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WIKO 2022 – Das Wirtschaftsmagazin für Altmühlfranken

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

Der Wirtschaftskompass Altmühlfranken stellt leistungsfähige Unternehmen der Region vor und widmet sich in Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen der Gegenwart und Zukunft der regionalen Wirtschaftswelt.

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lungen wird das Landleben auf einmal<br />

im Kopf als Idylle, als Gegenwelt stark<br />

gemacht. <strong>Das</strong> hat aber mit dem realen<br />

Landleben sehr wenig zu tun.<br />

Aber führt nicht der neue Charme dazu,<br />

dass mehr Städter sich <strong>für</strong> einen Umzug<br />

aufs Land entscheiden?<br />

Grundsätzlich gibt es Menschen, die<br />

von der Stadt aufs Land ziehen. Aber:<br />

Die Bilanz ist immer noch negativ. Da<br />

ist noch keine Trendwende zu erkennen,<br />

auch wenn sie in den Medien oft<br />

propagiert wird.<br />

Kann Corona einen neuen Impuls bringen?<br />

Wenn das Land jetzt schon in romantischer<br />

Hinsicht schön ist, ist es ja<br />

dank Homeoffice nun auch noch deutlich<br />

weniger unpraktisch?<br />

Nein, ich sehe da keinen neuen Impuls.<br />

Ich sehe nur die Entwicklung, dass<br />

durch Corona die Pendelentfernungen<br />

größer werden, die man bereit ist, zur<br />

Arbeit zu fahren, wenn man vielleicht<br />

nur zweimal die Woche ins Büro muss.<br />

Aber dadurch dehnt sich nur die Stadt<br />

und die städtische Lebensweise in die<br />

Fläche aus, das Land im eigentlichen<br />

Sinn wird nicht aufgewertet.<br />

Also will man gar keine Zuzüge aus der<br />

Stadt?<br />

Doch, das ist schon sinnvoll. Menschen,<br />

die nicht auf dem Land aufgewachsen<br />

sind, sind oft besser in der<br />

Lage, die Potenziale des ländlichen<br />

Raums zu entdecken. Die Alten sagen:<br />

<strong>Das</strong> haben wir immer schon so<br />

gemacht. Die Städter gehen offener an<br />

die Dinge ran. <strong>Das</strong> funktioniert aber<br />

nur, wenn sich die Zuzügler auf den<br />

ländlichen Raum einlassen. Wenn sie<br />

wirklich Kontakt aufnehmen und fragen,<br />

was ist das <strong>für</strong> eine Landschaft<br />

hier, was ist das <strong>für</strong> eine Kultur hier,<br />

was ist das <strong>für</strong> eine Geschichte. Wenn<br />

sie sich also auch verorten und nicht so<br />

wohnen wie Städter es gewohnt sind zu<br />

wohnen. Nämlich auf ihrem Grundstück<br />

mit Garten , ohne Kontakt zur<br />

direkten Nachbarschaft zu haben.<br />

Werfen wir einen Blick auf Weißenburg-Gunzenhausen,<br />

wo befinden wir<br />

uns räumlich?<br />

Der Landkreis liegt in der Mitte zwischen<br />

den beiden großen bayerischen<br />

Verdichtungsräumen Nürnberg und<br />

München, aber die beiden Räume sind<br />

noch nicht so weit gewachsen, dass sie<br />

aneinanderstoßen. Und wenn sie das<br />

tun, dann läuft das entlang der Achse<br />

A9 über Ingolstadt. Da liegt Weißenburg-Gunzenhausen<br />

abseits. <strong>Das</strong><br />

heißt, obwohl der Landkreis großräumig<br />

ziemlich zentral liegt, ist er trotzdem<br />

absolute Peripherie, weil er von<br />

den Suburbanisierungstendenzen der<br />

beiden Großräume nicht erfasst wird.<br />

Wann wurde Weißenburg-Gunzenhausen<br />

zur Peripherie? Immerhin war<br />

man ja mal Zentrum. Weißenburg etwa<br />

war fast 500 Jahre Freie Reichsstadt.<br />

<strong>Das</strong> ist völlig richtig: Jahrhundertlang<br />

ist diese Region keine Peripherie,<br />

sondern verfügt über einen gewissen<br />

Reichtum. Der Niedergang beginnt<br />

mit der Industriellen Revolution und<br />

der territorialen Neuordnung Bayerns<br />

ab 1803 <strong>–</strong> jetzt liegen die neuen industriellen<br />

und politischen Zentren auf<br />

einmal weit weg. Eine weitere Entwertung<br />

findet nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

statt, als immer mehr administrative,<br />

wirtschaftliche und kulturelle<br />

Funktionen aus Weißenburg und dem<br />

Landkreis abgezogen sind und aus Kos-<br />

„ Obwohl der Landkreis<br />

großräumig<br />

zentral liegt, ist er<br />

absolute Peripherie„<br />

tengründen zentralisiert, also in den<br />

großen Städten angesiedelt werden.<br />

Dadurch gehen viele Arbeitsplätze verloren.<br />

Aber auf der anderen Seite sind die Einwohnerzahlen<br />

in den meisten Gemeinden<br />

ja gestiegen.<br />

Da seit der Industrialisierung die Einwohnerzahlen<br />

in Bayern, Deutschland<br />

und Europa sehr stark steigen, zeigt sich<br />

die Schwächung des Landkreises darin,<br />

dass sein Bevölkerungswachstum deutlich<br />

unter dem bayerischen Durchschnitt<br />

liegt <strong>–</strong> es handelt sich also um<br />

eine relative Entwertung. Allerdings<br />

gibt es sogar einige Gemeinden, die seit<br />

1840 sogar Einwohner verloren haben.<br />

Etwa Pappenheim oder Heidenheim.<br />

Dabei liegt das Problem im Landkreis<br />

auch darin, dass sogar die Kleinstädte,<br />

die normalerweise Zentren des Wachstums<br />

sein sollten, hier lediglich unterdurchschnittlich<br />

wachsen.<br />

Ist das ein Zeichen <strong>für</strong> die Schwäche des<br />

ländlichen Raums in <strong>Altmühlfranken</strong>?<br />

Ja, weil die Kleinstädte im ländlichen<br />

Raum ganz wichtig sind, indem sie<br />

eine Funktion als Ankerpunkt <strong>für</strong> ihr<br />

Umland besitzen. Wenn Kleinstädte<br />

geschwächt werden, ist das oft ein<br />

Zeichen da<strong>für</strong>, dass der gesamte Raum<br />

Probleme hat. <strong>Das</strong> ist ein Zeichen <strong>für</strong><br />

eine problematische Entwicklung.<br />

Ist dann Weißenburg das neue Zonenrandgebiet?<br />

Die bisherige Entwicklung <strong>–</strong> gerade,<br />

wenn man die Zeit von 2004 bis 2020<br />

anschaut <strong>–</strong> sieht so aus. Weil da ist in<br />

Weißenburg-Gunzenhausen praktisch<br />

eine analoge Entwicklung zu beobachten,<br />

wie sie Landkreise im Bayerischen<br />

Wald, in der Oberpfalz oder in Oberfranken<br />

nehmen. Also da, wo man die<br />

schlechtesten Verhältnisse in Bayern<br />

hat.<br />

Geht das so weiter?<br />

Wenn nichts passiert, dann läuft das so<br />

weiter, ja.<br />

Was muss denn passieren, dass es sich<br />

ändert?<br />

Für mich ist die Identität der Schlüsselfaktor.<br />

Die Menschen müssen sich vor<br />

Ort wohlfühlen, dann übernehmen sie<br />

von sich aus Verantwortung, werden<br />

innovativ und aktiv und delegieren<br />

nicht einfach alles an den Staat. Es<br />

braucht aber auch ein regionales Wirtschaftsprogramm.<br />

Da hatte Herr Ritzer<br />

in seinem Artikel in der vergangenen<br />

Ausgabe des <strong>WIKO</strong> schon recht. Er<br />

hat allerdings den Fokus auf die Aufwertung<br />

von exogenen Potenzialen gelegt.<br />

Ich würde sagen, es braucht noch<br />

stärker die Aufwertung von endogenen<br />

Potenzialen.<br />

Was heißt denn das konkret?<br />

Eine sehr gute Aufwertung von endogenen<br />

Potenzialen, also von vorhandenen<br />

Möglichkeiten, stellt die neu<br />

geschaffene Marke „Altmühltaler Weiderind“<br />

dar, die auf eine überzeugende<br />

Weise Umweltschutz, Landwirtschaft<br />

und Metzgerhandwerk miteinander<br />

verbindet und auf dezentrale Weise<br />

hochwertige Fleischprodukte produziert.<br />

In Ihrem Artikel der vergangenen<br />

Ausgabe fand ich aber auch die Bereiche<br />

Holz und Stein sehr interessant.<br />

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<strong>WIKO</strong> Ausgabe <strong>2022</strong>

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