Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 65<br />
tungsstörungen 293 können sich ihre Erinnerungsbilder<br />
verzerren, so dass sie nicht in der Lage<br />
sind, die räumliche und zeitliche Abfolge ihrer Erinnerungen<br />
zu differenzieren. Dafür tragen sie keine<br />
Schuld, sondern ihre Krankheit ist dafür verantwortlich.<br />
Die Würdigung ihrer Aussagen kann nur<br />
mit Bedacht und unter Abgleich mit anderen Spuren<br />
und Fakten mit der für eine Verurteilung gebotenen<br />
Sicherheit erfolgen 294 . Hinzu kommt, dass<br />
PTB-Opfer nicht allein deshalb die besseren Menschen<br />
sind: Sie können auch lügen 295 .<br />
A.5.3 Kategorisierung des Geltungsgrades<br />
Die Bewertung der Geltung von Erfahrungssätzen<br />
und von Beweisen beruht auf Erfahrungswissen<br />
und entzieht sich einer strengen, quasi naturwissenschaftlichen<br />
Skalierung. Mit gehörigen Vorbehalten<br />
lassen sich grobe Kriterien als Qualitätsmaßstab<br />
und Stufung entwickeln.<br />
Die hier vorgestellte Skalierung soll Anhaltspunkte<br />
für die Qualität von Beweismitteln und Erfahrungen<br />
liefern. Ihre Eignung muss sie erst noch beweisen.<br />
Ich gehe von einer fünfstufigen Skala aus (siehe<br />
Kasten oben), deren höchste Stufe mit der Ziffer 5<br />
einer naturgesetzlichen Gewissheit gleicht.<br />
Die Geltung mit der Stufe 4 ist ebenfalls eine gesicherte<br />
Erkenntnis, für die jedoch entweder Ausnahmen<br />
bekannt oder jedenfalls denkbar sind. Sie<br />
muss <strong>im</strong> Hinblick auf ihre Ausnahmen geprüft werden,<br />
wobei ein Maßstab zu verlangen ist, der sich<br />
nicht mit allen Verästelungen befassen muss. Ein<br />
Beispiel dafür ist die Beweisführung mit DNA-<br />
Merkmalen nach Maßgabe der jüngsten Rechtsprechung<br />
(siehe oben).<br />
Die Stufe 3 kennzeichnet eine überwiegende<br />
Wahrscheinlichkeit. Sie verlangt nach einer<br />
293 CF, Posttraumatische Belastungsstörung,<br />
20.02.2009<br />
294 Zu den Anforderungen an ein<br />
"aussagepsychologisches Gutachten": BGH,<br />
Urteil vom 30.07.1999 - 1 StR 618/98.<br />
295 Siehe auch: CF, Beweisführung, 31.01.2011,<br />
genauen Betrachtung der Umstände <strong>im</strong> Einzelfall<br />
und nach einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung<br />
dieser Umstände.<br />
Für die gerichtliche Überzeugungsbildung ist<br />
anerkannt, dass es solche Feststellungen treffen<br />
darf, die keinen vernünftigen Zweifeln unterliegen<br />
296 . In ständiger Rechtsprechung sind dazu Grundsätze<br />
entwickelt worden, die der BGH 2004 erneut<br />
zusammen gefasst hat 297 . Diese Art der Auseinandersetzung<br />
ist die, die ich in Bezug auf die Stufen<br />
3 und 4 meine, wobei mit dem BGH schließlich<br />
auch keine überzogenen Anforderungen an die<br />
Gewissheit gestellt werden dürfen.<br />
Untermauerte Erfahrungswerte sehe ich in der<br />
Stufe 2 angesiedelt. Sie verlangen <strong>im</strong>mer nach einer<br />
Bestätigung <strong>im</strong> Einzelfall, also nach begleitenden<br />
Beweisen, die sich gegenseitig bestätigen<br />
und keine Widersprüche zueinander aufweisen.<br />
Der Wert solcher Erfahrungswerte ist vergleichbar<br />
dem, der für die Aussagen eines Zeugen vom Hörensagen<br />
gilt.<br />
Einfache Erfahrungswerte, die ich in der Stufe 1<br />
ansiedele, können nur eine bestätigende Bedeutung<br />
haben oder als Hilfsargument verwendet werden.<br />
Sie haben eine nur schwache Bedeutung.<br />
A.5.4 Bewertung von Beweisen und<br />
Erfahrungssätzen<br />
Eine schematische und sklavische Bewertung in<br />
der hier vorgeschlagenen Art birgt die Gefahr eines<br />
scheinobjektiven und pseudowissenschaftlichen<br />
Herangehens, weil sie ein subjektiver Vorgang<br />
ist und bleibt und besonders stark von dem<br />
Erfahrungs- und Wissenshorizont des Bewertenden<br />
abhängt.<br />
Die Geltungsskala ist bewusst so grob gestrickt,<br />
dass sie zu den von der Rechtsprechung in Einzelfällen<br />
entwickelten Grundsätzen zur Beweiswürdigung<br />
passt. Sie dient zur kritischen Reflexion<br />
in der Ermittlungspraxis, wenn man sie auf allge-<br />
296 BGH, Urteil vom 15. 11. 2001 - 1 StR 185/01, Rn.<br />
78<br />
297 BGH, Urteil vom 14.09.2004 - 1 StR 180/04