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WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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73-Jährige. Ihre Methode: „Bei Ablehnung<br />

aufmerksam und freundlich<br />

nachfragen, ob man denn nicht doch<br />

weiterhelfen könne.“ Und dann einfach<br />

das tun, was man fachlich könne.<br />

„Man kann schon sagen, ich habe einen<br />

Ehrgeiz entwickelt, es den Männern zu<br />

zeigen!“<br />

Und die Kinder? Die habe sie einfach<br />

mit zur Arbeit genommen, als sie noch<br />

klein waren. Die ältere der beiden<br />

Töchter hat das Radgeschäft nun in<br />

dritter Generation mit übernommen.<br />

Eine erfolgreiche Unternehmerinnengeschichte<br />

in <strong>Altmühlfranken</strong>, bei der<br />

die Frauen eine tragende Rolle im Familienunternehmen<br />

spielen. Sie ist<br />

allerdings eine Seltenheit. Sowohl in<br />

der Selbstständigkeit als auch im Angestelltenverhältnis.<br />

Viermal so viele Männer wie Frauen<br />

in der Führung<br />

Eine Auswertung der Agentur <strong>für</strong><br />

Arbeit zeigt: Fast die Hälfte der knapp<br />

33.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

im Landkreis sind Frauen.<br />

Doch nur rund 213 davon sind in einer<br />

Führungsposition, während es bei den<br />

Männern rund viermal so viele sind.<br />

Zum Vergleich: In Deutschland liegt<br />

der Frauenanteil in der Führung bei<br />

27,5 Prozent, in Mittelfranken mit 26<br />

Prozent etwas darunter.<br />

Deutlicher fällt das Bild bei den Big<br />

Playern aus: Bei den 50 größten Unternehmen<br />

und kommunalen Verwaltungen<br />

des Landkreises <strong>–</strong> gemessen an der<br />

Zahl der Beschäftigten <strong>–</strong> sitzen in 39<br />

Niederlassungen ausschließlich Männer<br />

in der Chefetage. Bei neun ist die<br />

Leitung gemischt und bei nur zwei der<br />

50 größten Arbeitgeber <strong>Altmühlfranken</strong>s<br />

sitzt eine Frau im Chefsessel: Dr.<br />

Dr. Kristina Becker als Bürgermeisterin<br />

in Treuchtlingen und Claudia Wolfinger<br />

als Vorsitzende der Geschäftsführung<br />

der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />

Ansbach-Weißenburg.<br />

<strong>Das</strong>s vor allem in größeren Unternehmen<br />

die Führungspositionen<br />

männlich dominiert sind, ist kein rein<br />

altmühlfränkisches Phänomen. Auch<br />

das Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

(IAB) bestätigt in seinem<br />

aktuellen Kurzbericht von Januar<br />

<strong>2022</strong>: Mit zunehmender Betriebsgröße<br />

nimmt der Anteil von Frauen auf der<br />

ersten und zweiten Führungsebene ab<br />

und liegt bei Betrieben mit mehr als<br />

500 Beschäftigten bei nur noch 15 Prozent.<br />

Die deutlich geringere Quote ist in<br />

<strong>Altmühlfranken</strong> zum Teil auch branchenspezifisch.<br />

Die größten Arbeitgeber<br />

sind oft in der Automobil- oder<br />

Kunststoffindustrie zu finden, immer<br />

noch stark männlich dominierte Berufszweige.<br />

Andererseits: Unter den<br />

50 größten altmühlfränkischen Betrieben<br />

ist auch das Sozialwesen mit Pflege-<br />

und Behinderteneinrichtungen gut<br />

vertreten. Und hier arbeiten überwiegend<br />

Frauen. Allerdings eben nicht in<br />

der Führung, wie sich zeigt. Die Chefs<br />

sind Männer.<br />

Hier spielt auch der ländliche und<br />

konservativ geprägte Raum eine Rolle,<br />

glaubt Hedwig Hochreiter, die Beauftragte<br />

<strong>für</strong> Chancengleichheit am<br />

Arbeitsmarkt bei der Arbeitsagentur<br />

Ansbach-Weißenburg: „In urbanen<br />

Regionen ist das Bild schon ein anderes.“<br />

Die klassische Rollenverteilung ist einer<br />

der Gründe, warum so wenig Frauen<br />

an der Spitze von Unternehmen<br />

stehen. Damit gehen strukturelle Probleme<br />

wie die mangelnde Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf und die<br />

Kinderbetreuung einher. Noch immer<br />

ist die Sorgearbeit <strong>–</strong> von der Kindererziehung<br />

bis zur Pflege von Angehörigen<br />

<strong>–</strong> über-wiegend Frauensache, und<br />

nicht jede Frau kann den Nachwuchs<br />

mit auf die Arbeit nehmen. „Oft wird<br />

den Frauen aber auch das Kümmern<br />

um die Fami-lie unterstellt, obwohl es<br />

in vielen Part-nerschaften schon eine<br />

moderne und gerechtere Verteilung<br />

gibt“, so Hedwig Hochreiter.<br />

Solche Vorurteile spielen ebenfalls eine<br />

Rolle, wenn es <strong>für</strong> Frauen darum geht,<br />

die Chefetage anzusteuern. „Frage ich<br />

Führungskräfte, welche Eigenschaften<br />

sie mit einer erfolgreichen Führungskraft<br />

verbinden, sind dies eher stereotyp<br />

männliche als stereotyp weibliche<br />

Eigenschaften”, erklärt Führungskräfte-Coach<br />

Martina Bohnenstiel. Männer<br />

gelten als wettbewerbsorientiert,<br />

analytisch, durchsetzungsfähig, selbstbewusst<br />

und ehrgeizig. „Frauen werden<br />

nach wie vor eher Eigenschaften<br />

wie empathisch, warm, <strong>für</strong>sorglich,<br />

emotional, sensibel, hilfsbereit etc. zu-<br />

gesprochen.“ Die Folgen solcher Stereotype:<br />

Die Frauen stapeln sich auf<br />

der zweiten Führungsebene, sehen den<br />

möglichen Aufstieg durch die „Gläserne<br />

Decke“ über sich <strong>–</strong> erreichen ihn<br />

aber nur selten.<br />

„Hinzu kommt, dass es Frauen oftmals<br />

an Selbstvertrauen fehlt und sie<br />

ihre Leistung nicht so gut darstellen<br />

können, wenn es um Beförderungen<br />

geht“, denkt die Beauftragte <strong>für</strong> Chancengleichheit,<br />

Hedwig Hochreiter. An<br />

der Qualifikation kann es kaum liegen:<br />

Bei den (Hoch-)Schulabschlüssen und<br />

Ausbildungen haben Frauen mit den<br />

Männern schon lange gleichgezogen,<br />

sie teilweise sogar überholt. Die Arbeitsagentur<br />

bietet deswegen vor allem<br />

<strong>für</strong> Frauen mit hohem Bildungsabschluss<br />

ein intensives Coaching an, in<br />

dem sie etwa lernen, Lohn- und Gehaltsgespräche<br />

zu führen und auf die<br />

eigenen Erfolge hinzuweisen.<br />

Gläserne<br />

Decke<br />

Die künstliche Barriere, die<br />

Frauen und Minderheiten<br />

daran hindert, in leitende<br />

Positionen aufzusteigen.<br />

Gründe <strong>für</strong> die Barriere<br />

sind eher ungeschriebene<br />

Normen und Vorurteile als<br />

tatsächliche Richtlinien.<br />

Auch ein Blick aufs IHK-Gremium<br />

Weißenburg-Gunzenhausen spiegelt<br />

die Situation in Führungsebenen der<br />

größten Unternehmen des Landkreises<br />

gut wider: Der vierköpfige Vorstand ist<br />

rein männlich besetzt, unter den 20<br />

Mitgliedern des Gremienausschusses<br />

der Wahlperiode 2020 bis 2024 befinden<br />

sich nur drei Frauen: Erika Gruber<br />

ist eine von ihnen.<br />

Und dann ist da noch Britta Strunz mit<br />

einer ebenso ungewöhnlichen, aber beeindruckenden<br />

Laufbahn. Die gelernte<br />

Zahntechnikerin hat den Quereinstieg<br />

ins Familienunternehmen gewagt: Zusammen<br />

mit ihrem Bruder Uli Krause<br />

und Mann Jochen Strunz leitet sie die<br />

Krause Präzisions-Kokillenguss GmbH<br />

in Bieswang mit über 90 Mitarbeitenden<br />

in zweiter Generation. Innerhalb<br />

der Dreier-Führungsriege konzentriert<br />

<strong>Wirtschaftsmagazin</strong> <strong>WIKO</strong><br />

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