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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Indem <strong>der</strong> Begrün<strong>der</strong> <strong>des</strong> neuzeitlichen Olympismus', <strong>der</strong><br />

französische Baron Pierre de Coubertin, "keine einfachen<br />

Championate, son<strong>der</strong>n ein Fest <strong>des</strong> menschlichen Frühlings"<br />

zu etablieren gedachte <strong>und</strong> seine Innovation mit einem<br />

ebenso elitären Charakter wie globalem Anspruch verband,<br />

waren politische Implikationen programmiert.<br />

Coubertins Zielgruppe war nicht kleiner als die "Jugend <strong>der</strong><br />

Welt", die erstmals in <strong>der</strong> Geschichte die Gelegenheit erhalten<br />

sollte, sich regelmäßig zu treffen, sich in einem geschützten<br />

Raum friedlich zu begegnen, sich gegenseitig kennenzulernen,<br />

um dabei Vorurteile <strong>und</strong> Misstrauen abzubauen sowie<br />

Achtung <strong>und</strong> Respekt voreinan<strong>der</strong> zu entwickeln. Auf diese<br />

Weise sollten die <strong>Olympischen</strong> Spiele Modellcharakter erhalten<br />

<strong>und</strong> als Beleg für die Möglichkeit einer geregelten <strong>und</strong><br />

gewaltfreien Lösung von Konflikten dienen. Mehr noch:<br />

Indem Coubertin den Sport zu einer gleichsam universalen<br />

Weltsprache erhob <strong>und</strong> eine übergreifende Verbindlichkeit<br />

von Regeln propagierte, positionierte er den Olympismus als<br />

ein Experimentierfeld für eine Entwicklung, für die man<br />

Jahrzehnte später den Begriff "Globalisierung" einführte.<br />

Freilich fungiert Coubertins olympisches Erbe nicht nur als ein<br />

Wechsel auf eine gute o<strong>der</strong> noch bessere Zukunft, son<strong>der</strong>n es<br />

stellt auch eine Hypothek dar. Ist nämlich eine "friedliche <strong>und</strong><br />

bessere Welt" <strong>der</strong> Bezugspunkt, so wie nach wie vor als eines<br />

22<br />

<strong>der</strong> "f<strong>und</strong>amentalen Prinzipien" <strong>der</strong> <strong>Olympischen</strong> Bewegung<br />

in <strong>der</strong> <strong>Olympischen</strong> Charta fixiert, ist die Idee als Utopie<br />

deklariert <strong>und</strong> eine Diskrepanz von Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit,<br />

ja ein Scheitern impliziert. So ist es schwerlich nachzuweisen,<br />

ob <strong>und</strong> inwiefern die Olympische Bewegung in ihrer<br />

inzwischen weit mehr als h<strong>und</strong>ert Jahre umfassenden<br />

Geschichte tatsächlich einen Beitrag zu Frieden <strong>und</strong> Völkerverständigung<br />

o<strong>der</strong> zum gesellschaftlichen Fortschritt zu<br />

leisten vermochte, während umgekehrt <strong>der</strong> Einfluss von Krieg<br />

<strong>und</strong> Gewalt - o<strong>der</strong> allgemeiner formuliert, <strong>der</strong> Politik - auf<br />

die olympische Sache an vielen Beispielen festgemacht werden<br />

kann.<br />

Wohl kaum sind je Kriege verhin<strong>der</strong>t, beendet o<strong>der</strong> auch nur<br />

unterbrochen worden auf Gr<strong>und</strong> o<strong>der</strong> aus Anlass <strong>der</strong> Spiele,<br />

während selbige bereits dreimal - 1916, 1940 <strong>und</strong> 1944 -<br />

Kriegen zum Opfer fielen, sprich nicht ausgetragen werden<br />

konnten. Schon diese Ausfall-Erscheinungen - weit gravieren<strong>der</strong><br />

übrigens als solche in <strong>der</strong> mehr als tausendjährigen (!)<br />

Geschichte <strong>des</strong> antiken Vorbilds - mögen als Beleg für den<br />

historischen Bef<strong>und</strong> genügen, dass sich die Verantwortlichen<br />

für das neuzeitliche Großsportfest immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Macht<br />

<strong>des</strong> Faktischen zu beugen hatten.<br />

Schon bei <strong>der</strong> Premiere, 1896 in Athen, war <strong>der</strong> Sport nicht<br />

ohne Politik zu haben. Hier kam etwa die "Erbfeindschaft"<br />

zwischen Deutschland <strong>und</strong> Frankreich zum Tragen, die es <strong>der</strong><br />

<strong>Deutschen</strong> Turnerschaft, seinerzeit <strong>der</strong> weltweit größte<br />

"Fachverband" für Leibesübungen, unmöglich erscheinen ließ,<br />

dem "französischen Projekt" auch nur ansatzweise Positives<br />

abzugewinnen. Umso ärgerlicher für die "Funktionäre", dass<br />

sich einige <strong>der</strong> profiliertesten "Enkel" von Turnvater Jahn<br />

nicht in die patriotische Pflicht nehmen ließen, son<strong>der</strong>n sich<br />

allen Verunglimpfungen <strong>und</strong> eines angedrohten Bannstrahls<br />

zum Trotz auf den beschwerlichen Weg machten, um in<br />

Athen die ersten olympischen Medaillen für Deutschland zu<br />

gewinnen.<br />

Ein "Friede zwischen Turnen <strong>und</strong> Sport" wurde letztlich erst<br />

vierzig Jahre später, zudem "von oben" verordnet vollzogen,<br />

als <strong>der</strong> olympische Wan<strong>der</strong>zirkus erstmals in deutschen<br />

Landen gastierte. 1931 nach Garmisch-Partenkirchen <strong>und</strong><br />

Berlin vergeben, war es eine fatale Koinzidenz <strong>der</strong> Zeitläufte,<br />

dass die Spiele in die Hände <strong>der</strong> Nazis fielen, die sie nach<br />

anfänglicher Skepsis als ein Geschenk <strong>der</strong> Geschichte willkommen<br />

hießen. So wurden die vermeintlichen Friedensfeste<br />

<strong>des</strong> Jahres 1936 unter Hitlers Führung <strong>und</strong> Goebbels Regie zu<br />

"Spielen unterm Hakenkreuz" umfunktioniert. Dem perfiden<br />

Kalkül <strong>der</strong> Machthaber entsprechend wurden sie, typisch<br />

deutsch, brillant organisiert sowie höchst eindrucksvoll in<br />

Szene gesetzt, um somit das wahre Gesicht <strong>der</strong> skrupellosen<br />

Machthaber zumin<strong>des</strong>t auf Zeit zu verschleiern. Als <strong>der</strong><br />

Schleier dann gelüftet wurde, bestand alsbald kein Zweifel<br />

mehr daran, dass sich die Jugend <strong>der</strong> Welt fortan auf an<strong>der</strong>en

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