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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Olympia fasziniert Millionen - auch diesmal<br />

Fragen an den Chef de Mission <strong>der</strong> deutschen Olympiamannschaft in Peking, DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper<br />

saubere deutsche Olympiamannschaft an<br />

den Start zu bringen?<br />

DR. VESPER: Das Präsidium hat ein glasklares<br />

Anti-Doping-Management für unser<br />

Olympiateam beschlossen. Es versteht sich<br />

von selbst, dass alle Athletinnen <strong>und</strong> Athleten<br />

dem Nationalen Testpool <strong>der</strong> NADA<br />

angehören müssen. Wer in <strong>der</strong> laufenden<br />

Olympiade eines Dopingvergehens überführt<br />

wurde o<strong>der</strong> ein solches gestanden hat, kann<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht Mitglied unserer Mannschaft<br />

sein - eine Regelung, die das IOC<br />

nach deutschem Vorbild jetzt auch international<br />

beschlossen hat. Alle nominierten<br />

Athleten werden bis zur Eröffnung <strong>des</strong><br />

olympischen Dorfes am 27. Juli 2008 noch<br />

einmal einer unangekündigten Trainingskontrolle<br />

unterzogen. Ende 2006 hat <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>tag<br />

das Stasi-Unterlagen-Gesetz novelliert.<br />

Trotz gewisser Tendenzen, fast 20 Jahre<br />

nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung einen "Schlussstrich<br />

zu ziehen", haben wir dafür geworben,<br />

dass <strong>der</strong> Sport auf Gr<strong>und</strong> seiner Vorbildfunktion<br />

auch weiterhin Offizielle in leiten<strong>der</strong><br />

Funktion auf eine mögliche Stasi-Verwicklung<br />

überprüfen kann. Dies wurde durchgesetzt,<br />

<strong>und</strong> <strong>des</strong>halb stellen wir im Vorfeld <strong>der</strong><br />

Nominierung sicher, dass alle von dem<br />

Gesetz erfassten Personen von <strong>der</strong> Birthler-<br />

Behörde überprüft werden. Das gilt ausdrücklich<br />

auch für den Fall, dass im Vorfeld<br />

von Athen die Prüfung negativ ausgefallen<br />

war, denn es könnten ja neue Erkenntnisse<br />

<strong>und</strong> Unterlagen aufgetaucht sein.<br />

OF: Wie stehen Sie zur Tibetfrage <strong>und</strong> zur<br />

Menschenrechtsproblematik in <strong>der</strong> Vermittlung<br />

gegenüber Athleten: kritisch-offensiv,<br />

defensiv zur Zurückhaltung mahnend o<strong>der</strong><br />

neutral, ohne Beeinflussung <strong>der</strong> Sportler?<br />

DR. VESPER: Die Spiele in Peking finden in<br />

beson<strong>der</strong>er Weise im politischen Raum<br />

statt. Das DOSB-Präsidium hat sich schon<br />

vor über einem Jahr intensiv mit <strong>der</strong><br />

Menschenrechtsproblematik beschäftigt<br />

<strong>und</strong> dazu eine deutliche Position bezogen.<br />

Wir haben die Erklärung vom Mai 2007<br />

damals veröffentlicht - aber lei<strong>der</strong> interessierte<br />

sich kaum jemand dafür. Eines haben<br />

wir jedenfalls nicht getan: geschwiegen. Als<br />

OF-MOSAIK<br />

OF-MOSAIK<br />

viele, die sich später empörten, noch keinen<br />

Laut von sich gaben, haben wir die Menschenrechtsfrage<br />

zum Thema gemacht.<br />

Davon zu unterscheiden ist die Tibet-Frage:<br />

Auch hier werden die Menschenrechte -<br />

wie auch in an<strong>der</strong>en von Min<strong>der</strong>heiten<br />

bewohnten Provinzen - eklatant verletzt.<br />

Aber eine Herauslösung Tibets aus China<br />

("Free Tibet!") kann nicht Thema <strong>der</strong> <strong>Olympischen</strong><br />

Bewegung sein. Die Bun<strong>des</strong>regierung,<br />

die Vereinten Nationen, die Europäische<br />

Union - sie alle verfolgen die "Ein-<br />

China-Politik", <strong>und</strong> auch <strong>der</strong> Dalai Lama<br />

unterstreicht immer wie<strong>der</strong>, ihm gehe es<br />

um mehr kulturelle Autonomie <strong>und</strong> religiöse<br />

Freiheit, aber nicht um die Unabhängigkeit<br />

Tibets. Tibet ist also für uns ein Teil <strong>des</strong><br />

Menschenrechtsthemas.<br />

Selbstverständlich trete ich ohne Wenn <strong>und</strong><br />

Aber für die Meinungsfreiheit unserer<br />

Athletinnen <strong>und</strong> Athleten ein: Sie werden<br />

ihre Meinung frei sagen (Betonung auf<br />

"sagen"), sie werden aber auch, ohne in eine<br />

politische Ecke gedrängt zu werden, schweigen<br />

können. Die Sportlerinnen <strong>und</strong> Sportler<br />

können zu politischen Fragen Stellung<br />

nehmen, wenn sie in <strong>der</strong> Mixed-Zone, bei<br />

Pressekonferenzen, in Interviews danach<br />

gefragt werden. Wir stellen ihnen dazu<br />

Materialien zur Verfügung, übrigens auch<br />

von Amnesty International <strong>und</strong> Human<br />

Rights Watch, damit sie sich ein eigenes<br />

Urteil bilden können. Was von <strong>der</strong> olympischen<br />

Familie nicht gewollt ist, sind politische<br />

Demonstrationen an den olympischen<br />

Stätten. Hier bestünde die Gefahr, dass <strong>der</strong><br />

eigentliche Inhalt <strong>der</strong> Spiele, nämlich <strong>der</strong><br />

Sport, durch politische Meinungsäußerungen<br />

überlagert würde. Dann gäbe es mögli-<br />

cherweise einen Wettlauf um die originellste<br />

Idee eines T-Shirts, Bändchens, Kopfschmucks<br />

o<strong>der</strong> Body-Painting, auf die sich<br />

dann die Kameras richten. Das geht übrigens<br />

auch bei keiner an<strong>der</strong>en Sportveranstaltung.<br />

OF: Wird es eine Fortsetzung o<strong>der</strong> Überwindung<br />

<strong>der</strong> Glaubwürdigkeitskrise (Doping)<br />

<strong>des</strong> olympischen Sports durch die Wettkämpfe<br />

in Peking geben?<br />

DR. VESPER: Die Spiele in Peking sind mit<br />

dem größten Anti-Doping-Programm<br />

verb<strong>und</strong>en, das jemals zum Einsatz gekommen<br />

ist: 4.500 Kontrollen, die in WADAakkreditierten<br />

Labors schnellstmöglich<br />

untersucht werden. Alle Proben werden auf<br />

acht Jahre eingefroren, sodass sich kein<br />

Doper sicher sein kann, dass sein Dopingmittel<br />

durch neu entwickelte Analysemethoden<br />

nicht doch entdeckt werden kann.<br />

Solche Unsicherheit führt zu Abschreckung,<br />

<strong>und</strong> Abschreckung führt bei denen, die für<br />

Dopingmethoden empfänglich sind, hoffentlich<br />

dazu, dass sie davon Abstand<br />

nehmen. Aber es ist wie immer im Leben:<br />

Missbrauch <strong>und</strong> abweichen<strong>des</strong> Verhalten<br />

sind letztlich nicht völlig auszuschließen,<br />

<strong>und</strong> darum kann es durchaus sein, dass in<br />

Peking Dopingfälle aufgedeckt werden -<br />

allerdings hoffentlich nicht in <strong>der</strong> deutschen<br />

Mannschaft.<br />

OF: Sehen Sie Chancen für ein öffentliches<br />

Interesse nach <strong>der</strong> Fußball-EM auch für<br />

Olympia in Peking o<strong>der</strong> erwarten Sie eher<br />

Zurückhaltung aus Verdruss über die<br />

olympischen Problemfel<strong>der</strong>?<br />

DR. VESPER: Ich bin zuversichtlich: Die<br />

Olympische Idee fasziniert nach wie vor<br />

Millionen. Das gilt für die Sportler, die nach<br />

wie vor nicht den Weltmeister-Titel, son<strong>der</strong>n<br />

eine olympische Medaille als Krönung<br />

ihrer sportlichen Karriere empfinden. Und es<br />

gilt ebenso für das Publikum. Ich denke,<br />

dass die Spiele in Peking auch das deutsche<br />

Publikum faszinieren werden.<br />

Die Fragen stellten Michael Gernandt<br />

<strong>und</strong> Steffen Haffner<br />

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