Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder

Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, S. 40
3.2.3 IMSI-Catcher
Der gerichtlich angeordnete Einsatz eines IMSI-
Catchers gemäß § 100i StPO wird vom BVerfG als
zulässige Ermittlungsmaßnahme anerkannt 196 .
Das technisch aufwändige Verfahren ersetzt eine
Funkzelle und verhält sich wie ein Turm für die
Mobiltelefonie. Dadurch können alle mobilen Endgeräte
in dem Segment ausgemessen werden,
um bislang unbekannte Mobilgeräte des Täters zu
erkennen. Damit lassen sich auch mobile Internetzugänge
erkennen, wenn sie sich selbständiger
Zugangstechniken (UMTS und andere Mobilfunk-
Protokolle) bedienen. Missbräuchliche Zugänge
per WLAN 197 lassen sich damit nicht erkennen.
IMSI-Catcher dienen vor Allem der Vorbereitung
einer TKÜ 198 . Sie dürfen aber bereits wegen der
erheblichen Kriminalität eingesetzt werden, um
etwa serienmäßig handelnde Betrüger zu lokalisieren
199 . Die Staatsanwaltschaft ist zur Anordnung
bei Gefahr in Verzug befugt (§ 100i Abs. 3 StPO),
ihre Entscheidung muss binnen drei Werktage
vom Gericht bestätigt werden.
3.2.4 Serverüberwachung
Während der Zugriff auf gespeicherte Dateien
beim Hostprovider ein Fall der Beschlagnahme ist
200 , geht die laufende Überwachung der Kommunikation
auf einem Web- oder Mailserver bei einem
Provider erheblich weiter, so dass es eines Gerichtsbeschlusses
unter den Voraussetzungen des
§ 100a StPO bedarf. Es gelten die genannten
196 BVerfG, Beschluss vom 22.08.2006 - 2 BvR
1345/03
197 CF, Wardriving: Eindringen in lokale Funknetze,
2007
198 3.2.2 Überwachung der Telekommunikation
199 Der wichtige Anwendungsfall des Stalkings (§ 238
StGB) gehört nur dann der erheblichen Kriminalität
an, wenn dadurch Leute in die Gefahr des Todes
oder einer schweren Gesundheitsschädigung
geraten (§ 238 Abs. 2 StGB).
200 3.1.9 Beschlagnahme von Dateien beim
Hostprovider
Anforderungen 201 .
3.2.5 Quellen-TKÜ
Die Quellen-TKÜ ist eine besondere Form der
Überwachung der Telekommunikation gemäß §
100a StPO 202 , die neben den strengen förmlichen
Voraussetzungen auch technisch sehr aufwändig
ist, weil sie genaue Kenntnisse über die Hardware
und die Software im Computer der Zielperson verlangt.
Sie setzt eine Infiltration des Zielgerätes mit
einer Remote Forensic Software 203 voraus, die die
Polizei in die Lage versetzt, die Kommunikationsdaten
vor der Verschlüsselung bei der Internettelefonie
abzugreifen (Voice over IP – VoIP, zum Beispiel
beim Einsatz von Skype).
Die technischen Anwendungsvoraussetzungen
sind grundsätzlich dieselben, die auch bei der Onlinedurchsuchung
zum Einsatz kommen würden
204 .
Das BVerfG sieht die Quellen-TKÜ wegen ihrer
Nähe zur Onlinedurchsuchung problematisch 205 :
Wird ein komplexes informationstechnisches System
zum Zweck der Telekomunikationsüberwachung
technisch infiltriert („Quellen-Telekommu-nikationsüberwachung“),
so ist mit der Infiltration die
entscheidende Hürde genommen, um das System
insgesamt auszuspähen. Die dadurch bedingte
Gefährdung geht weit über die hinaus, die mit einer
bloßen Überwachung der laufenden Telekommunikation
verbunden ist. Insbesondere können
auch die auf dem Personalcomputer abgelegten
Daten zur Kenntnis genommen werden, die keinen
Bezug zu einer telekommunikativen Nutzung
des Systems aufweisen. Erfasst werden können
beispielsweise das Verhalten bei der Bedienung
eines Personalcomputers für eigene Zwecke, die
201 3.2.2 Überwachung der Telekommunikation
202 3.2.2 Überwachung der Telekommunikation
203 CF, Online-Zugriff an der Quelle, 08.11.2008
204 Zur Abgrenzung siehe: 3.2 technische Mittel
205 BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07,
595/07 (Onlinedurchsuchung), Rn 188, 189.