in dem Beruf und ich bin müde geworden, der Politik zu glauben, was Ideen für die Finanzierung der Pflege betrifft.“ 98 WIKO Ausgabe 2022
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