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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Ein vorolympisches Kaleidoskop<br />

Wahrscheinlich haben beide Recht, <strong>und</strong> Coubertin hätte<br />

ihnen wohl auch nicht einmal wi<strong>der</strong>sprochen. Aber er möchte<br />

doch tiefer ansetzen. Für ihn war das olympische Ethos<br />

immer auch eine Charakter- <strong>und</strong> Gesinnungsfrage. Vieles ist<br />

in den Sportregeln geregelt, aber eben nicht alles. Ein nur auf<br />

das Sporttreiben reduziertes Ethos war Coubertin <strong>des</strong>halb zu<br />

wenig. Auch Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, Vertrauen,<br />

Achtung <strong>der</strong> Menschenwürde gehörten für ihn im Sport über<br />

die Sportregeln hinaus dazu. Dies schon <strong>des</strong>halb, weil nur<br />

dann die Olympische Idee auch als eine ganzheitliche Erziehungsidee<br />

begriffen werden könne - grenzenüberschreitend<br />

<strong>und</strong> übernational, nicht nur auf Spitzensportler gerichtet,<br />

son<strong>der</strong>n auf Menschen aller Alters- <strong>und</strong> Könnensstufen:<br />

Olympischer Sport für alle war sein Wunsch.<br />

Heute wissen wir, dass Ideen keine Selbstläufer sind - schon<br />

gar nicht solche pädagogisch ausgerichteten - <strong>und</strong> dass sie<br />

sich auch nicht ganz von alleine - einem blinden Automatismus<br />

folgend - weltweit ausbreiten. Sie bedürfen vielmehr <strong>der</strong><br />

Pflege, man muss sich für sie einsetzen, sie offensiv vertreten,<br />

man muss sie auch verteidigen, Missbrauch <strong>und</strong> Verstöße<br />

ahnden.<br />

Dabei sind - neben den <strong>Olympischen</strong> Spielen, die in unserer<br />

Medienwelt für die Verbreitung <strong>der</strong> olympischen Botschaft<br />

eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung haben o<strong>der</strong> haben könnten - viele<br />

kleine <strong>und</strong> oft mühsame Schritte erfor<strong>der</strong>lich, wenn man die<br />

Jugend innerhalb <strong>und</strong> außerhalb <strong>der</strong> Schulen <strong>und</strong> die vielen<br />

sportaktiven Menschen in <strong>der</strong> ganzen Welt mit den olympi-<br />

schen Tugenden erreichen will. Und meistens sind es nicht die<br />

großen Deklamationen <strong>und</strong> Worte, die dafür wichtig sind,<br />

son<strong>der</strong>n es sind die kleinen Gesten <strong>des</strong> Umarmens, <strong>der</strong> Gratulation,<br />

<strong>des</strong> Tröstens, Handlungen also, die von den Sportregeln<br />

nicht vorgeschrieben sind, die aber etwas von <strong>der</strong> größeren<br />

olympischen Botschaft sichtbar machen <strong>und</strong> vermitteln<br />

können.<br />

Coubertin selbst war dabei aber auch nicht unrealistisch. Je<br />

nach dem Nutzen, so schrieb er, den man aus <strong>der</strong> Athletik<br />

ziehen kann, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Richtung, in <strong>der</strong> man sie einpendeln<br />

wird, wird sie "gut o<strong>der</strong> schädlich" sein; sie kann die "edelsten<br />

wie die niedrigsten Leidenschaften ins Spiel bringen; sie kann<br />

Uneigennützigkeit <strong>und</strong> Ehrgefühl ebenso entwickeln wie<br />

Geldgier, sie kann ritterlich o<strong>der</strong> ver<strong>der</strong>bt, männlich<br />

o<strong>der</strong> roh sein; schließlich kann man sie genau<br />

so gut verwenden, den Frieden zu festigen wie<br />

Krieg vorzubereiten". Dies könnten kluge Menschen<br />

auch heute sagen, Coubertin tat es bereits<br />

im Jahre 1894 (!).<br />

In unserer säkularisierten <strong>und</strong> medialisierten Welt<br />

ist es allerdings schwer, diese olympische Botschaft<br />

nachhaltig wirksam zu verbreiten <strong>und</strong> die olympischen<br />

Werte wirklich durchzusetzen. Da müssen<br />

möglichst viele mithelfen, nicht nur aus dem Sport<br />

<strong>und</strong> seinen Vereinen mit ihren Athleten <strong>und</strong> Trainern,<br />

den Verbänden, nationalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Organisationen, auch die Universitäten <strong>und</strong><br />

Kirchen zum Beispiel <strong>und</strong> natürlich die Sportlehrerschaft<br />

sind angesprochen. Internationalität ist<br />

eine Daueraufgabe, die nicht damit erfüllt ist, dass<br />

man sie in Reden nennt. Sie ist eine Frage <strong>der</strong><br />

Einstellung. Und sie betrifft nicht nur die Funktionäre auf den<br />

VIP-Tribünen <strong>und</strong> Stehparties danach, son<strong>der</strong>n vor allem ist<br />

sie "auf dem Platz", bei den Zuschauern <strong>und</strong> den Medien <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Kommentatoren <strong>und</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachberichterstattungen,<br />

also allen, die dem olympischen Sport <strong>und</strong> seinen Zielen<br />

in irgendeiner Weise verb<strong>und</strong>en sind. Deshalb gilt es im<br />

olympischen Sport alles zu unterlassen, was dem Prinzip <strong>der</strong><br />

"Internationalität" wi<strong>der</strong>spricht, <strong>und</strong> alles das zu tun, was sein<br />

Ethos gebietet. Die EM-Spiele haben manche Beispiele geboten,<br />

die nicht nachahmenswert sind, aber doch auch viele, die<br />

als Vorbild für die Tugend <strong>der</strong> "Internationalität" dienen<br />

können. An ihnen muss man sich orientieren. In ihnen wird<br />

etwas vom beson<strong>der</strong>en Sinn <strong>des</strong> olympischen Sports sichtbar.<br />

Das wünscht man sich auch für Peking.<br />

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