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WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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schen verdrängt. Landwirtschaft wird<br />

verdrängt. Handwerk wird verdrängt,<br />

der lokale Einzelhandel wird verdrängt.<br />

<strong>Das</strong> ist eine Entwicklung, wo<br />

man im Grunde sagen kann: <strong>Das</strong> ist ein<br />

Verlust von Heimat.<br />

<strong>2022</strong> jährt sich die Gebietsreform <strong>–</strong><br />

Weißenburg und Gunzenhausen wurden<br />

politisch zu einem Landkreis verheiratet.<br />

Sollte man das eigentlich feiern?<br />

Ich sehe die Gebietsreform als ein zentrales<br />

Problem. Dadurch ist die untere<br />

Ebene der Demokratie sehr stark geschwächt<br />

worden. Die Ebene, wo die<br />

Bürger noch mitreden konnten, noch<br />

mitgestalten konnten, ist weit weggerutscht.<br />

<strong>Das</strong> war auch das Ziel. Man<br />

wollte, dass die Gemeinden so groß<br />

werden, dass sie Spezialisten anstellen<br />

können, dass es etwa einen Bauamtsleiter<br />

gibt, der ein Ingenieursausbildung<br />

hat. Aber damit hebt man die Entscheidungen<br />

eben auch auf eine Ebene, zu<br />

der man keinen Zugang mehr hat.<br />

Ist eine Trendwende in Sicht? Also,<br />

dass man wieder mehr Befugnisse nach<br />

unten gibt?<br />

Nein, im Gegenteil! Wenn was überlegt<br />

wird, dann eher die Gemeinden<br />

noch größer zu machen. Aber das ist<br />

heute nicht mehr durchsetzbar. Damals<br />

waren Großprojekte noch möglich.<br />

Auch das Fränkische Seenland zum<br />

Beispiel, in den 60er- und 70er-Jahren<br />

war das noch machbar. Heute wäre die<br />

Politik nicht mehr in der Lage, so etwas<br />

durchzuziehen. Der gesellschaftliche<br />

Konsens, den es <strong>für</strong> so etwas braucht,<br />

existiert nicht mehr.<br />

<br />

Wenn wir schon dabei sind: Was halten<br />

Sie vom Seenland?<br />

VITA PROF. DR. WERNER BÄTZING:<br />

Werner Bätzing wurde 1949 in Kassel geboren.<br />

Nach einem Studium der Theologie und Philosophie<br />

ging er als Religionslehrer nach Berlin. Nach<br />

einem Intermezzo als Buchhändler studierte er<br />

an der TU Berlin Geografie und promovierte. Nach<br />

sieben Jahren an der Universität Bern erhielt er<br />

einen Ruf als Professor an die Friedrich-<br />

Alexander-Universität Erlangen, wo er<br />

nach fast 20 Jahren 2014 emeritiert<br />

wurde. Seitdem widmet er sich weiter<br />

intensiv seinen Forschungen zur<br />

Entwicklung des ländlichen Raums.<br />

Insbesondere in Franken und dem<br />

Alpenraum. Prof. Dr. Werner Bätzing<br />

lebt in Bamberg.<br />

Meine Einschätzung in Sachen Seenland<br />

ist eher positiv. Es war sinnvoll,<br />

dass man das Wasserproblem löste, und<br />

es war auch sinnvoll, dass man einen<br />

dezentralen Tourismus gebaut hat, der<br />

den Einheimischen neue Verdienstmöglichkeiten<br />

schafft. Und das hat ja<br />

auch gut geklappt, wie ein Blick auf<br />

die Karte der Bevölkerungsentwicklung<br />

im Landkreis zeigt. Ich bin der<br />

Meinung, dass man auf diesem Wege<br />

weiterfahren sollte, dass man aus dem<br />

Fränkischen Seenland keine großtouristischen<br />

Strukturen bauen, dass keine<br />

fremden Investoren reinkommen, keine<br />

Großhotels entstehen sollten. Man<br />

sollte versuchen, den Tourismus in die<br />

Fläche zu ziehen. Also weg von den<br />

Seen, ins Hinterland, um diesen dezentralen<br />

Charakter des Tourismus, der<br />

von den Einheimischen geprägt wird,<br />

zu erhalten.<br />

Allerdings ist der Tourismus bei uns vor<br />

allem ein saisonaler. Leben können im<br />

Seenland nur wenige hauptberuflich<br />

vom Tourismus.<br />

Ja, aber es ist klassisch <strong>für</strong> das Landleben,<br />

dass man sein Einkommen aus<br />

mehreren Quellen bestreitet. Und<br />

diese touristischen Jobs sind in Einkommenskombinationen<br />

möglich. Sie<br />

sorgen auch da<strong>für</strong>, dass es eine hohe<br />

Akzeptanz der Einheimischen <strong>für</strong> den<br />

Tourismus gibt. An dem Punkt, wo<br />

hauptberufliche Strukturen entstehen,<br />

werden fremde Arbeitskräfte eingestellt<br />

und die Akzeptanz des Tourismus<br />

in der Bevölkerung sinkt stark.<br />

Dann war es also richtig, dass die Pfofelder<br />

im vergangenen Jahr Center<br />

Parcs weggeschickt haben, die rund 350<br />

Millionen Euro in eine riesige Ferienanlage<br />

am See investieren wollten?<br />

<strong>Das</strong> war genau richtig. Ich finde das<br />

sehr gut.<br />

Aber braucht das Land nicht auch Investitionen<br />

in eine starke Wirtschaft?<br />

Gerade läuft die Diskussion um das<br />

nächste Großprojekt. Ein in Gunzenhausen<br />

ansässiger Rechenzentrums-<br />

Dienstleister will Millionen in einen<br />

Serverpark mit Zigtausenden Computern<br />

investieren.<br />

Ich spreche in meinem Buch bewusst<br />

davon, dass das Land eine Doppelnutzung<br />

braucht. Natürlich braucht es auf<br />

dem Land Firmen, die <strong>für</strong> den Weltmarkt<br />

produzieren. Aber das darf nicht<br />

so stark werden, dass dadurch die regionale<br />

Wirtschaft verdrängt wird. Da<br />

braucht es eine Balance, und man muss<br />

im Einzelfall sehr genau gucken. Prinzipiell<br />

sind Serverfarmen eine Sache,<br />

bei der die Stadt ihre Probleme auf das<br />

Land auslagert. Immer zu glauben, weil<br />

das Land wirtschaftsschwach ist, müsste<br />

sie sich über jede Serverfarm freuen,<br />

ist <strong>für</strong> mich kein Argument. Aber wenn<br />

es sich um ein Unternehmen handelt,<br />

das seinen Sitz in der Region hat, muss<br />

man sich das näher anschauen.<br />

<strong>Das</strong> Land hat die Stadt mit ihrem<br />

Überschuss an Nahrung erst möglich<br />

gemacht, erklären Sie in Ihrem Buch.<br />

Weil Nahrung zumindest in den Industrieländern<br />

kein Mangelfaktor mehr ist<br />

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<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2022</strong>

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