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WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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dran. „Im ländlichen Raum kenne<br />

ich wirklich nichts Vergleichbares“,<br />

stellt Andreas Gebhardt fest, der als<br />

Alfmeier-CEO einer der Initiatoren<br />

und Antreiber der UNNA ist. „Der<br />

Druck zur Nachhaltigkeit wird immer<br />

größer“, sagt er im Gespräch mit unserem<br />

Magazin. Zum Beispiel, wenn es<br />

darum geht, qualifizierte Mitarbeiter<br />

zu bekommen. „Da ist die Sensibilität<br />

mittlerweile groß“, so Gebhardt. „Die<br />

Mitarbeiter wollen, dass sie <strong>für</strong> ein<br />

Unternehmen arbeiten, das den Nachhaltigkeitsgedanken<br />

umsetzt.“ Simon<br />

Amesöder von RF Plast in Gunzenhausen<br />

bestätigt: „<strong>Das</strong> ist absolut ein<br />

Thema in Vorstellungsgesprächen.“<br />

Aber auch an ganz anderen Fronten<br />

wird Nachhaltigkeit von einem weichen<br />

zu einem harten Faktor. „Banken<br />

werden ihre Zusagen an Nachhaltigkeitskriterien<br />

knüpfen“, glaubt Gebhardt.<br />

Und zwar, weil sie ein Gradmesser<br />

<strong>für</strong> Erfolgsaussichten eines<br />

Unternehmens sind. Vor allem in<br />

der Automobilindustrie ist der Druck<br />

längst Realität. „Gerade die Automobilkonzerne<br />

setzen massiv auf die Erfüllung<br />

der CO2-Vorgaben“, erklärt<br />

Alfmeier-Chef Gebhardt. Schon 2040<br />

will Daimler seine Autos CO2-neutral<br />

produzieren <strong>–</strong> fünf Jahre vor der Bundesregierung.<br />

Damit Daimler und Co<br />

ihre Ziele erreichen, müssen auch die<br />

Fremdunternehmen liefern. „Schon<br />

jetzt werden Auftragsvergaben von der<br />

Erfüllung von CO2-Reduktionszielen<br />

abhängig gemacht und man wird im<br />

schlimmsten Fall von der Vergabe ausgeschlossen“,<br />

erzählt Gebhardt. „<strong>Das</strong><br />

ist ein richtig scharfes Schwert.“<br />

Deswegen beschäftigt man sich in der<br />

UNNA stark mit der Carbon-Footprint-Messung.<br />

Also damit, zu errechnen,<br />

wie groß der CO2-Ausstoß ist, der<br />

durch ein Unternehmen entsteht. Und<br />

zwar inklusive der gelieferten Rohstoffe<br />

und Halbwaren. Ein komplizierter<br />

Prozess. Einzelne UNNA-Unternehmen<br />

haben die Messung schon durchgeführt<br />

und geben ihre Erfahrungen<br />

innerhalb der Initiative weiter.<br />

Etwa Alfmeier, wo man festgestellt hat,<br />

dass der Konzern mit 2.200 Mitarbeitern<br />

an den Standorten in Treuchtlingen,<br />

Mexiko, China und Tschechien in<br />

etwa so viel CO2 pro Jahr ausstößt wie<br />

die komplette Stadt Treuchtlingen mit<br />

ihren rund 13.000 Einwohnern.<br />

„Die Sachen, die man selbst in der<br />

Hand hat, kriegt man gut hin“, ist Gebhardts<br />

Resümee. „Die Gebäude, der<br />

Fuhrpark, die Art der Energie, die man<br />

einkauft.“ Schwieriger werde es, wenn<br />

man sich Lieferanten, Transportwege<br />

oder Dienstleister ansieht. „In der neuen<br />

Welt wird man jeden Handwerker,<br />

der kommt, um etwas zu reparieren,<br />

CO2-bilanzieren müssen“, ist der Alfmeier-CEO<br />

überzeugt. „Nur werden<br />

unsere Handwerker in den nächsten<br />

fünf Jahren nicht so weit sein, eine<br />

komplette CO2-Bilanzierung zu haben<br />

…“ Deshalb werde es mittelfristig ohne<br />

CO2-Neutralisierung nicht gehen.<br />

Womit man verblüffenderweise plötzlich<br />

mitten auf dem altmühlfränkischen<br />

Acker steht. Da nämlich könnte in Zukunft<br />

CO2 untergebracht werden.<br />

„Klima-Landwirt“, lautet die Initiative<br />

von Farm Next, einer Tochterfirma des<br />

Agrar-Riesen Baywa. Im vergangenen<br />

Jahr hat sie in Süddeutschland vier<br />

Pilotprojekte umgesetzt und laut Projektleiter<br />

Kurt Herbinger festgestellt,<br />

„dass das überraschend gut funktioniert“.<br />

<strong>Altmühlfranken</strong> ist nun Teil der<br />

zweiten Projektwelle, die den Klima-<br />

Landwirt von einer verrückten Agro-<br />

Start-up-Vison zu einer Geschäftsidee<br />

machen soll.<br />

„ Wir reden immer nur<br />

über Milchpreise, warum<br />

nicht über neue Einkommensquellen?„<br />

Die Idee ist ziemlich elegant, weil sie<br />

mit einem Schlag mehrere Probleme<br />

löst. Farm Next organisiert vor Ort<br />

landwirtschaftliche Flächen und bietet<br />

Unternehmen Partnerschaften an,<br />

um auf diesen Flächen die negativen<br />

Umweltfolgen ihres Betriebs in direkter<br />

Nachbarschaft zu neutralisieren.<br />

<strong>Das</strong> soll über spezielle Methoden der<br />

Bewirtschaftung gelingen, die die Humusschicht<br />

im Boden wachsen lässt.<br />

Bis zu 2,5 Tonnen CO2 pro Hektar<br />

könnten pro Jahr so gespeichert werden.<br />

Bei dem Projekt geht es nicht nur um<br />

den Humusaufbau, sondern auch darum,<br />

weiteren Humusabbau zu verhindern<br />

und so CO2-Emissionen gar nicht<br />

erst entstehen zu lassen. Dazu wird<br />

über den Klima-Landwirt nicht nur<br />

CO2-Speicherung entlohnt, sondern<br />

auch Leistungen <strong>für</strong> die Biodiversität<br />

wie etwa die Anlage wertvoller ökologischer<br />

Bereiche innerhalb der Flächen.<br />

Außerdem sorgt der Humusaufbau <strong>für</strong><br />

eine bessere Wasserspeicherfähigkeit<br />

im Boden, was Überschwemmungen<br />

vorbeugt und Dürrephasen besser<br />

überstehen lässt. Die Idee des Klima-<br />

Landwirts ist es, dort <strong>für</strong> eine Verbesserung<br />

des Ökosystems zu sorgen, wo<br />

auch die negativen Folgen durch den<br />

Betrieb eines Unternehmens spürbar<br />

werden.<br />

Farm Next weist die Klimaeffekte mit<br />

Untersuchungen nach und honoriert<br />

die Landwirte mit dem Geld, das sie<br />

vorher bei Unternehmenspaten und<br />

Kommunen eingesammelt haben.<br />

<strong>Das</strong> Projekt soll nicht nur dem Klima<br />

helfen, sondern auch eine neue Wertschöpfung<br />

in die bäuerliche Landwirtschaft<br />

bringen. „Da ist jede Menge<br />

Fantasie drin“, glaubt Andreas Gebhardt.<br />

„Wir reden immer nur über<br />

Milchpreise, warum nicht über neue<br />

Einkommensquellen?“<br />

In <strong>Altmühlfranken</strong> seien Politik und<br />

Unternehmer auf Farm Next zugegangen.<br />

„Da merken wir eine große<br />

Offenheit“, erklärt Herbinger. Nach<br />

ein bisschen Corona-Verzögerung soll<br />

es in diesem Jahr richtig losgehen. „Die<br />

Flächen haben wir, was wir brauchen,<br />

sind Unternehmen als Paten.“ Noch<br />

kann man mit dem Engagement bei<br />

dem Projekt nur symbolisch seinen<br />

CO2-Fußabdruck reduzieren, mittelfristig<br />

hoffen Herbinger und seine Mitstreiter,<br />

dass ihr Modell auch in CO2-<br />

Reduktionsplänen anerkannt wird.<br />

Die jüngsten Entscheidungen der EU<br />

würden in diese Richtungen zeigen.<br />

<strong>Das</strong>s man irgendwann auf einem globalen<br />

Zertifikate-Markt mit altmühlfränkischem<br />

Boden handelt, daran<br />

glaubt Herbinger aber nicht. „<strong>Das</strong> ist<br />

viel zu viel Formalismus, und es ist<br />

auch politischer Wille, die Entwicklungsländer<br />

da zu bevorzugen, als<br />

kleinen Ausgleich da<strong>für</strong>, dass es vor<br />

allem die Industrieländer sind, die <strong>für</strong><br />

die Verschmutzung verantwortlich<br />

sind.“ Aber das muss auch nicht der<br />

Weg sein. Gebhardt: „Wir denken in<br />

anderen Dingen immer stärker in regionalen<br />

Kreisläufen, das wäre eben<br />

auch bei der CO2-Kompensation der<br />

richtige Ansatz.”<br />

90<br />

<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2022</strong>

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