Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 32<br />
StPO für die Überwachung der Telekommunikation<br />
nicht anwendbar, was das BVerfG durch<br />
Schweigen und der BGH ausdrücklich ausführt 149 .<br />
Beiden Gerichten geht es auch um die Vermeidung<br />
unnötig überschießender Eingriffe 150 und der<br />
weiten Freigabe der Beschlagnahme von E-Mails,<br />
die das BVerfG vorgelegt hat, kann sich der BGH<br />
auf Dauer nicht verschließen, zumal auch er nicht<br />
die Verfahrensvorschriften für die Postbeschlagnahme<br />
(§ 100 Abs. 3 bis 6 StPO), sondern für die<br />
Herausgabe von Beweisstücken (§ 95 StPO) und<br />
die Durchsicht <strong>im</strong> Rahmen einer Durchsuchung<br />
hervorhebt (§ 110 Abs. 1 StPO). Nach einer zusammenfassenden<br />
Betrachtung aller drei Entscheidungen<br />
lässt sich für die E-Mail-Beschlagnahme<br />
folgern 151 :<br />
� Grundsätzlich ist die Beschlagnahme von E-<br />
Mails auf den Speichermedien des Hostproviders<br />
nach Maßgabe von § 94 Abs. 2 StPO gerechtfertigt.<br />
Daraus folgt, dass es wegen der<br />
Schwere der Straftat keine Einschränkungen<br />
gibt.<br />
� Wegen der Anwendungsvoraussetzungen greifen<br />
hingegen die Grundzüge der Postbeschlagnahme<br />
nach § 99 StPO. Daraus folgt, dass ein<br />
Beschuldigter bekannt oder wegen seiner Identitätsmerkmale<br />
eingegrenzt ist. Ferner folgt daraus,<br />
dass die Anordnung dem Richterprivileg<br />
unterliegt und eine Anordnung bei Gefahr <strong>im</strong><br />
Verzug (§ 100 Abs. 1 StPO) nur von der Staatsanwaltschaft<br />
getroffen werden kann, die ihrerseits<br />
binnen 3 Werktage vom Gericht bestätigt<br />
werden muss (§ 100 Abs. 2 StPO).<br />
� Auf die Durchführung der Maßnahme sind nicht<br />
die Formvorschriften des § 100 Abs. 2 bis 6<br />
StPO anzuwenden, sondern ein gestaffeltes<br />
Verfahren, das sich an den §§ 95 Abs. 1 und<br />
110 Abs. 1 StPO orientiert.<br />
149 BGH, Beschluss vom 31.03.2009 - 1 StR 76/09,<br />
S. 3<br />
150 Siehe oben und BVerfG, Beschluss vom<br />
16.06.2009 - 2 BvR 902/06, Rn. 88.<br />
151 Siehe auch: CF, Mythen wegen der E-Mail-<br />
Beschlagnahme, 14.02.2011<br />
� Danach ist zunächst ein gerichtlicher Beschluss<br />
gegen den Hostprovider gemäß § 95 StPO erforderlich,<br />
der ihn verpflichtet, alle gespeicherten<br />
E-Mails (samt ihrer Anlagen, Vorlagen und<br />
Entwürfe) herauszugeben.<br />
� Im Anschluss an die Formvorschriften für die<br />
Durchsuchung (§ 110 Abs. 1 StPO) folgt eine<br />
Durchsicht der Dateien, mit der die dazu berufene<br />
Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungspersonen<br />
von der Polizei beauftragen kann. § 100 Abs. 2<br />
StPO kommt nicht zur Geltung.<br />
� Die nach der Durchsicht als beweisbedeutend<br />
erkannten Dateien werden durch einen gesonderten<br />
Beschluss beschlagnahmt (§ 98 Abs. 1<br />
S. 1 StPO).<br />
Es hat lange gedauert, aber die Rechtsprechung<br />
zur Beschlagnahme von E-Mails belegt, dass die<br />
obersten Gerichte die <strong>Internet</strong>dienste zunehmend<br />
in den Blick nehmen und sich vorsichtig an Lösungen<br />
herantasten. Der Mut des BVerfG ist beachtlich,<br />
weil es neue Entwicklungen aufn<strong>im</strong>mt und einerseits<br />
neue Grundrechte schafft (informationelle<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mung und Integrität informationstechnischer<br />
Systeme) und andererseits auch die Weichenstellungen<br />
des klassischen Gesetzgebers akzeptiert<br />
und konsequent fortsetzt. Dem BGH überlässt<br />
das BVerfG regelmäßig die Einzelfallregelungen,<br />
die es dann bei Gelegenheit einer eigenen<br />
Gesamtbetrachtung unterwirft. Die angesprochenen<br />
Entscheidungen zeigen, dass sich beide<br />
obersten Gerichte um realistische Lösungen bemühen.<br />
Beendet wurde jedenfalls die Diskussion<br />
um die Anwendung des § 100a StPO (TKÜ) auf<br />
die E-Mail-Beschlagnahme 152 .<br />
152 So noch LG Hamburg, Beschluss vom<br />
08.01.2008 - 619 Qs 1/08