phantast14
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Gehörgänge und bleibt darin<br />
hängen.<br />
„Mint“ stellt die bislang romantischste<br />
Ballade von Zeromancer<br />
dar und geht mit dem wie eine<br />
Beschwörung wiederholten You<br />
are the only one … (who can erase<br />
this) direkt unter die Haut. Der<br />
Cyberpunk-Lovesong schlechthin,<br />
sofern man hier überhaupt<br />
von einem Lovesong sprechen<br />
kann.<br />
It’s not the end of the world<br />
It’s just another black hole<br />
Das 2013 erschienene sechste<br />
Album Bye Bye Borderline lässt<br />
derbe Songs weitgehend vermissen<br />
und setzt mehr auf gleichermaßen<br />
emotionale wie eingängige<br />
Klänge.<br />
In der CD-Hülle wird der legendäre<br />
erste Satz aus Neuromancer<br />
zitiert, womit Zeromancer<br />
nochmals ihre Nähe zum Cyberpunk<br />
unterstreichen: The sky<br />
above the port was the color of television,<br />
tuned to a dead channel. Da<br />
werden Erinnerungen wach, und<br />
wer Bye-Bye Borderline hört, spürt<br />
unweigerlich die Stimmung, die<br />
in den stillen Momenten des Cyberpunk<br />
aufkommt, beispielsweise<br />
in den ruhigen Szenen aus<br />
Ghost in the Shell.<br />
Stärker als zuvor stehen bei Zeromancer<br />
die zwischenmenschlichen<br />
Töne im Vordergrund, gescheiterte<br />
Liebe, aber auch verspielte<br />
Freundschaft und die<br />
vernichtende Kraft des Egoismus:<br />
Raise your glas / To pain and<br />
suffering / Let’s make a toast / To<br />
how much I hurt you / Let’s drink to<br />
that / And all sadness. Ähnlich wie<br />
in „Manoeuvres“, woraus das<br />
vorangegangene Zitat stammt,<br />
wird in den zehn Songs der<br />
Schmerz zelebriert, die Bitterkeit<br />
der Erkenntnis angenommen<br />
und subtil Kritik an der modernen<br />
Welt geübt, in der die<br />
menschliche Wärme in den eigenen<br />
Bedürfnissen erstickt.<br />
Die Synthies in „Weakness“ (und<br />
auch anderen Songs) erinnern an<br />
den Sound von New Order aus<br />
den Achtzigern, womit erneut<br />
der Bogen zur Entstehungszeit<br />
des Cyberpunk geschlagen wird.<br />
Zeromancer vermischen den<br />
experimentellen Sound des frühen<br />
Synthie Pop mit modernem<br />
Alternative Rock und Industrial<br />
und schaffen damit Klänge, die<br />
durchweg an grell erleuchtete<br />
Megastädte, das wuchernde<br />
Sprawl oder auch schillernde<br />
Cyberspacewelten erinnern.<br />
Die Ballade des Albums heißt<br />
„Montreal“ und erzeugt die<br />
Stimmung eines trüben Novembermorgens<br />
hinter einer dreckigen<br />
Glasscheibe.<br />
Kurz nach Bye-Bye Borderline ist<br />
übrigens ein Best-Of-Album<br />
(Something For The Pain) erschienen,<br />
welches allerdings nur bedingt<br />
die besten Songs von Zeromancer<br />
enthält. Es fehlen<br />
schlichtweg einige der herausragenden<br />
Stücke, und wer sich<br />
einmal in die Band verliebt hat,<br />
wird damit nicht satt.<br />
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