2012-02
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Unterhaltung<br />
mit brennenden Fackeln liefern die Feuerschlucker ein.<br />
Jongleure, Messerwerfer, Seiltänzer, Tiernummern, Hochseilartisten<br />
und Clowns, zeigten ihr Können. Das Publikum<br />
staunte, lachte, hielt die Luft an, klatschte und trampelte Beifall.<br />
Auch Britta und Helma waren begeistert.<br />
Täglich steckten die Pfleger ein neues Karree auf der<br />
Wiese ab und brachten die Tiere dorthin. Das kleine Kamel<br />
folgte brav seiner Mutter, blieb aber einmal hinter der Absperrung<br />
stehen, steckte den Kopf in einen Eimer und kippte<br />
ihn um. Das Wasser traf die Hosenbeine des Pflegers. Er<br />
schimpfte. Es rannte zu seiner Mutter.<br />
Am nächsten Tag blieb das Babykamel nicht wie sonst<br />
neben seiner Mama sondern rannte hin und her. Der Tierpfleger<br />
lenkte es aber geduldig näher zum Pferch und stützte sich<br />
beim Schließen auf den Zaunpfahl. Das Jungtier kam zurück,<br />
stupste mit dem Maul an den Hals des Mannes, schnappte<br />
seine Mütze und flitzte damit weg. Er jagte hinterher. Es<br />
schlug einen Haken und stürmte durch das noch einen Spalt<br />
offen stehende Gatter. Der „Hüter“ schrie und fuchtelte mit<br />
den Armen. Helfer eilten herbei. Sie fingen den Ausreißer<br />
ein, drängten ihn zurück ins Gehege und hielten ihn fest. Das<br />
Kleine warf den Kopf hoch, vollführte Bocksprünge, keilte<br />
aus. Vergeblich. Jemand streifte ihm Zaumzeug über. Die<br />
Babyzeit war vorbei.Als die Pfleger es losließen, sauste es zu<br />
seiner Mutter, trank und sie liebkoste ihm mit ihrem weichen<br />
Maul den Rücken. Später schaukelte sie, begleitet von ihrem<br />
Kind, in den Schatten des Nussbaums. Dort legten sie sich<br />
eng nebeneinander und blickten hinüber zum Zelt.<br />
Scheppern weckte Helma. Sie horchte. „Ach ja, Abreisetag<br />
für den Zirkus.“ Sie stand auf, bereitete ihr Frühstück,<br />
setzte sich an den Tisch vorm Fenster und wartete auf die<br />
Tiere. Doch keines durfte raus. Am späten Vormittag rollten<br />
Lastwagen und Trecker mit ihren Anhängern zur Straße und<br />
Zirkus Antonelli fuhr als Konvoi davon.<br />
Helma blickte der Kolonne nach und dachte an die tänzelnden<br />
Pferde, die rennenden Ziegen und Schweine, das<br />
Kamel, das beim Fressen immer auf der Seite lag und dessen<br />
Bauch dabei wie ein Berg in die Luft stand und an das Babykamel.<br />
Sie seufzte, trank einen Schluck Kaffee und sagte:<br />
„Ich vermisse euch.“ !<br />
GEDANKEN AM STRAND<br />
von Lieselotte Wessely<br />
Der Strand war jetzt, früh im Jahr, noch ruhig und<br />
der Sand glatt, wie unberührt. Die Sonne schien<br />
und der Wind trieb flache Wellen heran. Eine junge<br />
Frau kam näher und setzte ihr Kleinkind in den Sand.<br />
Wie ferngesteuert begann es, in Richtung Flutsaum zu krabbeln.<br />
Von Zeit zu Zeit hob es den Kopf, sah die Wellenbewegung<br />
und ließ ein erstauntes „Och“ hören. Dicht am<br />
Wasser angelangt, hob es die Mutter auf den Arm und trug<br />
es zurück in den Sand. Das Kind griff tief hinein. Ließ die<br />
Körnchen durch die Finger rieseln, fand kleine Muscheln<br />
dabei und streckte die der Mutter entgegen, bewunderte<br />
die kleinen Fundstücke in seiner eigenen Sprache. Es<br />
war hingegeben an sein Spiel, das zu nichts Geringerem<br />
führte als zur Entdeckung der Welt. Dieses Bild wollte lange<br />
nicht verblassen. Es blieb vor meinen Augen und vor<br />
meiner Seele. Das Kind und sein Spiel hatten mich in die<br />
Vergangenheit versetzt. Das Gestern und das Morgen seien<br />
keine guten Weggefährten, heißt es. Aber dennoch war das<br />
fremde Kind für Augenblicke mein eigenes, das sich ausprobierte,<br />
war mein Enkel, der die ersten Worte plapperte.<br />
Das Wunder des Anfangs war es, das mich gefangen nahm.<br />
Der Dichter Hermann Hesse hat es so gesagt: „Und allem<br />
Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der<br />
uns hilft zu leben!“ Darauf, dass das Wunder des Anfangs<br />
noch einmal vor meinen Augen beginnt, werde ich nicht<br />
warten können, denn meine Enkel sind noch sehr jung und<br />
werden noch lange „Singles“ bleiben. Ich kann nur hin und<br />
wieder verstohlen und von weitem Kinder beobachten, die<br />
mir der Zufall über den Weg führen wird. Und mich an<br />
ihnen erfreuen. ●<br />
2/<strong>2012</strong> 25 Jahre durchblick 41