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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Betty Heidler<br />

Volle Konzentration auf den großen Wurf<br />

Von Steffen Haffner<br />

Eine Hammerwerferin stellt man sich an<strong>der</strong>s vor. Betty<br />

Heidler hat nichts von den Wuchtbrummen, die normalerweise<br />

das Bild <strong>der</strong> Werferinnen prägen. Eher<br />

wirkt die rothaarige Berlinerin mit ihren 1,75 Meter Größe<br />

<strong>und</strong> 81 Kilo Körpergewicht geradezu zierlich. Und doch ist die<br />

24-Jährige, die für die LG Eintracht Frankfurt startet, seit dem<br />

Vorjahr Weltmeisterin. Beim Gespräch im Umklei<strong>der</strong>aum <strong>der</strong><br />

TSG Fechenheim wirkt die Sportlerin locker, fern von jedem<br />

Stargehabe. Hier im industriell geprägten Frankfurter Vorort<br />

wohnt sie, hier trainiert sie in <strong>der</strong> Hammerwurfgruppe ihres<br />

Heim- <strong>und</strong> Bun<strong>des</strong>trainers Michael Deyhle. Die vergleichsweise<br />

schlanken Athletinnen können sich über die Vorurteile, mit<br />

denen ihre Zunft zu kämpfen hat, lustig machen. "Hammerwerferinnen<br />

wurden doch lange Zeit als so eine Art Trümmerfrauen<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Art betrachtet: quadratisch, praktisch,<br />

gut", spricht Betty Heidler die alten Ressentiments an <strong>und</strong><br />

freut sich über die Komplimente für ihr Aussehen.<br />

Der Teil <strong>des</strong> Sportplatzes, wo endlich die drei reichlich ramponierten<br />

Drahtkäfige erneuert wurden, wirkt schmucklos. Das<br />

nüchterne Umfeld könnte auch zum Ost-Berliner Arbeiter-<br />

Stadtteil Marzahn passen, wo Betty die ersten sechs Jahre<br />

ihres Lebens noch DDR-Luft schnupperte. Sie schwärmt von<br />

einer "schönen Kindheit". "Ich bin in einer ganz tollen Familie<br />

aufgewachsen mit verständnisvollen Eltern, lieben Großeltern<br />

<strong>und</strong> einem drei Jahre älteren Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mich auch schon<br />

mal beschützt hat." Eine Fre<strong>und</strong>in nahm die Fünfzehnjährige,<br />

die gerade Langeweile hatte, mit zur Leichtathletik. Der<br />

Großvater war Hochspringer <strong>und</strong> durfte 1936 das olympische<br />

Feuer tragen. "Den Fackelstab habe ich noch immer bei mir<br />

im Schrank." Eine Tante, Cornelia Oschkenat, gehörte zu den<br />

weltbesten Hürdensprinterinnen. Betty Heidler wurde bei <strong>der</strong><br />

Berliner LG Ost in eine Wurfgruppe gesteckt. Der erste Hammer,<br />

mit dem sie anfangs übte, war ein Medizinball am<br />

Drahtseil. "Ich habe mich je<strong>des</strong> Mal gefreut, wenn ich das<br />

machen durfte." Ihr Talent ließ sich nicht übersehen. Mit<br />

sechzehn wechselte sie zum SC Berlin, <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Wende<br />

die Erfolgstradition <strong>des</strong> SC Dynamo aus DDR-Zeiten fortsetzte.<br />

Hier wurde sie unter an<strong>der</strong>em von Bernd Mädler, dem<br />

Trainer <strong>der</strong> vielmaligen Paralympics-Siegerin Marianne Buggenhagen,<br />

betreut. "Sie ist mein großes Vorbild."<br />

Mit siebzehn beschloss Betty Heidler, nach Frankfurt am Main<br />

zu wechseln. "Meine Eltern waren nicht begeistert, dass ich<br />

600 Kilometer weit weg zog. Haben mich aber voll unterstützt.<br />

Und inzwischen sind sie sehr stolz auf mich." Das<br />

Training mit Michael Deyhle, <strong>der</strong> sie von Beginn an auch<br />

privat unterstützte, hat sich voll ausgezahlt. Bis zum Abitur<br />

wohnte die Berlinerin im Internat hinter <strong>der</strong> Arena, dem<br />

früheren Waldstadion. Von hier aus, wo die meisten deutschen<br />

Sportverbände ihren Sitz haben, hatte sie es nicht weit<br />

zu ihrer Schule. "Das war ganz okay. Aber mit achtzehn,<br />

neunzehn will man da raus."<br />

Die Polizeimeisterin, die zusätzlich ein Fernstudium <strong>der</strong><br />

Rechtswissenschaften absolviert, ist zurzeit vom Dienst<br />

freigestellt. Damit kann sie sich professionell auf die <strong>Olympischen</strong><br />

Spiele vorbereiten. "Ich freue mich sehr auf Peking. Am<br />

Anfang, als wegen <strong>der</strong> Unruhen in Tibet alles so hoch kochte,<br />

hatte ich Angst, dass dies auf die Stimmung nie<strong>der</strong>schlägt. Es<br />

ist gut, dass die Spiele nicht boykottiert werden. Denn ich<br />

finde es zweischneidig, China jetzt zu verurteilen. Die Verhältnisse<br />

dort sind ja nicht erst seit gestern so. Und man kann<br />

auch nicht den Maßstab unserer Demokratie auf China stülpen<br />

<strong>und</strong> sagen: ,Was wir machen, ist alles richtig, <strong>und</strong> was<br />

die Chinesen machen, ist alles falsch.' Es ist mir sicherlich<br />

nicht egal, was da passiert. Aber meine volle Konzentration<br />

gilt dem Wettkampf."<br />

So schön <strong>der</strong> Überraschungserfolg von Osaka war, will sie den<br />

Weltmeistertitel nicht als Druck an sich heranlassen. In diesem<br />

Bestreben wird sie von ihrem Trainer <strong>und</strong> von ihrer<br />

Psychologin unterstützt. "Ich habe keinen Vorteil als Weltmeisterin,<br />

habe keinen Versuch mehr, bekomme keinen längeren<br />

o<strong>der</strong> leichteren Hammer. Ich möchte hinterher sagen<br />

können: Ich habe alles gegeben, habe einen guten Wettkampf<br />

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