2012-02
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LEDERWERKE<br />
IM SIEGERLAND<br />
Einst bedeutender heimischer Industriezweig<br />
Foto: Stadtarchivar Reinhard Gämlich<br />
Mit Abbruch der Lederwerke in Hilchenbach, im<br />
Jahre 1993, wurde das letzte Domizil der einst<br />
so bedeutenden Siegerländer Lederindustrie verabschiedet.<br />
Der Gerber, der das Berufsbild unserer Heimat,<br />
des Siegerlandes, über Jahrhunderte mit geprägt hat und<br />
somit für den Lebensunterhalt über viele Generationen<br />
beigetragen hat, ist damit hier nahezu verschwunden. Nur<br />
im Netpher Ortsteil Eschenbach existiert noch eine kleine<br />
Gerberei. Aber überall findet man noch Namen die auf die<br />
mächtigen Gerbereien der Vergangenheit hinweisen.<br />
Von allen Gegenden Deutschlands, die bereits im Mittelalter<br />
den Gerbern eine Heimstätte gewährten und über<br />
Jahrhunderte blühende Gerberzünfte aufwiesen, nimmt das<br />
Siegerland eine Spitzenstellung ein. Bereits 1311 taucht in<br />
einer Urkunde die älteste Lohmühle in Siegen auf. Die Gerber<br />
wohnten bis zum 16. Jahrhundert überall in der Stadt<br />
Siegen verteilt. Im Lohgraben, es war ein Graben welcher<br />
vom Weißbach abgeleitet wurde, spülten sie ihre Häute.<br />
In jener Zeit erhielt in Siegen das Wetzlarer Tor den Namen<br />
Löhrtor und die dahin führende Straße, in die nun die<br />
Gerber gezogen waren, den Namen Löhrstraße. (Lohstraße)<br />
Die Besitzer legten aber erst im 17. Jahrhundert ihre Lohbäue<br />
an den Lohgraben.<br />
Die Häute wurden nach dem Entfernen der Oberhaut<br />
(Fell) und der Gewebeschicht mit Gerbmitteln (gemahlene<br />
Eichenrinde) längere Zeit in Gruben (Gerbbottiche) gelegt.<br />
Nun begann die chemische Umwandlung tierischer Häute<br />
in Leder. Dies geschah durch Einwirken von Gerbstoffen.<br />
Diese setzten das Eiweiß der Häute in haltbare Verbindungen<br />
um. Zuvor wurde auf sogenannten Scherböcken die<br />
Haarseite der Felle mit stumpfen zweigriffigen Haareisen<br />
abgeschabt und an die Filzfabriken verkauft. Beim Abscheren<br />
der Hautunterseite benutzten die Gerber scharfe Schereisen.<br />
Es waren zweigriffige gebogene „Scherdegen’’, die<br />
früher im Zunftwappen der Loher zu sehen waren. Dieser<br />
mit Kalkmilch konservierte Abfall wurde als Leimleder an<br />
die Leimfabriken verkauft. Die Gerbbottiche, auch Lohkästen<br />
genannt, wurden aus dicken Eichenbohlen ohne<br />
Nägel hergestellt, denn Lohe und Leder durften mit Eisen<br />
nicht in Verbindung kommen. Die Kästen ließ man im Freien<br />
oder im überdachten Grubenhof in Erdgruben ein. Ihre<br />
Anzahl bestimmte einst die Größe und den Besitzstand des<br />
Gerbereibetriebes.<br />
Grundlage der Siegerländer Gerbereien war von jeher<br />
der Lohbestand der Hauberge. Lohe ist die gemahlene<br />
Rinde junger Eichenstämme und der ideale Gerbstoff. Es<br />
gab seinerzeit kein Produkt, bei dem das Verhältnis der<br />
Schwell- und Tanninstoffe zum Gerben so günstig war wie<br />
hierbei. Aus der wohl einmaligen Haubergswirtschaft im<br />
Siegerland kam nicht nur die Holzkohle für die Hüttenfeuer,<br />
sondern auch die Eichenrinde für die Gerbereien, was<br />
beides unersetzlich war. Die Zunft der Gerber und Schuhmacher<br />
hatte 1455 in Siegen 31 Mitglieder und 1483 schon<br />
47. Nur sie besaßen von allen Siegerländer Zünften seinerzeit<br />
ein eigenes Zunfthaus, es war die Gaffel. Daran kann<br />
man sehen, welche enorme Bedeutung die Gerber hatten.<br />
Graf Johann gab 1504 der Siegener Loherzunft einen interessanten<br />
Kurbrief, es heißt u. a. ,,Wir wullen, das die Loer<br />
in unserer Stait Siegen gut gair Leder machen sullen ....,“<br />
hieraus geht hervor, dass sie für den eigenen Gebrauch im<br />
Siegerland und die Fürsten arbeiteten. Später produzierten<br />
sie dagegen viel mehr und zwar für den offenen Markt.<br />
Die Messen in Frankfurt a. M. waren nun ein besonderes<br />
Absatzgebiet.<br />
Mit allen Mitteln versuchten sich die Gerber der Stadt<br />
Siegen gegen die Ausbreitung ihres Gewerbes aufs Land<br />
30 25 Jahre durchblick 2/<strong>2012</strong>