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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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mern bei Olympia präsent, danach jedoch 48 Jahre nicht<br />

mehr. Obwohl also fast ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert im selbst<br />

gewählten olympischen Exil, schafften es die Chinesen, den<br />

Herren <strong>der</strong> Ringe nahezu gleich lang auf dem Kopf herum zu<br />

tanzen. Verantwortlich für die Auseinan<strong>der</strong>setzungen war die<br />

politische Situation nach 1945. Maos Kommunisten hatten<br />

die Kuomingtang-Regierung, zuletzt von General Chiang<br />

Kaishek geführt, 1948 vom Festland auf die Insel Taiwan<br />

vertrieben - <strong>und</strong> mit dem General das Nationale Olympische<br />

Komitee. Als die Kommunisten 1951 ebenfalls ein NOK gründeten,<br />

war das Problem da. Sowohl Maos Rotchina als auch<br />

Chiang Kaisheks Nationalchina beanspruchten die Alleinvertretung<br />

<strong>des</strong> chinesischen Sports bei <strong>Olympischen</strong> Spielen.<br />

Wie programmiert kam es 1952 in Helsinki zum ersten Crash<br />

<strong>der</strong> "doppelten Chinesen". Wobei <strong>der</strong> Zusammenprall an Skurrilität<br />

nichts zu wünschen übrig ließ. Obwohl das IOC nur das<br />

Taiwan-NOK anerkannte, erreichte auch das Peking-NOK kurz<br />

vor Spiele-Beginn über eine außerordentliche IOC-Anordnung<br />

ein Startrecht. Nur: das Rotchina-Team (40 Athleten) saß in<br />

Leningrad fest, allein <strong>der</strong> via Indonesien angereiste Schwimmer<br />

Wu Chuanyu gelangte rechtzeitig an den Start in Helsinki. Das<br />

wie<strong>der</strong>um passte den Taiwanesen nicht. Sie zogen zurück. Zwei<br />

Jahre später wähnte sich Peking nach <strong>der</strong> IOC-Anerkennung<br />

seines NOK am längeren Hebel, zum Ausschluss Taiwans ist es<br />

dennoch nicht gekommen. Die Front zum IOC verhärtete sich<br />

vielmehr. Das lag am rotchinesischen IOC-Mitglied Tung Shouyi,<br />

ein kommunistischer Hardliner, <strong>der</strong> sich mit IOC-Präsident<br />

Avery Br<strong>und</strong>age (USA) anlegte. Einen "Kriegsverbrecher" nannte<br />

er den Amerikaner <strong>und</strong> einen "Knecht <strong>des</strong> US-Imperialismus".<br />

So schil<strong>der</strong>t es <strong>der</strong> Olympiahistoriker Karl Adolf Scherer in<br />

seinem Buch "Der Männerorden". Tung habe "in höherem<br />

Auftrag aus IOC-Sessionen politische Schaustücke von grandioser<br />

Lächerlichkeit" gemacht.<br />

Die ernüchternde Einsicht, unter einem IOC-Präsidenten<br />

Br<strong>und</strong>age den Rauswurf Taiwans nicht erzwingen zu können,<br />

führte 1958 zum Austritt Pekings aus dem IOC <strong>und</strong> zur<br />

völligen internationalen Isolierung <strong>des</strong> chinesischen Sports.<br />

Auch national ging nichts mehr: Während <strong>der</strong> Kulturrevolution<br />

von 1966-1976 stand Sport auf dem Index. Br<strong>und</strong>age war<br />

<strong>der</strong> Streit mit Tung so auf den Magen geschlagen, dass er<br />

sich für<strong>der</strong>hin auf ein an<strong>der</strong>es Thema konzentrierte: Die<br />

"doppelten <strong>Deutschen</strong>". Die so genannten "querelles allemands"<br />

waren spätestens 1972 gelöst, das China-Problem<br />

blieb aktuell bis 1979/80. Unter Br<strong>und</strong>ages Nachfolger Michael<br />

Killanin, einem mit <strong>der</strong> chinesischen Seele besser vertrauten<br />

Iren (K. war 1937 Reporter beim chinesisch-japanischen<br />

Krieg), wurde auf <strong>der</strong> Session 1979 in Montevideo <strong>der</strong> Stein<br />

<strong>des</strong> Weisen gef<strong>und</strong>en: Zähneknirschend gab Taipeh den<br />

Alleinvertretungsanspruch auf, akzeptierte für sein Team<br />

neue Hymne <strong>und</strong> Fahne. Seitdem heißt es: China Olympic<br />

Committee located in Peking <strong>und</strong> China Olympic Committe<br />

located in Taipeh.<br />

32<br />

Der Weg war nun frei für den chinesischen Doppelstart 1980<br />

in Moskau <strong>und</strong> für die erste Teilnahme <strong>des</strong> kommunistischen<br />

Festland-China an Sommerspielen seit 1936. Wenn da nicht<br />

<strong>der</strong> sowjetische Einmarsch in Afghanistan gewesen wäre.<br />

Peking schloss sich nach <strong>der</strong> politischen Annäherung ("Pingpong-Diplomatie")<br />

an die USA dem von den Amerikanern<br />

initiierten Moskau-Boykott an, <strong>und</strong> das eng an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong><br />

USA stehende Taipeh ließ die Moskauer Einladung unbeantwortet.<br />

Pekings Politik verhin<strong>der</strong>te folglich zum neunten Mal<br />

nach 1945 den Olympiastart seiner Sportler.<br />

Eine zehnte Nachkriegsabsenz fand nicht mehr statt. 1984 in<br />

Los Angeles, wo vor 52 Jahren ihr olympischer Hürdenlauf<br />

begonnen hatte, gewannen die Chinesen gleichsam aus dem<br />

Stand 32 Medaillen (darunter 15 goldene). Das war dann<br />

schon mehr als nur eine Andeutung, wozu das Riesenreich im<br />

Spitzensport fähig sein kann, wenn es nur all seine Ressourcen<br />

<strong>und</strong> vielschichtigen Kräfte mobilisierte. Nur 20 Jahre<br />

brauchte China, um seine Medaillenausbeute zu verdoppeln.<br />

Schaurig die Vorstellung, dass irgendwann mal für an<strong>der</strong>e<br />

Sportler nichts mehr übrig bleibt.<br />

Deutsche<br />

Bewährungsprobe<br />

Von Günter Deister<br />

Auch für Deutschland <strong>und</strong> seinen Sport bedeuten die<br />

<strong>Olympischen</strong> Spiele in Peking eine beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> Bewährung. Die Politik war in ihrer<br />

Boykott-Ablehnung von Anfang an eindeutig, auch wenn<br />

sich zwischen Kanzlerin Angela Merkel <strong>und</strong> Außenminister<br />

Frank-Walter Steinmeier Nuancenunterschiede im Umgang<br />

mit <strong>der</strong> chinesischen Staatsmacht zeigten. Die Wirtschaft<br />

fragt zuerst danach, wo ihre Geschäfte am besten gedeihen.<br />

Mittlerweile haben das 2500 deutsche Firmen mit ihren<br />

Nie<strong>der</strong>lassungen in China positiv beantwortet. Volkswagen<br />

<strong>und</strong> Adidas als Partner <strong>des</strong> chinesischen Organisationskomitees<br />

(<strong>und</strong> nicht <strong>des</strong> IOC) erwarten die größten Profite. Kunst<br />

<strong>und</strong> Kultur suchen wie <strong>der</strong> Sport Räume für Begegnungen.<br />

Der heftige Streit um Menschenrechte hat die deutschen<br />

Veranstalter <strong>der</strong> Kunstausstellung, die gegenwärtig in Peking<br />

für zehntausende Chinesen einen Blick ermöglicht in eine<br />

fremde Welt, eher noch ermutigt zu ihrer Präsentation.<br />

Bemerkenswert ist auch, dass öffentliche Empörung über das<br />

Wirken <strong>des</strong> Karlsruher Architekten Ole Scheeren, <strong>der</strong> zusammen<br />

mit seinem prominenten nie<strong>der</strong>ländischen Kollegen<br />

Rem Koolhaas in Peking ein monumentales, 234 Meter hohes<br />

Bauwerk errichtet, ausgeblieben ist. Gepriesen wird ihr Werk

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