Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 38<br />
3.2.2 Überwachung der Telekommunikation<br />
§ 100a StPO ist die zentrale Vorschrift <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit den technischen Überwachungsmaßnahmen<br />
- TKÜ. Sie lässt in Fällen der schweren<br />
Kr<strong>im</strong>inalität aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses<br />
die inhaltliche Überwachung der Telekommunikation<br />
zu 180 , wobei besondere Anforderungen<br />
an die Verhältnismäßigkeit (§ 100a Abs. 1<br />
Nr. 3 StPO) und an die Form der Entscheidung<br />
gestellt werden (Schriftform, Begründung; § 100b<br />
Abs. 2 StPO). Der Straftatenkatalog in § 100a<br />
Abs. 2 StPO best<strong>im</strong>mt die einschlägigen Straftaten<br />
abschließend. Die Staatsanwaltschaft ist zur<br />
Anordnung bei Gefahr in Verzug berechtigt (§100b<br />
Abs. 1 StPO). Ihre Entscheidung bedarf der gerichtlichen<br />
Bestätigung binnen drei Werktage.<br />
Aufgrund der Ermächtigung in § 110 Abs. 2 TKG<br />
sind die Einzelheiten über die Art und Weise der<br />
Überwachungsmaßnahmen in der TKÜV ausgestaltet<br />
worden. Die heutige Fassung der TKÜ-Vorschriften<br />
sind das Resultat vielfacher Überprüfungen<br />
durch das BVerfG und den BGH, so dass sie<br />
als verfassungsrechtlich abgesichert gelten können.<br />
Die Telekommunikation wird von § 3 Nr. 22 TKG<br />
als der technische Vorgang des Aussendens,<br />
Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels<br />
Telekommunikationsanlagen definiert. Das<br />
BVerfG legt seiner Definition einen breiteren Ansatz<br />
zugrunde 181 und betrachtet die gesamte Strecke<br />
von Endgerät zu Endgerät über alle beteiligten<br />
Netzknoten (Zugangsprovider, Verbindungsnetze<br />
und Anschlussnetze) als Bestandteile des Telekommunikationsvorganges<br />
182 , jede Art von Endgerät<br />
183 , Sprache, Daten und Steuersignale sowie<br />
die äußeren Umstände der Telekommunikation<br />
(Verkehrsdaten 184 ). Deshalb sind die Vorschriften<br />
180 2.1 Telekommunikationsgehe<strong>im</strong>nis<br />
181 2.1 Telekommunikationsgehe<strong>im</strong>nis<br />
182 BVerfG, Beschluss vom 13.11.2010 - 2 BvR<br />
1124/10, Rn 13<br />
183 BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07,<br />
595/07, Rn 194<br />
184 3.1.4 Verkehrsdaten und Funkzellendaten<br />
der §§ 100a, 100b StPO nicht nur auf Telefongespräche,<br />
sondern auch auf die gleichzeitige Bildübertragung<br />
und auf jede Form des Datenverkehrs<br />
anwendbar 185 . Dabei ist es gleichgültig, an<br />
welcher Stelle der Überwachungsvorgang stattfindet,<br />
ob be<strong>im</strong> Zugangsprovider, an einem der Kommunikation<br />
dienenden Server oder wegen der <strong>Internet</strong>-Telefonie<br />
vor der Verschlüsselung am Endgerät.<br />
Eine besondere Form der TKÜ ist die Auslandskopfüberwachung<br />
186 , deren Einzelheiten in der<br />
TKÜV angesprochen werden. Sie ist sehr aufwändig,<br />
verlangt nach einer ausdrücklichen Anordnung<br />
durch Gerichtsbeschluss und muss von allen<br />
gängigen Anschluss- und Verbindungsnetzbetreibern<br />
gleichzeitig durchgeführt werden. Drei Anwendungsfälle<br />
werden von ihr umfasst:<br />
� Ein Mobiltelefon von einem ausländischen Zugangsprovider<br />
befindet sich <strong>im</strong> Inland und<br />
n<strong>im</strong>mt am Roaming teil 187 .<br />
� Ein überwachter Anschluss <strong>im</strong> Ausland n<strong>im</strong>mt<br />
Kontakt zu einem Anschluss <strong>im</strong> Inland auf (§ 4<br />
Abs. 1 TKÜV). Insoweit besteht Streit. Die TKÜV<br />
spricht davon, dass der ausländische Anruf an<br />
ein inländisches Endgerät um- oder weitergeleitet<br />
wird, und in einer Äußerung der Bundesregierung<br />
wird dieser Anwendungsfall von der<br />
Auslandskopfüberwachung ausgeschlossen 188<br />
und der Rechtshilfe unterworfen. Die Wortlaute<br />
der einschlägigen Vorschriften schließen ihn<br />
hingegen nicht aus, weil es eigentlich gleichgültig<br />
ist, ob der überwachte Anruf in das Ausland<br />
gerichtet ist oder aus ihm kommt.<br />
185 Das gilt auch für die Anbindungen per DSL. Es<br />
handelt sich qualitativ um Kommunikationsdaten,<br />
für deren Transport ein besonderes Protokoll verwendet<br />
wird. Der verpflichtete Zugangsprovider<br />
muss deshalb <strong>im</strong> Beschluss nach § 100a StPO<br />
zur Herauslösung des DSL-Stromes aufgefordert<br />
werden.<br />
186 CF, Auslandskopfüberwachung, 15.01.2011<br />
187 CF, Roaming, 23.08.2008<br />
188 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine<br />
Anfrage der Abgeordneten Rainer Funke, Rainer<br />
Brüderle … vom 04.04.2005 – BT-Drs. 15/1591,<br />
S. 6.