2012-02

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Unterhaltung MEIN ESPRESSOKÄNNCHEN Morgens trinke ich immer Tee. Eine ganze Kanne. Im weiteren Verlauf des Tages dann gerne auch Kaffee, nur nicht mehr am Abend. Aber keinen Filterkaffee, sondern Espresso. Und zwar aus meinem schon in die Jahre gekommenen Espressokännchen. Das mag ich ganz besonders. Der Espresso ist immer schön heiß und genau so stark, wie ich ihn haben möchte. Ja, ein Leben ohne mein Espressokännchen wäre undenkbar für mich. Wenn ich seine leisen vertrauten Geräusche, die es während der Zubereitung von sich gibt, höre, hebt sich immer meine Stimmung ganz enorm. Manchmal bereite ich mir auch einen Cappuccino zu. Ich schlage mir heiße Milch nach alter Väter Sitte in einem kleinen Topf schaumig und gebe das „schwarze Gold“ dazu. Mmhh!!!! Der Kauf dieses Kännchens war vor vielen Jahren mein erster eigenständiger Handel auf einem italienischen Markt. Und seitdem gehören wir zusammen. Es hatte von Anfang an einen besonderen Platz in meinem Herzen und in meinem Küchenschrank. Wenn mich schon mal das heulende Elend packt, hole ich es heraus und koche mir einen schwarzen Muntermacher, so wie ich ihn liebe. Während ich diesen mit reichlich Zucker in kleinen Schlucken genieße, erzähle ich ihm von meinen Sorgen und Nöten. Nach solchen „Espresso-Gesprächen“ fühle ich mich immer viel besser. Nachdem ich es liebevoll gereinigt habe, stelle ich es wieder an seinen gewohnten Platz im Schrank. Ich lasse die Schranktüre etwas offen stehen, damit ich ihm im Vorbeigehen schon mal zuzwinkern kann. Nur ein einziges Mal habe ich den Schrank ganz fest verschlossen. Meine Stimmung hatte ihren Tiefststand erreicht und selbst der Espresso, den ich gegen alle Prinzipien am Abend trank, zeigte keinerlei Wirkung. Ob es nun der späte Espressogenuß war oder mein schlechtes Gewissen, das mich nicht schlafen ließ, kann ich bis heute nicht genau sagen. Auf jeden Fall öffnete ich die Schranktüre am nächsten Morgen wieder einen Spaltbreit. In der darauffolgender Woche feierte ich einen runden Geburtstag. Viele liebe Freunde schenkten mir eine moderne, vollautomatische Espressomaschine. Ich nutzte sie mit großen Bedenken aus. Doch auch wenn ich es heute ungern zugebe, sie verrichtete angenehm gurgelnd, ja fast schnurrend, ihre Arbeit. Dass aus einigen Ritzen Dampf, auch für Laien erkennbar, in viel zu großen Mengen entwich, ignorierte ich einfach. Ich staunte und liebte dieses Foto: Gottfried Klör fast anmutige Säuseln der Maschine. Dass aller Kaffee, den dieses moderne Ding herstellte, auch nicht annähernd dem Geschmack meiner althergebrachten Herstellung nahekam, bemerkte ich zunächst nicht, denn meine Begeisterung gehörte der modernen Technik. Doch eines Tages wurde ich wach, und die Erinnerung an den tollen Geschmack „meines Espressos“ ließ mich ins Grübeln kommen. Brauchte ich wirklich so eine moderne Maschine? Was sollte aus meinem noch lange nicht ausgedienten Kännchen werden? Aber nichtdestotrotz entschied ich mich für den Fortschritt und stellte mein gutes altes Espressokännchen auf ein Regal, genau über die „Kaffeebar moderna“, wie ich mein neues Gerät inzwischen nannte. Doch nach gar nicht langer Zeit gab die moderne Technik schon ihren Geist auf. Ein Ventil platzte. Meine Bemühungen, ein Ersatzteil zu finden, gestalteten sich sehr schwierig. Etliche Telefonate, einige Stunden Suche im Internet und viele Ersatzteillagerbesuche habe ich hinter mich gebracht, bis ich endlich die Gewissheit hatte, das ich besagtes Teil nur über die italienische Herstellerfirma bekommen konnte. Und so nahmen die Probleme ihren Lauf. Niemand verstand meine Sprache und umgekehrt war es auch nicht besser. In Gedanken sah ich schon meine „Kaffeebar moderna“ in einer Recyclingfirma, in hunderte von Einzelteilen zerlegt, liegen. Doch als irgendwann ein entfernter Bekannter meiner Tochter seinen angeheirateten Schwager einschaltete, schien doch noch Bewegung in die Angelegenheit zu kommen. Nach einiger Zeit hielt ich für viel Geld dieses kleine Ersatzteil in meinen Händen. Dank meines handwerklichen Geschicks konnte ich den Einbau ohne größere Schwierigkeiten selbst vornehmen. Als endlich die „Kaffeebar moderna“ wieder einsatzfähig war, wusste ich auf einmal gar nicht mehr, ob ich sie überhaupt noch benutzen wollte. Zwischenzeitlich hatte ich mich wieder so an mein altes Espressokännchen gewöhnt, dass ich spontan entschied, die „Kaffeebar moderna“ in den Küchenschrank zu stellen und die Türe auch fest zu verschließen. Mein altes, geliebtes, unersetzbares Espressokännchen bekam einen Ehrenplatz neben dem Küchenherd, damit wir uns immer sehen und ich in schwierigen Situationen mit ihm sprechen kann, wenn ich seinen unvergleichlich guten Espresso genieße. Ulla D’Amico 64 25 Jahre durchblick 2/2012
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