Unterhaltung VON WEGEN FRAU AMSTEUER Autorenfoto Neulich sah ich im Fernsehen einen Bericht über die „Gelben Engel“ vomADAC. In diesem Beitrag hatte ein Fahrer den ADAC gerufen, weil sein Wagen nicht mehr anspringen wollte. Nach kurzer Wartezeit kam dann der „Gelbe Engel“, in diesem Fall eine Kfz-Meisterin, also eine Frau. Der Anrufer traute seinen Augen nicht und guckte erst einmal skeptisch. Nach anfänglicher Sprachlosigkeit stellte er jedoch fest, einen Profi erwischt zu haben. Alles lief problemlos, ein paar Handgriffe, Haube auf, einen Schlag auf den Magnetschalter, und der Wagen sprang wieder an. So wurde ihm schnell geholfen, aber auch geraten, baldmöglichst eine Autowerkstatt aufzusuchen. Ja, Frauen können auch! Diese Fernsehsendung hat bei mir eine witzige Erinnerung geweckt, denn ähnliches habe ich auch erlebt, mit dem Unterschied, dass mir kein „Gelber Engel“, sondern ein Tankwart an einer Raststätte half. Es geschah nach einem wunderschönen Urlaub an der Ostsee. Meine Mutter und ich waren mit einem kleinen Daf 45, meinem ersten Fahrzeug, auf der Rückreise. Mein geliebtes „Däfchen“ war inzwischen in die Jahre gekommen und hatte immerhin beachtliche 120.000 km gelaufen. Auf unseren zahlreichen Reisen war es stets ein treuer Begleiter. Oft als Waschmaschinchen belächelt, staunte jedoch mancher Fahrer eines größeren Wagens, wenn mein Daf auf Schweizer Passstraßen, während andere mit kochendem Kühler am Fahrbahnrand standen, brav vorbeizog. Es war in den siebziger Jahren und in dieser Zeit wohl das preiswerteste Automatik-Fahrzeug – für mich gerade bezahlbar – wahnsinnig wertvoll! Nun aber genug des Lobes, denn jetzt war es passiert! Nach einem Tankstopp an einem Rasthof sprang mein treues Autochen nicht mehr an. In meiner Verzweiflung bat ich einen Tankwart, mir zu helfen. Der schritt zur Tat und zeigte mir den gleichen Trick, wie zuvor beschrieben. Auch er machte die Motorhaube auf, schlug mit einer Stange auf den Magnetschalter, der wohl klemmte, während ich zünden musste. Super, der Wagen sprang sofort an und wir konnten unsere Heimreise fortsetzen. Für unterwegs hatte er uns noch den Tipp gegeben, die gleiche Handlung auch mit einem Stockschirm – wenn nötig – ausführen zu können. Dazu musste meine Mutter aussteigen, um sich die Stelle zeigen zu lassen, wohin sie im Notfall mit dem Schirm draufschlagen sollte. Wir waren sehr dankbar! Jedoch hatte ich mir fest vorgenommen, bis nach Hause den Motor nicht mehr abzustellen. Aber es sollte anders kommen, denn nach etwa, drei Stunden Fahrt war wieder eine Pause nötig. Auf einem Parkplatz angekommen, kam jedoch mein automatischer Reflex, wie gewohnt, das Fahrzeug auszumachen. Erschrocken guckten wir uns an. Mist! Aber wir wussten uns ja zu helfen! Nach kurzer Rast also, Haube auf, Stockschirm raus, Klopfen und Zünden – super!! Wir hatten alles im Griff und konnten weiterfahren. Ein bisschen stolz waren wir schon, da uns so viel Kenntnis wohl keiner zugetraut hätte. Ja, Frau am Steuer! So erreichten wir bald wieder Siegen und wie nach jeder Reise musste ich, obwohl wir auf dem Rosterberg wohnten, zuerst noch durch die Oberstadt fahren, weil meine Mutter sehr heimatverbunden war und unbedingt ihr geliebtes „Krönchen“ sehen wollte. Nun hatte die Geschichte noch ein „Schwänzchen“, denn am nächsten Tag musste mein Daf in die Werkstatt zur Reparatur nach Wahlbach. Wieder kam der Stockschirm zum Einsatz und wir waren nun schon ein eingespieltes Team und konnten erneut problemlos starten. Unterwegs kamen wir durch Neunkirchen, wo meine Mutter einen Blumenladen entdeckte und mich bat, anzuhalten. Ich machte es mit Widerwillen, da ich nicht mehr glauben konnte, dass unsere Story weiterhin klappt. Nun gut, sie hatte mich überredet und ich hielt vor dem Laden an, machte den Motor aus und wartete auf dem Parkplatz, bis sie die Blumen gekauft hatte. Unmittelbar neben mir saß ein Herr in seinem Fahrzeug und schien auch auf jemanden zu warten. Als meine Mutter zurückkam, legte sie die gekauften Blumen auf den Rücksitz, ich machte die Kühlerhaube auf, sie nahm den Stockschirm und schlug auf den berühmten Schalter, während ich den Motor startete. Der Wagen sprang sofort an, ich stieg aus und machte unter den erstaunten Blicken meines Parknachbarn die Motorhaube wieder zu und fuhr weg. Diesem Fahrer blieb buchstäblich der Mund offen! Wir haben unterwegs Tränen gelacht! Diese, unsere Geschichte, wird er dann wohl seiner Frau erzählt haben. Die Werkstatt haben wir dann noch rechtzeitig erreicht. Ja, im wahrsten Sinne des Wortes: „Frau am Steuer!“ Helga Düringer 42 25 Jahre durchblick 2/<strong>2012</strong>
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