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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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"Vogelnest", die Schwimmhalle "Wasserwürfel" <strong>und</strong> die Radarena<br />

"UFO" symbolisieren als Wettkampfstätten den Anspruch<br />

Chinas auf Größe, Qualität <strong>und</strong> Zukunftsfähigkeit. Am 8.<br />

August sollen Flugzeuge aufsteigen, um <strong>der</strong> Eröffnungsfeier<br />

durch das Versprühen chemischer Mittel einen regenfreien<br />

Himmel zu sichern.<br />

Wie sehr sich die <strong>Olympischen</strong> Spiele dann als Olympische<br />

Spiele behaupten können <strong>und</strong> wie sehr sie zu China-Spielen<br />

werden o<strong>der</strong> gar zu einem Hochfest für Patriotismus, Nationalismus<br />

o<strong>der</strong> gar Chauvinismus geraten, kann niemand<br />

beantworten. Möglicherweise entsteht in Peking eine Art<br />

Gegenwelt von olympischer Enklave <strong>und</strong> tosendem Umfeld.<br />

Keiner weiß, welchen beson<strong>der</strong>en Gefährdungen die Spiele<br />

ausgesetzt sein werden, <strong>und</strong> das meint nicht nur die Seuche<br />

Doping, die gravierende Umweltproblematik o<strong>der</strong> gewaltsames<br />

staatliches Reagieren auf Proteste <strong>und</strong> Demonstrationen<br />

gegen Menschenrechtsverletzungen. Die 500.000 erwarteten<br />

Gäste sind schwer zu kontrollieren. Noch vor einem Jahr hieß<br />

es, es gäbe keine größeren Sicherheitsprobleme. Nun erklärt<br />

Chinas politische Führung, Terrorismus sei die größte Bedrohung.<br />

Das ist ernst zu nehmen, kann aber auch eine Zweckbehauptung<br />

sein. In jedem Fall hat das Politbüro <strong>der</strong> chinesischen<br />

KP die Oberaufsicht über die 16 olympischen Tage. Es<br />

sind Staatsspiele, die Partei sitzt auch am Steuerrad <strong>des</strong><br />

chinesischen Organisationskomitees BOCOG. Die Politik wird<br />

darüber entscheiden, welchen Freiraum die Spiele haben<br />

werden <strong>und</strong> wohin sie die Emotionen <strong>der</strong> Massen lenkt. Zum<br />

ersten Mal in <strong>der</strong> Welt <strong>des</strong> Sports die Nummer eins zu sein<br />

vor <strong>der</strong> Vormacht USA, das ist eine unausgesprochene chinesische<br />

Hoffnung mit zukunftsweisen<strong>der</strong> politischer Bedeutung.<br />

Dies alles zeigt, wie schwierig die Rolle <strong>des</strong> IOC im kommenden<br />

Pekinger August sein wird. Vor sieben Jahren hat <strong>der</strong><br />

Besitzer <strong>der</strong> Spiele sein höchstes Gut aus guten Gründen an<br />

ein Land verliehen, <strong>des</strong>sen Aufbruch <strong>und</strong> Entwicklung es<br />

beför<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Anspruch als eine <strong>der</strong> ältesten Hochkulturen<br />

es sich nicht zum zweiten Mal wi<strong>der</strong>setzen wollte.<br />

Dabei sind die oft als Hauptmotiv genannten kommerziellen<br />

Erwägungen eine Unterstellung. Olympische Spiele bringen<br />

dem IOC das meiste Geld dort ein, wo die Wettbewerbe in <strong>der</strong><br />

Fernseh-Primetime <strong>der</strong> zahlungskräftigsten Kontinente ausgerichtet<br />

werden, <strong>und</strong> das sind noch immer Nordamerika <strong>und</strong><br />

Europa. So wird das IOC für die kommende olympische Periode<br />

mit den Spielen in Vancouver <strong>und</strong> London überproportional<br />

höhere Einnahmen erzielen, als das zwischen 2005 <strong>und</strong><br />

2008 mit Turin <strong>und</strong> Peking möglich war. Sie werden von<br />

nahezu 4,5 Milliarden Dollar auf fast 5 Milliarden Dollar<br />

steigen, wovon das IOC unverän<strong>der</strong>t etwa acht Prozent für<br />

sich behält. Ein TOP-Sponsor wie Coca-Cola wird dann für die<br />

weltweite Nutzung <strong>der</strong> <strong>Olympischen</strong> Ringe ab 2009 r<strong>und</strong> 100<br />

Millionen Dollar statt bisher 82 Millionen Dollar zahlen,<br />

obwohl die Marktchancen in China unendlich viel größer sind<br />

30<br />

als auf den britischen Inseln. Zu Beginn <strong>des</strong> 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

sind die <strong>Olympischen</strong> Spiele begehrter denn je. Das schlägt<br />

sich nie<strong>der</strong> in steil nach oben gerichteten Einnahmekurven,<br />

unabhängig von den jeweiligen Austragungsorten.<br />

Der olympische Fackellauf macht am besten deutlich, auf was<br />

sich das IOC mit den Spielen in Peking eingelassen hat, in<br />

welche Abhängigkeit die Herren <strong>der</strong> Ringe durch die schier<br />

unbegrenzte chinesische Nutzung <strong>der</strong> Flamme geraten sind,<br />

welche Fehler sie gemacht haben - <strong>und</strong> welche Chancen sie<br />

sich eröffneten. Geplant <strong>und</strong> vom IOC genehmigt war <strong>der</strong><br />

Feuerlauf als olympischer Superlativ über 130.000 Kilometer,<br />

fünf Kontinente <strong>und</strong> 130 Tage. Geworden ist daraus ein<br />

Medium, an dem sich nach Ausbruch <strong>der</strong> Tibetkrise Massenproteste<br />

entzündeten, das mit dem Erklimmen <strong>des</strong> Mount<br />

Everest ein Zeichen wurde für Maßlosigkeit <strong>und</strong> politischen<br />

Missbrauch, das sich nach <strong>der</strong> Erdbebenkatastrophe zu einem<br />

Symbol für Solidarität <strong>und</strong> Mitleiden wandelte - <strong>und</strong> das<br />

nach Wie<strong>der</strong>inbesitznahme durch das IOC am Tag <strong>der</strong> Eröffnungsfeier<br />

am 8. August zu seiner ursprünglichen Symbolkraft<br />

zurückfinden könnte: In einem höchst problematischen<br />

Umfeld ein Leuchten für olympische Werte, zu denen die<br />

Menschenrechte als ein wesentlicher Teil gehören.<br />

Um das zu erreichen, ist vor allem Jacques Rogge gefor<strong>der</strong>t.<br />

Der belgische IOC-Präsident steht vor den schwierigsten<br />

Wochen seiner Amtszeit. Er wird sich nicht im <strong>Olympischen</strong><br />

Dorf verkriechen können, er wird Farbe bekennen müssen.<br />

Rogge selbst hatte vor zwei Monaten eine olympische Krise<br />

ausgerufen - <strong>und</strong> sie bei <strong>der</strong> jüngsten Sitzung <strong>der</strong> IOC-Exekutive<br />

in Athen für beendet erklärt. Das könnte sich als verfrüht<br />

herausstellen. Als Erbe <strong>der</strong> Peking-Spiele von seinem Vorgänger<br />

Juan Antonio Samaranch stehen er <strong>und</strong> seine Organisation<br />

in <strong>der</strong> Verantwortung eines Mitgestalters. Alles, was China<br />

für die Organisation <strong>der</strong> Spiele geplant <strong>und</strong> gebaut hat,<br />

unterlag Rogges Genehmigungszusage, dazu gehört auch <strong>der</strong><br />

Inhalt <strong>der</strong> Eröffnungsfeier, die eine wegweisende Bedeutung<br />

haben wird. Das ist, bei einer Partnerschaft <strong>der</strong> Ungleichen,<br />

Theorie. Aber herausgekommen ist zunächst einmal das<br />

Gegenteil von dem, wie <strong>der</strong> Chirurg aus Belgien die <strong>Olympischen</strong><br />

Spiele einst als Präsidentenanwärter behandelt sehen<br />

wollte: Weniger Gigantismus, mehr Bescheidenheit, Rückbesinnung<br />

auf Werte. Nun steht die monströseste Veranstaltung<br />

<strong>der</strong> olympischen Geschichte bevor, London 2012 plant gigantisch<br />

<strong>und</strong> ist bereits bei Gesamtkosten von 11,8 Milliarden<br />

Euro angekommen, mit Tokio <strong>und</strong> Chicago stehen für 2016<br />

weitere Kolosse vor <strong>der</strong> Tür. Und ob in Peking mit Erfolg<br />

Werte zu behaupten sind, muss sich zeigen.<br />

Erst nach diesen Sommerspielen will Rogge entscheiden, ob<br />

er 2009 für weitere vier Jahre IOC-Präsident zu bleiben<br />

gedenkt. So werden die bevorstehenden Spiele zu seiner<br />

größten, selbst auferlegten Bewährungsprobe. Dabei wird ihm<br />

eine Anfechtung wohl erspart bleiben. US-Präsident Georg W.

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