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2012-02

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Unterhaltung<br />

VON WEGEN FRAU AMSTEUER<br />

Autorenfoto<br />

Neulich sah ich im Fernsehen einen Bericht über die<br />

„Gelben Engel“ vomADAC. In diesem Beitrag hatte<br />

ein Fahrer den ADAC gerufen, weil sein Wagen<br />

nicht mehr anspringen wollte. Nach kurzer Wartezeit kam<br />

dann der „Gelbe Engel“, in diesem Fall eine Kfz-Meisterin,<br />

also eine Frau. Der Anrufer traute seinen Augen nicht und<br />

guckte erst einmal skeptisch. Nach anfänglicher Sprachlosigkeit<br />

stellte er jedoch fest, einen Profi erwischt zu haben.<br />

Alles lief problemlos, ein paar Handgriffe, Haube auf,<br />

einen Schlag auf den Magnetschalter, und der Wagen sprang<br />

wieder an. So wurde ihm schnell geholfen, aber auch geraten,<br />

baldmöglichst eine Autowerkstatt aufzusuchen. Ja,<br />

Frauen können auch!<br />

Diese Fernsehsendung hat bei mir eine witzige Erinnerung<br />

geweckt, denn ähnliches habe ich auch erlebt, mit<br />

dem Unterschied, dass mir kein „Gelber Engel“, sondern<br />

ein Tankwart an einer Raststätte half.<br />

Es geschah nach einem wunderschönen Urlaub an der<br />

Ostsee. Meine Mutter und ich waren mit einem kleinen Daf<br />

45, meinem ersten Fahrzeug, auf der Rückreise. Mein geliebtes<br />

„Däfchen“ war inzwischen in die Jahre gekommen<br />

und hatte immerhin beachtliche 120.000 km gelaufen. Auf<br />

unseren zahlreichen Reisen war es stets ein treuer Begleiter.<br />

Oft als Waschmaschinchen belächelt, staunte jedoch mancher<br />

Fahrer eines größeren Wagens, wenn mein Daf auf<br />

Schweizer Passstraßen, während andere mit kochendem<br />

Kühler am Fahrbahnrand standen, brav vorbeizog. Es war<br />

in den siebziger Jahren und in dieser Zeit wohl das preiswerteste<br />

Automatik-Fahrzeug – für mich gerade bezahlbar<br />

– wahnsinnig wertvoll!<br />

Nun aber genug des Lobes, denn jetzt war es passiert!<br />

Nach einem Tankstopp an einem Rasthof sprang mein<br />

treues Autochen nicht mehr an. In meiner Verzweiflung<br />

bat ich einen Tankwart, mir zu helfen. Der schritt zur Tat<br />

und zeigte mir den gleichen Trick, wie zuvor beschrieben.<br />

Auch er machte die Motorhaube auf, schlug mit einer<br />

Stange auf den Magnetschalter, der wohl klemmte,<br />

während ich zünden musste. Super, der Wagen sprang<br />

sofort an und wir konnten unsere Heimreise fortsetzen.<br />

Für unterwegs hatte er uns noch den Tipp gegeben, die<br />

gleiche Handlung auch mit einem Stockschirm – wenn<br />

nötig – ausführen zu können. Dazu musste meine Mutter<br />

aussteigen, um sich die Stelle zeigen zu lassen, wohin<br />

sie im Notfall mit dem Schirm draufschlagen sollte. Wir<br />

waren sehr dankbar!<br />

Jedoch hatte ich mir fest vorgenommen, bis nach Hause<br />

den Motor nicht mehr abzustellen. Aber es sollte anders<br />

kommen, denn nach etwa, drei Stunden Fahrt war wieder<br />

eine Pause nötig. Auf einem Parkplatz angekommen, kam<br />

jedoch mein automatischer Reflex, wie gewohnt, das Fahrzeug<br />

auszumachen. Erschrocken guckten wir uns an. Mist!<br />

Aber wir wussten uns ja zu helfen! Nach kurzer Rast also,<br />

Haube auf, Stockschirm raus, Klopfen und Zünden – super!!<br />

Wir hatten alles im Griff und konnten weiterfahren.<br />

Ein bisschen stolz waren wir schon, da uns so viel Kenntnis<br />

wohl keiner zugetraut hätte. Ja, Frau am Steuer!<br />

So erreichten wir bald wieder Siegen und wie nach jeder<br />

Reise musste ich, obwohl wir auf dem Rosterberg wohnten,<br />

zuerst noch durch die Oberstadt fahren, weil meine Mutter<br />

sehr heimatverbunden war und unbedingt ihr geliebtes<br />

„Krönchen“ sehen wollte.<br />

Nun hatte die Geschichte noch ein „Schwänzchen“,<br />

denn am nächsten Tag musste mein Daf in die Werkstatt<br />

zur Reparatur nach Wahlbach. Wieder kam der Stockschirm<br />

zum Einsatz und wir waren nun schon ein eingespieltes<br />

Team und konnten erneut problemlos starten.<br />

Unterwegs kamen wir durch Neunkirchen, wo meine Mutter<br />

einen Blumenladen entdeckte und mich bat, anzuhalten. Ich<br />

machte es mit Widerwillen, da ich nicht mehr glauben konnte,<br />

dass unsere Story weiterhin klappt. Nun gut, sie hatte mich<br />

überredet und ich hielt vor dem Laden an, machte den Motor<br />

aus und wartete auf dem Parkplatz, bis sie die Blumen gekauft<br />

hatte. Unmittelbar neben mir saß ein Herr in seinem Fahrzeug<br />

und schien auch auf jemanden zu warten. Als meine Mutter<br />

zurückkam, legte sie die gekauften Blumen auf den Rücksitz,<br />

ich machte die Kühlerhaube auf, sie nahm den Stockschirm<br />

und schlug auf den berühmten Schalter, während ich den Motor<br />

startete. Der Wagen sprang sofort an, ich stieg aus und<br />

machte unter den erstaunten Blicken meines Parknachbarn die<br />

Motorhaube wieder zu und fuhr weg.<br />

Diesem Fahrer blieb buchstäblich der Mund offen! Wir<br />

haben unterwegs Tränen gelacht! Diese, unsere Geschichte,<br />

wird er dann wohl seiner Frau erzählt haben. Die Werkstatt<br />

haben wir dann noch rechtzeitig erreicht.<br />

Ja, im wahrsten Sinne des Wortes: „Frau am Steuer!“<br />

Helga Düringer<br />

42 25 Jahre durchblick 2/<strong>2012</strong>

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