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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Es stellt sich nun also wie<strong>der</strong> mal die Materialfrage. Was<br />

heißt wie<strong>der</strong> mal! Nicht nur vor internationalen Großereignissen<br />

wie <strong>Olympischen</strong> Spielen sorgen häufig<br />

neue Entwicklungen für heiße Diskussionen <strong>und</strong> manchmal<br />

auch Krach. Beson<strong>der</strong>e Kufen bei den Rodlern, Anzüge, die<br />

kein Wasser aufnehmen, Rennradrahmen aus noch leichterem<br />

Metall, Skibeläge mit neuesten Gleit- <strong>und</strong> Steigeigenschaften.<br />

Und <strong>und</strong> <strong>und</strong>.<br />

Die Konkurrenz mit neuer Hightech-Ausrüstung - <strong>und</strong> wir<br />

mit altem Krempel? Allgemeine Verunsicherung, wenn plötzlich<br />

<strong>der</strong> Mann o<strong>der</strong> die Frau neben einem im Becken diesen<br />

Anzug trägt, dem W<strong>und</strong>erdinge nachgesagt werden <strong>und</strong> mit<br />

dem bereits eine Reihe Weltrekorde geschwommen wurden.<br />

Im Kopf <strong>des</strong> Sportlers fängt es an zu rattern: Chancenlos, das<br />

Material bringt die entscheidenden h<strong>und</strong>ertstel Sek<strong>und</strong>en, da<br />

kann ich mich abstrampeln wie ich will. Die mentale Bremse<br />

ist gezogen. Man glaubt nicht mehr an sich <strong>und</strong> seine eigene<br />

Leistungsfähigkeit, <strong>und</strong> da helfen dann auch die glückbringenden<br />

ungewaschenen Ringelsocken nicht mehr.<br />

Die Firma, die nun diesen sagenhaften Schwimmanzug im<br />

fernen Australien entwickelt <strong>und</strong> mit einer weltweiten<br />

Werbekampagne vorgestellt hat, sorgte für Furore <strong>und</strong><br />

bringt nicht nur die Schwimmer ins Grübeln, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Laien. Was hat eine Teflonpfanne mit einem Schwimmanzug<br />

zu tun? Was sagt uns Polytetrafluorethylen (PTFE -<br />

weißer Kunststoff mit sehr geringem Reibungskoeffizent,<br />

aus dem man unter an<strong>der</strong>em GoreTex herstellt). O<strong>der</strong> was<br />

hat eine amerikanische Fertig-Duschkabine mit einem<br />

Hochsprungstab gemein? Beide sind aus Glasfiber. Welche<br />

Rolle spielt die NASA <strong>und</strong> überhaupt die Weltraumfahrt,<br />

wenn es um Stoffe geht, aus denen nicht nur Sportgeräte<br />

entstehen, son<strong>der</strong>n mit denen gleichzeitig Medaillenträume<br />

geweckt werden?<br />

Wie oft in den letzten Jahren wurden Materialschlachten<br />

aufgeregt nicht nur in den Medien ausgetragen. Schwimmer<br />

diskutieren nahezu in je<strong>der</strong> Saison über ihr "Sportgerät": die<br />

Badehose. Ähnlich die Skisportler. Vor allem die Skispringer<br />

fliegen mal mit am Körper anliegenden, mal mit weiten<br />

Overalls über den Schanzentisch. Mal hat <strong>der</strong> Ski ein Loch in<br />

<strong>der</strong> Schaufel, mal ist er länger o<strong>der</strong> breiter. Automobilsportler<br />

streiten über Reifen o<strong>der</strong> Tanks, über zu schwer o<strong>der</strong> zu<br />

leicht bef<strong>und</strong>ene Karosserien. Welcher Spoiler ist windschnittiger?<br />

Kufen am Rodel <strong>und</strong> Bob o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Eisschnelllaufbahn<br />

sind auch ein beliebtes Thema, ebenso wie Spekulationen<br />

über den Zusammenhang zwischen Sturz-Risiko <strong>und</strong><br />

leichten Karbon-Rennrä<strong>der</strong>n. Was bringt denn nun wirklich<br />

was, <strong>und</strong> wo wird bestenfalls eine Art von "Placeboeffekt"<br />

erzielt? Legendenbildung <strong>und</strong> Halbwahrheiten halten sich -<br />

sind sie einmal in die Welt <strong>des</strong> Sports eingedrungen - sehr<br />

hartnäckig.<br />

Harald Schaale, Leiter <strong>und</strong> Chefkonstrukteur <strong>des</strong> Instituts für<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin<br />

setzt dem "Fakten <strong>und</strong> Objektivität" entgegen. "Gesamtkomplexität"<br />

nennt er das, was zwischen Mensch <strong>und</strong> Maschine/Material<br />

gesehen werden muss: "Wenn ein Sportler die<br />

Leistung nicht bringt, nützt ihm auch gutes Material nichts.<br />

Und wenn er ausgezeichnet in Form ist <strong>und</strong> schlechtes<br />

Material hat, dann kann er bei dem Konkurrenten, bei dem<br />

alles stimmt, eben ins Hintertreffen geraten." Deshalb sind<br />

Materialforschung <strong>und</strong> Trainingswissenschaften für den<br />

Wissenschaftler eine untrennbare Symbiose. Denn: Der<br />

Mensch muss die Technik ja auch anwenden <strong>und</strong> vor allem<br />

beherrschen können. Wer zum Beispiel eine Rodel- o<strong>der</strong><br />

Bobbahn hinunter rast, <strong>der</strong> sollte einige physikalische Gesetze<br />

kennen <strong>und</strong> seine Sportgeräte im Griff haben.<br />

An<strong>der</strong>seits, so Schaale, nützen Hightech-Geräte kaum etwas,<br />

wenn <strong>der</strong> Akteur etwa beim Skilanglauf, Eisschnelllaufen<br />

o<strong>der</strong> im Kanu seine Energie nicht optimal umsetzen kann.<br />

Gerne tüfteln die 53 FES-Mitarbeiter mit den Athleten, hören<br />

zu, was den Aktiven, die so etwas wie ein "Mikrogefühlsystem"<br />

in Bezug auf ihr Sportgerät haben, auffällt. Wenn<br />

einem Eisschnellläufer eine Kufe zu schaffen macht, die<br />

angeblich "schnirpst", dann wird so lange getestet, bis <strong>der</strong><br />

"Fehler" gef<strong>und</strong>en ist - in diesem Fall lag es wirklich an <strong>der</strong><br />

Kufe. Nicht immer sind Sportlerwünsche technisch nötig,<br />

aber ungemein beruhigend.<br />

Schaale sieht sich als Dienstleister. Er arbeitet seit fast drei<br />

Jahrzehnten im FES, das in den 60er Jahren als Entwicklungsabteilung<br />

für Sportgräte von <strong>der</strong> Forschungsstelle <strong>der</strong><br />

<strong>Deutschen</strong> Hochschule für Körperkultur (DHFK) in Leipzig<br />

entstand. Doch noch immer nehmen zu wenige Verbände, so<br />

scheint es jedenfalls, die Dienste <strong>des</strong> weltweit renommierten<br />

Instituts in Anspruch. Gerade mal zwölf Verbände kooperieren<br />

regelmäßig mit dem FES, das gleichzeitig sehr eng mit<br />

dem IAT, dem Institut für angewandte Trainingswissenschaften<br />

in Leipzig zusammenarbeitet. Die, die kommen, wie etwa<br />

Radfahrer, Kanuten, Bobfahrer, Rodler, Segler, Eisschnellläufer<br />

o<strong>der</strong> auch manchmal Skifahrer <strong>und</strong> Schwimmer, haben<br />

ausgezeichnete Erfahrungen mit den Berlinern gemacht.<br />

Auch an<strong>der</strong>e versuchen auf ungewöhnlichem Weg von den<br />

Kenntnissen <strong>und</strong> Entwicklungen <strong>des</strong> Instituts zu profitieren:<br />

Immer wie<strong>der</strong> werden illegale Zugriffe auf die Computer<br />

registriert. Die Konkurrenz schläft nicht <strong>und</strong> möchte beispielsweise<br />

von <strong>der</strong> Messtechnik profitieren, in <strong>der</strong> es weltweit<br />

Spitzenreiter ist. Doch nicht nur davon. Die Hightech-<br />

Geräte <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> sind weltweit gefragt: Die Chinesen<br />

sitzen bei den Spielen in Peking in deutschen Booten.<br />

Apropos Messtechnik. Da wäre nun eine Möglichkeit etwa<br />

herauszufinden, welche "W<strong>und</strong>ereigenschaften" <strong>der</strong> neue<br />

Schwimmanzug wirklich hat, <strong>der</strong> für soviel Ärger im Deut-<br />

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