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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Spielen in einem autoritären Staat nach Berlin 1936, Mexiko-<br />

Stadt 1968, Moskau 1980 <strong>und</strong> Seoul 1988. Nimmt man die<br />

Boykott-Spiele von Los Angeles 1984 noch hinzu, dann bleibt<br />

festzuhalten: Nie war Olympia seit Ende <strong>des</strong> Kalten Kriegs so<br />

politisiert wie heute. Die große Sorge ist, das vorwärts stürmende<br />

China könnte in einem Siegesrausch jene Spielregeln<br />

missachten, die Voraussetzung sind für ein auskömmliches<br />

Miteinan<strong>der</strong> auf dem Spielfeld <strong>der</strong> Völker.<br />

Dabei gilt es, den richtigen Maßstab zu finden <strong>und</strong> auch<br />

jenem westlichen Denken eine Absage zu erteilen, welches<br />

für das Foulspiel eine einseitige Interpretation findet. In die<br />

Betrachtung dringend mit einbezogen werden müssen jenseits<br />

kurzfristiger Vorspiele langfristige Prozesse. Als wichtiger<br />

Gr<strong>und</strong>satz setzte sich die Erkenntnis durch, dass Boykott<br />

keine Antwort sein kann auf krasse Regelverletzungen. Wer<br />

das Spielfeld verlässt, flüchtet vor <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung,<br />

kann keinen Einfluss mehr nehmen <strong>und</strong> wird <strong>des</strong>halb zu<br />

einem Verlierer. Wer in<strong>des</strong>sen die Begegnung sucht, schafft<br />

die Voraussetzung für Absprachen <strong>und</strong> Austausch. Dies gilt<br />

beson<strong>der</strong>s für ein Land, in dem ein Fünftel <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />

zu Hause ist, das min<strong>des</strong>tens so viele globale Risiken<br />

<strong>und</strong> auch Chancen in sich vereint <strong>und</strong> von dem man sagen<br />

kann: Ohne China geht es nicht mehr.<br />

Zwei Daten haben im Vorfeld die enorme Spannweite <strong>der</strong><br />

Probleme markiert <strong>und</strong> damit die Unsicherheit noch vergrö-<br />

ßert, was von dieser 29. Ausgabe <strong>der</strong> Sommerspiele zu erwarten<br />

ist. Der 14. März mit dem Ausbruch <strong>der</strong> Unruhen in Tibet<br />

steht für Verfolgung, Unterdrückung, Folter, Haft, Arbeitslager,<br />

Zensur <strong>und</strong> tausendfache To<strong>des</strong>strafe. Der Tag steht aber<br />

auch für die Möglichkeiten Olympischer Spiele, durch globale<br />

Ausstrahlung Aufmerksamkeit zu erregen. Der 12. Mai mit<br />

dem verheerenden Erdbeben in <strong>der</strong> Provinz Sichuan zeigt ein<br />

China <strong>der</strong> bisher nicht gekannten Transparenz <strong>und</strong> <strong>des</strong> sich<br />

Öffnens. Wen Jiabao, bisher eher gesehen als <strong>und</strong>urchsichtiger<br />

Politruk, wurde zu einem mitleidenden, mitweinenden<br />

Ministerpräsidenten, eine Art guter Mensch von Sezuan, <strong>der</strong><br />

schon wenige St<strong>und</strong>en nach dem Beben vor Ort die Hilfstruppen<br />

mit Megaphon zu dirigieren versuchte. Ein dauerberichten<strong>des</strong><br />

Staatsfernsehen, eine bisher nicht gekannte nationale<br />

Solidaritätswelle, erstmals die Annahme ausländischer<br />

Hilfe <strong>und</strong> eine aus <strong>der</strong> Not geborene wirkliche<br />

Pressefreiheit für internationale Medien - die<br />

Katastrophe brachte über Nacht ein Gegenbild<br />

hervor von einem Land, das vielfach nur wahrgenommenen<br />

wurde als bedrohlicher Zukunftsgigant.<br />

Nun war es selbst bedroht <strong>und</strong> zeigte sich verletzbar,<br />

<strong>und</strong> es erregte Mitleid.<br />

Untergegangen ist bei <strong>der</strong> Katastrophe auch die<br />

Verletzbarkeit <strong>des</strong> IOC. Als 1.300 Kilometer entfernt<br />

innerhalb von drei Minuten mehr als 70.000 Menschen<br />

unter Häusern begraben wurden, war das<br />

Beben bis nach Peking hin deutlich zu spüren. Eine<br />

Erschütterung auch von Chinas Metropole hätte<br />

einen olympischen Alptraum Wirklichkeit werden<br />

lassen, die erstmalige Absage <strong>der</strong> Spiele durch den<br />

Ausbruch von Naturgewalten. Als das IOC die<br />

Athen-Spiele gegen Ausfall versichern wollte, fand<br />

sich niemand, <strong>der</strong> dieses Risiko tragen wollte.<br />

Welche Bil<strong>der</strong> Olympia liefern wird, ist eine offene<br />

Frage. Die heitersten Spiele <strong>der</strong> letzten beiden<br />

Jahrzehnte lieferte das mediterrane Barcelona<br />

1992 mit <strong>der</strong> geschichtsträchtigen Episode <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>vereinigung deutscher Sportler hinter dem<br />

Schild Germany. Atlanta 1996 war gekennzeichnet<br />

von einem Übermaß an Kommerz <strong>und</strong> einem Mangel an<br />

Atmosphäre, Sydney 2000 bleibt in Erinnerung als Stimmungshoch,<br />

Athen 2004 steht mit seinem olympischen<br />

Revival 108 Jahre nach seiner Erstaufführung für eine Überfor<strong>der</strong>ung.<br />

Das IOC musste bis zum letzten Augenblick bangen,<br />

ob die Gastgeber ihre Vorbereitungen rechtzeitig beenden<br />

konnten, sie schafften es nur unter ultimativem Druck.<br />

Eine solche Zitterpartie blieb den Herren <strong>der</strong> Ringe diesmal<br />

erspart. Bis zu 40 Milliarden Dollar, so die Schätzung, hat sich<br />

Chinas Führung die olympische Infrastruktur kosten lassen.<br />

Bis zu fünf Millionen Wan<strong>der</strong>arbeiter waren im Einsatz, um<br />

Peking frühzeitig fit zu machen für das globale Sportfest. Das<br />

futuristische, 91.000 Zuschauer fassende Olympiastadion<br />

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