11.04.2024 Aufrufe

2012-02

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erzählung<br />

nach Hause kam, manchmal war in<br />

der Firma weniger zu tun, stand eine<br />

Ambulanz vor unserm Haus. Gruppen<br />

von Menschen aus der Nachbarschaft<br />

standen herum. Verstohlen<br />

blickten sie nach mir und tuschelten.<br />

Meine Frau hatte sich erhängt.<br />

Sie lag auf einem Tisch, Sanitäter<br />

hantierten an ihr herum. Ihr kleines<br />

süßes Gesicht war ganz spitz und<br />

bleich. Von der Familie ließ sich<br />

keiner blicken.<br />

Das war im Herbst 1927. Ich<br />

brauchte lange, um mich von diesem<br />

Schicksalsschlag zu erholen.<br />

In England ging alles seinen<br />

gewohnten Gang. In Deutschland<br />

spitzte sich die politische Lage zu.<br />

Die Nationalsozialisten hatten ihre<br />

ersten größeren Erfolge. Man hörte<br />

von Putschereignissen, Straßenkämpfen<br />

und Parteischlägereien, in<br />

denen mal die Nationalsozialisten,<br />

mal die Kommunisten die Oberhand<br />

behielten. Nun fing man an, mir auch<br />

wikipedia.de Köln 1945<br />

in der Familie wegen meiner Nationalität Schwierigkeiten<br />

zu machen. Mein Onkel konnte sich nicht durchsetzen. Als<br />

Schotte hatte er den Mund zu halten.<br />

Ende 1927 ging ich nach Deutschland zurück. Durch die<br />

Vermittlung meiner Kriegskameraden und meines Schwagers<br />

kam ich bei den Kölner Verkehrsbetrieben unter.<br />

Ich kaufte mir ein kleines Motorrad, eine DW und tuckerte<br />

in meinen Ferien durch Deutschland bis nach Ostpreußen,<br />

das mir gut gefiel. Mein Motorrad war eine kleine<br />

Attraktion, so dass ich an weiblicher Begleitung keinen<br />

Mangel litt. Eine feste Bindung verbot mir aber meine Erinnerung.<br />

Ich las viel und kaufte mir, mehr aus Interesse als aus<br />

praktischer Nutzanwendung, eine „Bibliothek des geistigen<br />

und praktischen Wissens“, ein Werk aus fünf Bänden, aus<br />

dem ich mich über Stenographie, Buchführung, Nationalkunde,<br />

Französisch, Rechnen, Literatur, Philosophie, Geschichte<br />

und anderes unterrichten konnte. Der Unterrichtsteil<br />

über die englische Sprache machte mir viel Spaß, wenn<br />

ich las: Im Schuhladen: Zeigen Sie mir ein Paar schwarze<br />

Schuhe mit weichem Oberleder, ich habe heiklige Füße.<br />

Vor allem die Literatur hatte es mir angetan, und ich fing<br />

an, kleine Geschichten zu schreiben. Auf den Gedanken,<br />

etwas für die Zeitung zu schreiben oder zu veröffentlichen,<br />

kam ich nicht.<br />

Dann kam 1933 der Machtwechsel. Vieles änderte sich.<br />

Im Volksempfänger konnte man großartige Reden hören.<br />

Langsam verbesserte sich die wirtschaftliche Lage. Die<br />

Zahl der Arbeitslosen nahm ab. Kommunisten aus der<br />

Nachbarschaft wurden abgeführt. Juden verschwanden,<br />

Ich kam in die furchtbar zerstörte Stadt Köln zurück.<br />

Meine Wohnung existierte nicht mehr.<br />

Kollegen wurden entlassen. Die Zurückbleibenden bedauerten.<br />

Andere sahen voller Hoffnung in die Zukunft.<br />

Das Rheinland wurde von deutschen Truppen besetzt.<br />

Ein Aufatmen ging durch die deutsche Bevölkerung, war<br />

doch ein Teil des Versailler Vertrages ohne Widerspruch<br />

revidiert.<br />

1938 wurden die Verhältnisse drohender. Die Unterredung<br />

mit Chamberlain in München verbarg noch einmal<br />

die sich abzeichnende Kriegsgefahr. Österreich kam zum<br />

Reich. Deutsche Regimenter zogen in die Tschechei.<br />

Die politische Situation wurde ernster. Es roch bereits<br />

nach Krieg. Die deutsche Wehrmacht rüstete auf.<br />

Dann kam der Überfall auf Polen, zwei Tage später die<br />

Kriegserklärung von England und Frankreich. Jeder, der<br />

den ersten Weltkrieg mitgemacht und darüber nach- !<br />

Ev. Krankenhaus<br />

Kredenbach<br />

✆ 0 27 32 20 91 25<br />

Schlossberg<br />

Freudenberg<br />

✆ 0 27 34 43 94 77<br />

Ev. Jung-Stilling-<br />

Krankenhaus<br />

✆ <strong>02</strong> 71 8 10 88<br />

Ambulante Rehabilitation<br />

2/<strong>2012</strong> 25 Jahre durchblick 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!