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phantast14

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Haus aus rotem Licht<br />

von Judith Madera (2012)<br />

Blutiges Licht und ein Kuss für<br />

die Nacht.<br />

Sang stützte sich auf das blau<br />

glimmende Glasgeländer, das<br />

sein unverschämt teures Apartment<br />

von der Wirklichkeit trennte.<br />

Hier, am Rande des leuchtenden<br />

Stadtkerns, wirkte das<br />

Sprawl wie eine endlose graue<br />

Masse, durchflackert von Neonfunken.<br />

Eigentümlich trist und<br />

schön. Vor einem Jahr noch war<br />

ihm diese Welt fremd gewesen,<br />

nur der trübe Schatten seiner<br />

sterilen Existenz. Nun war es die<br />

Wahrheit, die seine Sehnsucht<br />

stillte.<br />

Cherrys Wahrheit.<br />

Sang konnte das Erythra von hier<br />

oben aus sehen, ein Gebäude aus<br />

rotem Glanz, das in der ewigen<br />

Finsternis des Sprawl in einer<br />

steten Supernova strahlte. Dort<br />

verglühte Cherrys Leben im<br />

Rausch niederer Begierden. Ihm<br />

wurde kotzübel, wenn er daran<br />

dachte, wie dreckige Hände ihre<br />

weiße Haut zerkratzten, wie sich<br />

gescheiterte Gestalten schwitzend<br />

und keuchend in sie ergossen.<br />

Sang würde sie da rausholen.<br />

Bald schon.<br />

Er schenkte der Nacht einen letzten<br />

Kuss und betrat sein kleines<br />

Stück Chaos in der geordneten<br />

Welt des Kerns. Instant-Nudel-<br />

Packungen in verschiedenen<br />

Grüntönen lagen auf dem Boden,<br />

und die pinke Plexiglasscheibe<br />

seines Tisches war unter dem<br />

Wust von Holochips und Mikro-<br />

Festplatten kaum noch zu erkennen.<br />

Über vierzehn Bildschirme<br />

flossen verschlüsselte Datenströme,<br />

aus denen seine Programme<br />

Informationen nagten<br />

und sie dem Alterreal-Netzwerk<br />

zur Verfügung stellten. Sang<br />

erledigte währenddessen die<br />

wichtigen Jobs.<br />

Er ließ sich aufs Sofa fallen und<br />

tastete nach den Verbindungskabeln.<br />

Zärtlich führte er sich die<br />

mit Platinkuppen versehenen<br />

Glasfaserschlangen in seine<br />

Headbuchse ein, zwei für Wahrnehmung<br />

und Interaktion und<br />

eine für den Datentransfer zu<br />

seinem Deck. Ein Samsung Xtasy<br />

VII, Spezialanfertigung für Alterreal.<br />

Ein Designerteil, das die<br />

Synchronisation mit vierzehn<br />

anderen Decks ermöglichte und<br />

mit einer wahnsinnigen Simulationsqualität<br />

aufwartete.<br />

Erregung schoss durch Sangs<br />

Körper, als das Netz zu einem<br />

glühenden Datenstrom erblühte,<br />

visualisiert in lichtfarbenen Pho-<br />

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