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2012-02

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Gesundheit<br />

meinsam geht und einfühlsam lenkt. Durch die Diagnosestellung<br />

werden jetzt plötzlich die signifikanten Verhaltensänderungen<br />

und Fehlleistungen in den letzten Monaten erklärbar,<br />

die Unsicherheiten sind beseitigt, aber die Sicherheit über<br />

den Lebensweg in den bevorstehenden Jahren ist nicht unbedingt<br />

ermutigend. Der verantwortungsvolle Hausarzt hat<br />

jetzt die schwere Arbeit vor sich, er muss den Angehörigen<br />

und vor allem seinem Patienten beratend zur Seite stehen,<br />

beide auf dem ungewissen Wege begleiten, in Offenheit und<br />

Wahrheit, nicht beschönigend, aber auch nicht nur negativ<br />

schwarz malend, obwohl er ja aus seiner Erfahrung die Verläufe<br />

kennt. Er soll Sicherheit und Mut geben, in Krisen da<br />

sein, sich zusammen mit den Betroffenen über kleine Erfolge<br />

freuen. Er wird sagen, dass die Medikamente die Krankheit<br />

nicht heilen, allenfalls eine Verschlimmerung der Symptome<br />

verzögern oder abmildern, und er wird für eine gute Pflege<br />

sorgen, für das Umfeld, wird allen Mut machen. Er wird<br />

ehrliche Antworten ohne Beschönigung geben und auf die<br />

menschlichen Hilfen mehr hinweisen als auf die Wirksamkeit<br />

der Medikamente hoffen.Ab jetzt sind die Menschen aus<br />

dem Umfeld des Kranken wichtig, die Familie, die Nachbarn,<br />

die Freunde, der Horror der Demenz muss abgewendet,<br />

dieAngst vor der Zukunft, das Ungewisse, die Dämonen<br />

müssen vertrieben werden. Es soll nicht eine Stigmatisierung<br />

des Kranken erfolgen, er ist nach seinen Fähigkeiten ein vollwertiges<br />

Mitglied seiner Familie, als Mensch behält er seine<br />

Würde bis das Herz zu schlagen aufhört.<br />

Was aber ist eine Demenz? Der Begriff ist aus dem Lateinischen<br />

abgeleitet und bedeutet „Ohne Verstand“. Medizinisch<br />

versteht man unter Demenz eine fortschreitende degenerative<br />

Erkrankung des Gehirns, bei der wichtigeAufgaben,<br />

wie das Gedächtnis, das räumliche Orientierungsvermögen<br />

und die Sprache immer schlechter funktionieren. Das bedeutet<br />

also: Verlust der Geistes- und Verstandesfähigkeiten,<br />

Veränderung der Persönlichkeit, der Wesenseigenschaften,<br />

und am Schluss auch der Körperfunktionen. Risikofaktor<br />

Nummer 1 ist das Lebensalter, wie oben schon beschrieben.<br />

Der Beginn ist etwa im 60. Lebensjahr, die Krankheitsdauer<br />

kann man mit cirka sechs bis sieben Jahren annehmen. Bei<br />

der Demenz werden allgemein zwei Gruppen unterschieden,<br />

wichtig wegen der unterschiedlichen Therapien und Prognose:<br />

Die primäre Demenz = Alzheimer Demenz, und die sekundäre<br />

Demenz, die als Folge einer anderen Grundkrankheit<br />

sich entwickelt wie mechanische Kopfverletzungen,<br />

chronischer Medikamentenmissbrauch, allgemeine Arteriosklerose,<br />

Parkinsonerkrankung, unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion,<br />

chronische Alkoholkrankheit („hat seinen<br />

Verstand versoffen“) und andere mehr.<br />

Die Alzheimer Demenz wird immer häufiger dank der<br />

Fortschritte der Medizin, viele, früher tödlich verlaufende<br />

Krankheiten, gibt es nicht mehr oder können geheilt werden<br />

(die Tuberkulose), die Lebenserwartung bei Männern<br />

und Frauen ist infolge dessen deutlich verlängert, die Alterskrankheiten<br />

haben einfach zugenommen, das Spezialfach<br />

wahrscheinlich die Diagnose derAlzheimer-Demenz zu häufig<br />

gestellt ,,zu leichtfertig, zu schnell und oberflächlich“!<br />

Wegen der unterschiedlichen Prognose und Behandlungsmöglichkeiten<br />

ist die Differenzierung wichtig<br />

Die ersten Hinweise auf eine Demenzerkrankung merkt<br />

der Betroffene meistens selber, er verdrängt sie, möchte sie<br />

nicht wahr haben. In dieser Phase sind die Betroffenen außerordentlich<br />

suizidgefährdet! Anfänglich ist auch die Depression<br />

wegen der Ähnlichkeit der Symptomatik eine wichtige<br />

Differentialdiagnose. Die Angst vor der Wahrheit lässt den<br />

Arztbesuch immer weiter hinausschieben. Der Hausarzt wird<br />

jetzt verschiedene Tests durchführen, um die Diagnose zu<br />

erhärten oder er wird eine Facharztuntersuchung zur Sicherung<br />

veranlassen. Das ist auch wegen der Krankenkasse, der<br />

Pflegeversicherung und sonstigen Hilfsangeboten wichtig.<br />

Der Hausarzt soll sich nicht darauf verlassen, dass er den<br />

Patienten schon seit Jahren kennt, soll nicht die Diagnose<br />

aus dem Handgelenk heraus stellen, er soll sich Zeit lassen,<br />

objektiv bleiben, nichts verharmlosen, nichts übertreiben.<br />

Dem Facharzt stehen mehr Untersuchungsmethoden zu<br />

Verfügung, dennoch bleibt es eine Ausschlussdiagnose, eine<br />

Wahrscheinlichkeitsdiagnose, die nur durch feingewebliche<br />

Untersuchung unter dem Mikroskop oder spezielle aufwändige<br />

Röntgenuntersuchungen gesichert werden kann.<br />

Wichtig ist immer die anamnestische Befragung des<br />

Kranken und seinerAngehörigen. Diese erzählen von Veränderungen<br />

im Denkvermögen, der Selbstkritik, von Schwierigkeiten<br />

beim Lösen von Problemen, von Veränderungen<br />

der Sprache und des Sprechens, von Verhaltensänderungen,<br />

von Kontinenzproblemen, von Schlafstörungen, von Verlusten<br />

bei der Alltagskompetenz, von Stimmungsschwankungen<br />

und vieles mehr.<br />

Diagnostische Kriterien der WHO sind: Störungen des<br />

Alt- und Neugedächtnisses, besonders die Unfähigkeit der<br />

Wiedergabe und Verarbeitung neuer Informationen, später<br />

auch der Verlust von früher erlernten und vertrauten Inhalten,<br />

Störungen des Denkvermögens mit Beeinträchtigung<br />

des vernünftigen Handelns, Verminderung des Ideenflusses,<br />

Wesensveränderungen, Störungen im Sozialverhalten, im<br />

Antrieb, in der Motivation. Alle diese Kriterien sind sehr unterschiedlich<br />

und individuell ausgeprägt<br />

Zu Hause beginnen also jetzt die Probleme, die des Patienten<br />

wie auch die der Angehörigen. Wie verarbeitet der Betroffene<br />

das Wissen um seine Krankheit, wird er depressiv,<br />

kämpft er oder resigniert er? Wie war der Mensch vorher?<br />

Kooperativ?Aggressiv? Lässt er sich niederdrücken und gibt<br />

sich auf oder kann er aus eigener Kraft noch dagegen angehen?<br />

Was macht die Familie? In welchem Stadium ist die<br />

Krankheit? Wie viel Hilfe braucht der Kranke? War er ein<br />

stiller, zurückgezogener Mensch oder liebte er die Geselligkeit?<br />

Welche Hobbies hatte er? Kann er diesen Liebhabereien<br />

noch nachgehen? Wo wohnt der Kranke? Lebt er allein oder<br />

noch in einer Partnerschaft? Muss die Wohnung angepasst<br />

werden? Oder muss etwa ein Umzug in eine andere Gegend<br />

der Geriatrie war früher nicht bekannt. Andererseits wird ins Auge gefasst werden? Wenn überhaupt, sollte !<br />

2/<strong>2012</strong> 25 Jahre durchblick 55

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