2012-02
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Unterhaltung<br />
BEWEGUNGSDRANG<br />
Der gute alte Turnvater<br />
Jahn würde sich<br />
entzückt die Augen<br />
reiben, dürfte er es noch erleben!<br />
Was hat sich auf dem<br />
Gebiete seiner einstigen<br />
Ideen getan. Vor 200 Jahren<br />
schuf er den ersten Turnplatz<br />
auf der Berliner Hasenheide<br />
und demonstrierte mit seinen<br />
Mitstreitern seine Vorstellungen<br />
einer „Deutschen<br />
Turnkunst“. Jahn schuf zum<br />
großen Teil die Grundlagen<br />
Foto: wikipedia.de für einen bis heute gültigen<br />
Sportbetrieb.<br />
Zu unserer Schulzeit gehörte einmal in der Woche das<br />
Fach „Turnen“ mit zum Lehrplan und wurde als Leibeserziehung<br />
im Zeugnis aufgeführt. Sportarten wie Aerobic,<br />
Jogging, Squash, Stretching, Walking, Thai-Chi und Chi-<br />
Gong usw. kannten wir nicht. Ebenso Namen, die uns für eine<br />
vermeintlich optimale Bekleidung angepriesen werden,<br />
wie:Adidas, Nike, Puma, O`Neill, Reebok und wie sie auch<br />
immer heißen, die wir mit Sportlichkeit verbinden sollen.<br />
Bei uns taten es ein paar leichte Leinenschuhe, ein einfaches<br />
Oberteil und eine Turnhose. Sie sahen für die Mädels und<br />
Jungen gleich aus. Die Übungen hießen Laufen, Springen,<br />
Werfen. Wettläufe über eine Strecke von 50 Metern, mal<br />
mit Staffetten, mal mit Abklatschen oder einfach nur, um<br />
die Laufgeschwindigkeit zu messen. Beim Springen wurde<br />
der Weitsprung gewertet. Eine ausgehobene flache Grube<br />
mit Sand aufgefüllt war das Ziel. Ebenso wurde auch das<br />
Werfen bewertet, bei dem es auf die erzielte Weite ankam.<br />
Für beides musste ein Anlauf bis zu einer<br />
Startlinie genommen werden.<br />
Einmal in jedem Schuljahr fanden auf<br />
dem gewöhnlich außerhalb gelegenen<br />
Sportplatz die Bundes-Jugendspiele statt.<br />
Wir nannten es Sportfest. Der eine mochte<br />
es mehr, der andere weniger. Ich gehörte zur<br />
letzteren Spezies. Sport war überhaupt nicht<br />
mein Ding! Nun ja, schon damals gehörte es<br />
zum pädagogischen Pflicht- und Schulprogramm.<br />
Und wer mochte sich für die Dinge<br />
begeistern, die nur eine unliebsame Pflicht<br />
für uns darstellte. Doch seit einigen Jahren<br />
hat sich eine regelrechte Liebe zur „Ertüchtigung<br />
des Körpers“, wie es sich Turnvater<br />
Jahn wohl erträumte, entwickelt.<br />
Beginnend mit dem Bau von Hallenbädern<br />
konnte man sich, auch in kalten Jahreszeiten,<br />
im erwärmten Wasser entspannen und die Gelenke<br />
trainieren. In jedem Falle bietet schwimmen bis heute zu<br />
jeder Jahreszeit einen erfrischenden, belebenden Effekt.<br />
Außerdem lässt sich ein Wasserbecken nicht nur in waagerechter<br />
Brust- oder Rückenschwimmhaltung nutzen, nein,<br />
es ermöglicht beimAqua-Jogging dem Körper in aufrechter<br />
Haltung federleichte Bewegungsabläufe. Wohltuend wirkt<br />
sich oftmals ein mitangebotener Besuch in einem Dampfbad<br />
oder einer Sauna aus.<br />
Wer erinnert sich nicht an die anfänglichen Trimm-dich-<br />
Pfade, die zum fröhlichen Trimm-Trab animierten und begeisterten:Allerorts<br />
entstanden nach sportlichen Maßstäben<br />
entwickelte Parcoure in den Wäldern. Teilweise wurden sie<br />
bis in alle Ewigkeit an Wegrändern regelrecht zementiert.<br />
Dort galt es sich an Balken mit langausgestreckten Armen<br />
entlangzuhangeln, auf glitschigen Baumstämmen balancierend<br />
das Gleichgewicht auszutesten, um zu guter Letzt die<br />
Muskeln und Gelenke an irgendwelchen Vorrichtungen zu<br />
straffen, dehnen, entspannt zu schütteln, um sich nach aller<br />
Anstrengung wohlig-durchtrainiert zufrieden zu fühlen.<br />
Abgelöst wurden sie später von zahlreichen Fitnessunternehmungen.<br />
Der Volksmund nennt sie „Muckibuden“, die<br />
sich überall in Stadt und Land niederließen. Die Werbung<br />
versprach für die Kasteiung eines Körpers enorme und<br />
wahre Glücksgefühle. Fitness wurde überhaupt zum Nonplusultra,<br />
zu einem wahren Zauberwort, das sich generationsübergreifend<br />
über unsere Gesellschaft legte. Mit Fitness<br />
und Wellness sollen Körper, Geist und Seele in Einklang<br />
gebracht werden. Manch ein modern denkender und aufgeklärter<br />
Zeitgenosse erwarb sich mit der Mitgliedschaft<br />
in einem derartigen Tempel einen bisher nicht gekannten<br />
„Kick“. Und nach einem wandernden Bundespräsidenten,<br />
der in seiner Freizeit auf Schusters Rappen unterwegs war,<br />
Foto: Gottfried Klör<br />
44 25 Jahre durchblick 2/<strong>2012</strong>