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Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder

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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 59<br />

Die Strafprozessordnung stammt aus 1877 und ist<br />

jetzt mehr als 130 Jahre alt. Ihre Grundstruktur<br />

und Gliederung ist noch <strong>im</strong>mer dieselbe, wenn<br />

auch viele neue Bereiche eingeführt wurden, die<br />

der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung<br />

geschuldet sind. Sie gehört zu den klassischen<br />

Bollwerken des Rechts, zu denen auch das<br />

Strafgesetzbuch, das Bürgerliche und Handelsgesetzbuch,<br />

die Zivilprozessordnung und nicht zuletzt<br />

das Gerichtsverfassungsgesetz gehören. Alle<br />

übrigen Gesetzeswerke dürften jünger sein (vielleicht<br />

abgesehen vom Höferecht und anderen kleineren<br />

Exoten).<br />

Sie ist kaiserlich und wilhelminisch geprägt. Sie<br />

weist den Polizeistaat in Grenzen, indem sie mit<br />

der Staatsanwaltschaft eine quasi-gerichtliche Behörde<br />

schafft, die eine Sch<strong>im</strong>äre aus Verwaltungsbehörde<br />

und Gericht und gleichzeitig Vollstreckungsbehörde<br />

ist. Andere Rechtsordnungen haben<br />

diese Trennung nachhaltiger vollzogen, indem<br />

sie einen Ermittlungsrichter eingeführt (Frankreich)<br />

oder die Ermittlungskompetenz des Staatsanwalts<br />

begrenzt haben (Österreich). Ob sie damit<br />

mehr Rechtsstaat geschaffen haben, wage ich zu<br />

bezweifeln.<br />

Für das Verständnis von den staatsanwaltschaftlichen<br />

und (ihnen folgend: polizeilichen) Eingriffsmaßnahmen<br />

ist diese geschichtliche D<strong>im</strong>ension<br />

hingegen wichtig: Dem klassischen Gesetzgeber<br />

ging es um die Schaffung eines Rechts, das <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit der Kr<strong>im</strong>inalität Rechtssicherheit<br />

schafft. Sie ist jedoch nicht allein durch die<br />

Verfolgung von Straftätern zu schaffen, sondern<br />

muss auch in das Vorfeld greifen.<br />

Die meisten der hier aufgeführten Vorschriften<br />

sind bereits in der Urfassung der StPO enthalten<br />

gewesen und spiegeln ihre Ausrichtung wider. Sie<br />

kennzeichnen noch eine Gemengelage von polizeilichen<br />

Erkundigungen und gradliniger Strafverfolgung.<br />

Diese Ausrichtung hat der aktuelle Gesetzgeber<br />

nicht ernsthaft in Frage gestellt. Er hat klarere Vorstellungen<br />

davon, was Polizei- und was Strafverfahrensrecht<br />

ist, und hat das Ermittlungsrecht mit<br />

Das Tatbestandsmerkmal "best<strong>im</strong>mte Tatsachen" in<br />

§ 100a Satz 2 StPO erfordert, dass die<br />

Verdachtsgründe über vage Anhaltspunkte und<br />

bloße Vermutungen hinausreichen müssen. Bloßes<br />

Gerede, nicht überprüfte Gerüchte und<br />

Vermutungen reichen nicht. Erforderlich ist, dass<br />

auf Grund der Lebenserfahrung oder der<br />

kr<strong>im</strong>inalistischen Erfahrung fallbezogen aus<br />

Zeugenaussagen, Observationen oder anderen<br />

sachlichen Beweisanzeichen auf die Eigenschaft<br />

als Nachrichtenmittler geschlossen werden kann.<br />

BVerfG, Beschluss vom 30.04.2007 - 2 BvR<br />

2151/06<br />

Einzelregeln angereichert, die auf qualifizierte Verdachtsstufen<br />

aufbauen. Den arrondierenden Bereich<br />

zwischen beiden (man nennt das heute<br />

Schnittstelle) hat er jedoch unangetastet gelassen.<br />

Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist klaren<br />

Schranken unterworfen. Gegen konkret bevorstehende<br />

Straftaten von Bedeutung muss die<br />

Staatsanwaltschaft einschreiten, sobald sie von ihnen<br />

Kenntnis erlangt. Das gilt besonders dann,<br />

wenn das Leben, die Gesundheit oder andere<br />

wichtige Rechte der Betroffenen gefährdet sind.<br />

Problematisch sind die Grenzfälle, in denen zum<br />

Beispiel nach Serientätern gefahndet wird und<br />

sich die Frage stellt, ob sie bei einer Tat festgenommen<br />

oder nur beobachtet werden sollen, um<br />

ihre Mittäter, Hehler oder Beutelager zu identifizieren.<br />

Dabei sind die Schwere der Tat und die zu<br />

befürchtenden Verletzungen von Freiheitsrechten<br />

zu berücksichtigen.<br />

Drohen Gefahr für Leib oder Leben oder für erhebliche<br />

Vermögenswerte, dann kann sich das Ermessen<br />

auf "Null" reduzieren.<br />

Anders sieht das aus bei von der Polizei beobachteten<br />

Kurierfahrten <strong>im</strong> Zusammenhang mit Betäubungsmitteln<br />

oder Waffen, bei der ("ungefährlichen")<br />

Schleusung von Ausländern oder bei dem<br />

kontrollierten Abtransport von Diebstahlsbeute.<br />

Droht deren Verlust, zum Beispiel bei einem<br />

Grenzübertritt, so ist in aller Regel der Zugriff erforderlich.

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