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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Medaillenvergabe:<br />

Gevatter Zufall mischt mir<br />

E<br />

s liegt wohl richtig, wer das erste Gold <strong>der</strong> Pekinger Spiele<br />

einem Chinesen o<strong>der</strong> einer Chinesin zutraut. Einem Schützen<br />

vielleicht mit <strong>der</strong> Luftpistole o<strong>der</strong> einer Gewichtheberin <strong>der</strong> 48 kg-<br />

Klasse. Der Organisationschef <strong>der</strong> Veranstaltung muss womöglich<br />

schon am ersten Tag seinen Hut nehmen, versagten diesbezüglich<br />

seine Steuerungsmechanismen. Auftaktmedaillen sollen ja angeblich<br />

ihrer motivierenden Wirkung wegen auf an<strong>der</strong>e im Team beson<strong>der</strong>s<br />

intensiv glänzen, nicht nur am Hals von Chinesen. Deshalb gleich<br />

mal 21 Medaillen am 9. August, genau so oft werden die Plaketten<br />

in Gold, Silber <strong>und</strong> Bronze mit dem Namen ihrer Inhaber versehen.<br />

In weiteren 281 Disziplinen bis zum Finaltag die gleiche Prozedur.<br />

Viel Arbeit für die Graveure.<br />

Zieht man nun in Betracht, was eine Sportlerin namens Marion<br />

Jones angerichtet hat, als sie im Oktober 2007 Doping zugab, <strong>und</strong><br />

was ihr Landsmann Antonio Pettigrew mit seinem Geständnis<br />

während <strong>des</strong> Graham-Prozesses vergangenen Monat, dann muss<br />

wohl davon ausgegangen werden, dass auf die chinesischen Medaillenbearbeiter<br />

auch nach dem Ende <strong>der</strong> Pekingspiele noch Arbeit<br />

wartet. Sie müssen aus Silber Gold machen, aus Bronze Silber <strong>und</strong><br />

die Holzmedaille für Platz vier in Bronze verwandeln - weil<br />

eine/einer wegen eines anfangs nicht bemerkten Dopingverstoßes<br />

nachträglich den Po<strong>des</strong>tplatz räumen musste.<br />

An den Fällen Jones <strong>und</strong> Pettigrew zeigt es sich, wie verschroben die<br />

Welt Olympias sich inzwischen darstellt: Die ersten 21 Medaillengewinner<br />

von Peking sind leicht zu identifizieren, aber vermutlich<br />

nicht alle <strong>der</strong> Spiele im Jahr 2000. Klar ist nur: Die Betrügerin Jones<br />

musste fünf Medaillen wie<strong>der</strong> rausrücken, acht ihrer offiziell "sauberen"<br />

Kameradinnen aus zwei Staffeln kamen den Regeln zufolge<br />

gleich mit auf den Index, auf den auch Staffelmann Pettigrew <strong>und</strong><br />

fünf seiner Ko-Piloten (darunter zwei bis jetzt unbescholtene)<br />

gesetzt werden müssen. Nur, wie heißen die Nachrücker? Ein<br />

"Upgrade" vorzunehmen, aus Vierten Dritte, aus Dritten Zweite etc.<br />

zu machen, das ist dem Internationalen <strong>Olympischen</strong> Komitee (IOC)<br />

zu einfach. Und viel zu riskant. Die Launen von Gevatter Zufall sind<br />

unermesslich, wie <strong>der</strong> Fall <strong>der</strong> zunächst hoch dekorierten Marion<br />

46 OF-K<br />

Jones beweist. Ihr Sündenregister wurde erst nach sieben Jahren<br />

<strong>und</strong> 160 unbeanstandeten Dopingkontrollen aufgedeckt. Überzeugende<br />

Belege dafür, dass die von Jones besiegten Athletinnen<br />

wirklich alle Opfer <strong>der</strong> Amerikanerin sind <strong>und</strong> nicht ebenfalls Täter,<br />

gibt es nicht, zu groß ist <strong>der</strong> Ideenreichtum von Pharmakologen,<br />

Trainern <strong>und</strong> Sportlern beim Ausmanövrieren <strong>der</strong> Kontrolleure. Drum<br />

Vorsicht beim Nachjustieren.<br />

Und Zeit lassen. Erst am 1. Oktober läuft die Verjährungsfrist für<br />

Dopingfälle aus dem Jahr 2000 ab. Dass <strong>der</strong> Weltverband <strong>der</strong><br />

Leichtathleten (IAAF) so lang nicht warten wollte <strong>und</strong> Jones` WM-<br />

Medaille von 2001 ohne Umschweife <strong>der</strong> Griechin Thanou überließ,<br />

obwohl auch diese Dame nicht als Miss Unbescholten gilt, verrät<br />

den Respekt vor den eigenen Regeln <strong>und</strong> vor Regressansprüchen<br />

juristischer Athletenvertreter.<br />

Die Sache mit den vakanten Medaillen verdeutlicht die Rasanz, mit<br />

<strong>der</strong> die Verrechtlichung <strong>des</strong> olympischen Sports voranschreitet. Dass<br />

ein Athlet für olympisches Gold optimales Talent <strong>und</strong> Training braucht<br />

- eine Binsenweisheit; nicht mehr so neu auch die Erkenntnis, dass es<br />

ohne einen gewieften Mediziner nicht mehr klappt. Dass aber nur<br />

siegen kann, wer den cleversten Anwalt an seiner Seite weiß, das<br />

überrascht nun doch. Eine schaurige Erkenntnis.<br />

Michael Gernandt<br />

Olympische Jugendspiele auf einem Irrweg<br />

I<br />

OC-Präsident Jacques Rogge sieht in seiner Lieblingsidee <strong>der</strong><br />

<strong>Olympischen</strong> Jugendspiele ein Projekt <strong>der</strong> Erneuerung für die<br />

großen Spiele. Da ist viel davon die Rede, dass ein Schwergewicht<br />

<strong>des</strong> Programms auf kulturellen Themen liegen soll. Damit verbindet<br />

sich die Hoffnung auf inhaltliche Diskussionen, die den nachwachsenden<br />

Athleten vor Augen führen, wie das schleichende Gift <strong>des</strong><br />

Dopings dabei ist, den Sport zu zerstören. Auf diese Weise könnte<br />

ein Impuls für einen langfristigen Bewusstseinswandel gesetzt<br />

werden, <strong>der</strong> den Verzicht auf unerlaubte Mittel als geradezu lebensnotwendig<br />

markiert. Solchen Absichten liefe zuwi<strong>der</strong>, wenn die<br />

Jugendspiele doch nur eine kleinere Kopie <strong>des</strong> großen Originals<br />

würden. Dafür aber mehren sich die Anzeichen. Für die hastig<br />

installierte Premiere in zwei Jahren musste es gleich eine 4-Millionen-Metropole<br />

wie Singapur als Austragungsort sein.<br />

Erst recht geben die jüngsten Beschlüsse <strong>des</strong> IOC zu denken. Die<br />

IOC-Exekutive in Athen folgte in falsch verstandener Loyalität dem<br />

Vorschlag ihres Präsidenten, bei <strong>der</strong> Siegerehrung auf die traditionelle<br />

Symbolik mit Flaggen <strong>und</strong> Hymnen zurück zu greifen. Das ist<br />

ein Signal in die falsche Richtung. Ohnehin fragt es sich, ob es<br />

überhaupt Wettkämpfe um Medaillen sein müssen. Nun för<strong>der</strong>t das<br />

IOC mit dem Zeremoniell noch nationalistische Tendenzen, anstatt<br />

mit den Jugendspielen deeskalierend zu wirken. Es passt ins Bild,<br />

dass auch beschlossen wurde, Athleten unter achtzehn Jahren zum<br />

Start zuzulassen, die schon an <strong>Olympischen</strong> Spielen teilgenommen<br />

haben. Der Schritt zum Medaillenspiegel ist bei alldem nicht mehr<br />

weit. Und die Leistungsplaner werden schon die Stifte spitzen. Von<br />

einem in die Zukunft wirkenden Kontrastprogramm zu den <strong>Olympischen</strong><br />

Spielen dürfte nicht viel übrig bleiben.<br />

Steffen Haffner<br />

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