Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

weltweit als dynamische, transparente Architektur-Sensation.
Kritiker könnten es aber auch als einen Bau des Bösen
bezeichnen, denn der Tower wird demnächst das chinesische
Staatsfernsehen CCTV beherbergen, dessen 250 TV-Kanäle
ganz im Propagandadienst der chinesischen kommunistischen
Staatsmacht stehen.
Beiträge liefern für die Öffnung der chinesischen Gesellschaft,
Zeichen setzen, einen Dialog führen, Gemeinsamkeiten
suchen - auch aus diesem Grund hat der Deutsche Olympische
Sportbund (DOSB) von Anfang an keinen Zweifel gelassen
an seiner Beteiligung an den Spielen. Sie werden nun
auch zu einer ersten großen Prüfung für den neuen Dachverband
und seine Führung. Durch die Vereinigung von DSB und
NOK sollte vor allem die Politikfähigkeit des Sports gestärkt
und der olympische Sommer-Hochleistungssport aus der
Talsohle herausgeführt werden. Der DOSB wurde mit seinem
Präsidenten Thomas Bach und seinem Generaldirektor Michael
Vesper rasch zu einem respektierten Partner in Staat und
Gesellschaft. Die Kritik an der Menschenrechtslage in China
lange vor dem Ausbruch der Tibet-Krise, die rechtzeitige
Bestätigung der Teilnahme an den Spielen zum Schutze der
Athleten, das Fordern von unbegrenzter Meinungsfreiheit
überall in Verbindung mit dem bewährten Demonstrationsverbot
in olympischen Arenen war konsequente, in einer
Koalition mit europäischen NOKs durchgesetzte Sportpolitik.
Das IOC hat sie adaptiert.
Erste, bescheidene Erfolge im Hochleistungssport sollen nun
bei den Spielen sichtbar werden. Nach Platz drei des vereinigten
deutschen Sports in Barcelona und Atlanta ging es in
Sydney (5.) und Athen (6.) bergab. Der DOSB ruft Peking als
Wendepunkt aus und erwartet eine deutliche Aufwärtsbewegung
in vier Jahren in London. Hochrechnungen auf der Basis
des vorolympischen Jahres lassen nach der Zahl der zu erwartenden
Medaillen sogar einen Platz zwischen vier und sechs
möglich erscheinen; unerreichbar sind die USA, China und
Russland, zur zweiten Kategorie gehören auch Australien,
Japan, Frankreich und die erstarkten Briten. Im Gegensatz zu
früher enthält sich der DOSB einer Medaillenprognose. Dabei
spielt die Sorge eine Rolle, dass die deutsche Mannschaft
noch unter den 13 Goldmedaillen-Gewinnen von Athen
bleiben könnte. In Barcelona 1992 waren es einst 33. Und
Gold ist nach wie vor die olympische Leitwährung. Sollte das
Peking-Ergebnis unter die Athen-Marge fallen, ist eine besonders
heftige nacholympische Diskussion darüber zu erwarten,
wie sportliche Höchstleistung künftig zu bewerten und zu
organisieren ist.
So sind wieder einmal Siegertypen besonders gefragt mit
dem Zusatz, inwieweit das föderale deutsche Sportsystem
geeignet ist, Eliten auf höchstem Niveau hervorzubringen. Bei
den Spielen in Peking ruhen die größten Hoffnungen auf den
Kanuten um die dreimaligen Olympiasieger Andreas Dittmer
34
und Katrin Wagner-Augustin, die Reiterequipen um die
viermaligen Goldmedaillen-Gewinner Isabell Werth und
Ludger Beerbaum sowie Meredith Michaels-Beerbaum, dem
dreimaligen Gold-Schützen Ralf Schumann, dem Turnkometen
Fabian Hambüchen und den Weltmeister-Mannschaften
im Handball, Hockey und Frauenfußball. Hambüchen steht
dabei für die jüngste deutsche Sportlergeneration. Leichtathleten
und Schwimmer, bei denen es um 93 der 302 Medaillensätze
geht, setzen sich selbst erneut bescheidene Ziele.
Doch mindestens ebenso wichtig wie das sportliche
Abschneiden ist der Eindruck, den die deutsche Mannschaft
außerhalb der olympischen Arenen abgibt. ARD und ZDF
werden das in 300 TV-Programmstunden aus Peking bebildern.
Bach und Vesper übernehmen bei den Spielen Sonderrollen.
Der DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident führt als Chef der
Juristischen Kommission erneut den Vorsitz in der Disziplinarkommission
und ist somit der olympische Staatsanwalt der
Peking-Spiele. Das ist eine heikle Aufgabe, denn zu der
Doping-Problematik kommen diesmal alle Fälle von Regelverletzungen
im Zusammenhang mit dem Demonstrationsverbot
in olympischen Arenen. Für die Sanktionierung von Dopingvergehen
gibt es ein Strafgesetzbuch des Sports, für unerlaubte
Demonstrationen hingegen nur ein Beispiel. 1968
schickte das IOC die amerikanischen Sprinter Tommie Smith
und John Carlos nach Hause, nachdem sie bei der Siegerehrung
für Gold und Bronze über 200 m die Fäuste zum Black-
Power-Protest gegen die Unterdrückung der Schwarzen in
den USA gereckt hatten. Ihre Medaillen durften Smith und
Carlos behalten. Disqualifikation, Ausschluss, Verwarnung
oder ein mildes darüber Hinwegsehen - die Bach-Kommission
verfügt über einen großen Spielraum. Über ihre Empfehlungen
entscheidet die IOC-Exekutive, in der Bach ein gewichtiges
Wort mitzusprechen hat. Bisher war es so, dass die olympische
Regierung allen Empfehlungen ihrer Disziplinarkommission
gefolgt ist.
Als DOSB-Präsident hat Bach zudem die erste Verantwortung
für das von Vesper angeführte deutsche Team. Als Chef de
Mission steht der Generaldirektor ebenfalls vor einer besonderen
Herausforderung. Er muss nahe genug an der Mannschaft
sein und deutlich und verständlich genug gegenüber
der Öffentlichkeit. Das fordert Führungs- und Überzeugungskraft
und umfassende Kompetenz. Vesper hat das sportliche
Geschehen zu deuten und zu rechtfertigen. Und er muss
dafür sorgen, dass sich die deutsche Mannschaft in einem
höchst schwierigen Umfeld bewährt als Repräsentant ihres
Landes. Der Mitbegründer der Grünen-Partei und ehemalige
Sportminister von Nordrhein-Westfalen entspricht in wesentlichen
Punkten dem Anforderungsprofil an einen deutschen
Chef de Mission in der Volksrepublik China.