Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

"Erstaunlich für
mich waren neben
ihren Willensqualitäten
ihr Mut
und ihr Weitblick,
es noch in einer
anderen Sportart
zu versuchen,
nachdem sie mit
dem Schwimmen
aufgehört hatte",
sagt ein Mann, der
es wissen muss:
"Pit" Kretzschmar.
Er war zwischen
1974 und 1986
Trainer des erfolgreichen
DDR-
Nationalteams der Frauen. Der 75-Jährige hatte es auch als
Aktiver zu Weltmeisterehren gebracht. 1963 war er im deutschdeutschen
Finale der Feldhandball-WM in Basel mit der DDR-
Mannschaft siegreich.
Eine statistische Rarität, auf die Roswitha Krause aufmerksam
macht. Leistungen im Frauen-Handball werden oft gar nicht
oder ungenügend gewürdigt, findet
sie. Sie ist empfindlich gegen Ungerechtigkeit,
Unaufrichtigkeit, Unhöflichkeit.
Dass unser Gespräch am Tag
nach der Gründung der Hall of Fame
des deutschen Sports stattfand, war
Zufall. Dass die Jury indes in den Kreis
der 40 Auserwählten zunächst nur
einen ehemaligen DDR-Sportler
aufnahm, ist für sie unverständlich.
Die Zielstrebigkeit, die Trainer Kretzschmar
an ihr hervorhebt, führt sie
selbst als erstes an, wenn sie gefragt
wird, was ihr der Sport außer Medaillen
und Ehrungen gegeben habe.
"Was man angefangen hat, sollte man
zu Ende bringen." Ihr zweigeteilter
sportlicher Werdegang ist das beste
Beispiel.
Mit gleicher Konsequenz hat Roswitha
Krause ihre beruflichen Ziele verfolgt.
Die Schwierigkeit, Leistungssport und
Studium unter einen Hut zu bringen, absolvierte sie mit dem
Resultat, dass sie bereits 1981 als diplomierte Trainerin arbeiten
konnte. Mit dem zusätzlich erworbenen Methodik-Nachweis
widmet sie sich seit 1986 an der Humboldt-Universität zu Berlin
der Ausbildung künftiger Sportpädagogen. Sie spricht von "ihren
Studenten". Man spürt, dass es ihr Spaß macht, theoretische und
praktische Erfahrungen an junge Menschen weiter zu geben.
Die Tendenz im Hochleistungssport der Gegenwart sieht sie mit
Skepsis. Wo es um viel Geld geht, sei die Verlockung groß, zu
unlauteren Mitteln zu greifen. Für Debatten wie jüngst um die
neuen Anzüge der Schwimmerinnen hat sie wenig Verständnis.
Letztlich entscheide einzig und allein die Leistung.
Das Thema Doping habe für sie als Athletin nie eine Rolle
gespielt, sagt sie. Umso besorgter ist sie, wenn überdurchschnittliche
Leistungen heute meist von Misstrauen begleitet sind. "Wie
soll die Jugend für den Sport begeistert werden, wenn ihr nicht
das Schöne, das Wertvolle am Sport vermittelt werden kann?"
Darin sieht sie Verantwortung für sich und für die angehenden
Pädagogen, die sie ausbildet.
Ausgleich zum beruflichen Alltag findet Roswitha Krause sportlich
im Schwimmbecken, an der Tischtennisplatte und bei Fahrradtouren,
allgemein bei interessanter Literatur, TV-Sport und
Reisen.
Stichwort Reisen: Begeistert erzählt sie von einem Nordamerika-
Trip vor zwei Jahren. Eine der Stationen war Montreal. Wiedersehen
nach 30 Jahren. Die Stadtrundfahrt endete zu ihrer besonderen
Freude am Olympiastadion. Die Begegnung mit Moskau ist in
diesem Jahr dran. Fehlt von "ihren" Olympiastädten noch Mexiko-
Stadt. "Irgendwann möchte ich noch einmal da hin", sagt sie und
wirft einen flüchtigen Blick auf den
Aztekenkalender, der in ihrem Arbeitszimmer
an der Wand hängt.
Die Spiele von 1968 stellt sie an die
erste Stelle ihrer olympischen Erlebnisse.
Das Land, die Leute, die Atmosphäre
- alles zusammen genommen
habe sie sehr beeindruckt. Als sportlichen
Höhepunkt aus der "Handball-
Zeit" bezeichnet sie jedoch weder die
Olympia-Turniere von 1976 oder
1980, sondern die Weltmeisterschaft
1975, weil der Titel "von einer Mannschaft
errungen wurde, die diese
Bezeichnung verdiente". Einer für alle,
alle für einen…
Dass sich viele Kontakte aus dem Klub
wie aus dem Nationalteam bis heute
erhalten haben, spricht für den
Zusammenhalt. Und wenn sie auf die
"alten Zeiten" zu sprechen kommt,
purzeln die Erinnerungen. Beispiel
Neubrandenburg: Beim jährlichen Traditionsturnier wurde den
Spielerinnen anlässlich des Frauentages das Frühstück von den
Trainern ans Bett serviert. Damals.
Steht heute unter den älter gewordenen Damen ein "runder"
Geburtstag an, gehört in der Regel die komplette Mannschaft
zur Gratulantenschar. Das wird am 3. November nächsten Jahres
nicht anders sein. Dann ist nämlich Roswitha Krause dran.
57