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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Heldenverehrung <strong>und</strong> Vertrauenskrise<br />

Die Weltpolitik hat ein Thema - vorübergehend - verdrängt:<br />

Doping <strong>und</strong> Manipulation im Spitzensport.<br />

Aber spätestens beim ersten Dopingfall in China wird<br />

klar, dass das Vertrauen in die Höchstleistung erheblich gestört<br />

ist. Ist das berechtigt? Und: Wie sollen wir mit Siegern umgehen?<br />

Vertrauen ist eine riskante Vorleistung <strong>des</strong> Menschen, die er<br />

nicht so ohne Weiteres erbringt <strong>und</strong> auch schnell wie<strong>der</strong><br />

zurück nimmt, wenn seine Erwartungen nicht erfüllt werden.<br />

Aber ohne Vertrauen ist sicheres Handeln in einer Gemeinschaft<br />

nicht möglich. Das gilt auch für das Sporttreiben <strong>und</strong><br />

den Betrachter von sportlichen Wettkämpfen. Welchen Sinn<br />

sollte es auch machen, sich die <strong>Olympischen</strong> Spiele in Peking<br />

am Fernseher anzuschauen, wenn man von den Athleten nicht<br />

erwarten kann, dass sie ihre Siege mit fairen Mitteln erreichen<br />

wollen o<strong>der</strong> errungen haben? Die Fernsehkonsumenten werden<br />

uns mitteilen, welches Vertrauen sie in die Wahrhaftigkeit <strong>der</strong><br />

Siege <strong>der</strong> Athleten haben. Die Einschaltquote von Athen wird<br />

möglicherweise nicht erreicht werden, was aber nicht an den<br />

unterschiedlichen Zeitzonen liegt. Es spricht allerdings mehr<br />

dafür, dass sich die meisten Zuschauer gar nicht dafür interessieren,<br />

mit welchen Mitteln <strong>der</strong> Sieg zustande gekommen ist.<br />

Sie wollen nur medial an diesem einzigartigen Event teilhaben<br />

<strong>und</strong> eine unterhaltsame, spannend inszenierte Sportshow<br />

erleben o<strong>der</strong> eine Geschichte hören, die ihnen gefällt <strong>und</strong> zu<br />

ihnen passt. Sie schalten den Fernseher ein, weil sie darauf<br />

vertrauen, dass sie einen<br />

dramatischen Wettkampf<br />

zwischen Athleten mitbekommen,<br />

die an o<strong>der</strong> sogar über<br />

ihre Grenzen gehen. Vielleicht<br />

hoffen sie auch, Zeuge einer<br />

Sensation zu werden. Bisher<br />

konnten sie sich darauf<br />

verlassen, dass sie eine schön<br />

verpackte, perfekte Unterhaltungsware<br />

bekommen. Ihre<br />

Erwartungen richten sich<br />

daher in erster Linie an die<br />

Qualität <strong>des</strong> Produktes, nicht<br />

aber an die Wahrhaftigkeit<br />

<strong>der</strong> Athleten.<br />

Wem die Bürger in Deutschland<br />

vertrauen, scheint ohnehin<br />

merkwürdig zu sein. Jan<br />

12<br />

Ullrich beispielsweise genießt laut einer Bild-Umfrage von 2007<br />

unter 100 vorgegebenen Persönlichkeiten das geringste Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Befragten. Auf Platz eins steht Günter Jauch. Auch<br />

das Berufsgruppenranking zeigt kuriose Vertrauensunterschiede,<br />

die rational kaum zu erklären sind. Feuerwehrleuten wird<br />

das größte Vertrauen entgegen gebracht, Lehrer stehen nur auf<br />

Platz acht <strong>der</strong> 20er Liste. Journalisten genießen in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

dasselbe Vertrauen wie Reiseveranstalter - Platz 14 -, <strong>und</strong><br />

Berufsfußballer liegen mit ihrem drittletzten Platz nur kurz vor<br />

den Autoverkäufern. Schlusslicht sind natürlich - wie immer -<br />

die Politiker. Und abschließend noch zwei Beispiele zum Thema<br />

Vertrauen. Eine seriöse medizinische Studie hat erst kürzlich<br />

ergeben, dass sich immer mehr 40 - 50-Jährige verjüngen. Die<br />

Zahl <strong>der</strong> Botox-Injektionen ist in England in einem Jahr um<br />

57% gestiegen, die <strong>der</strong> Brustoperationen um 42%. In Deutschland<br />

finden sich 60% <strong>der</strong> normal gewichtigen Kin<strong>der</strong> zu dick.<br />

Viele von diesen beginnen mit Schönheitsoperationen. Manipulation,<br />

die Selbstlüge <strong>und</strong> ein mangeln<strong>des</strong> Selbstvertrauen<br />

sind offensichtlich in unserer Gesellschaft die Normalität.<br />

Die Beispiele zeigen viererlei. Vertrauen hat unmittelbar mit<br />

den Erwartungen <strong>des</strong> Menschen <strong>und</strong> nicht notwendigerweise<br />

mit den Wahrheiten zu tun. Es ist erstaunlich, wie wenig<br />

soziales Vertrauenskapital bei vielen Menschen vorhanden zu<br />

sein scheint. Vertrauen bildet sich in einer Mediengesellschaft<br />

offensichtlich wesentlich über die vermittelte Medienrealität<br />

<strong>und</strong> eher weniger über Wahrheiten. Und schließlich, die Men-

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