Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 63<br />
Für die Feststellung von inneren Tatsachen genügt<br />
nämlich, dass ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes<br />
Maß an Sicherheit besteht, an dem vernünftige<br />
Zweifel nicht aufkommen können. Außer<br />
Betracht zu bleiben haben solche Zweifel, die keinen<br />
realen Anknüpfungspunkt haben, sondern sich<br />
auf die Annahme einer bloß abstrakt-theoretischen<br />
Möglichkeit gründen …<br />
BGH, Urteil vom 15. 11. 2001 - 1 StR 185/01, Rn.<br />
78<br />
A.5.1 Geltung<br />
Die Bewertung von einzelnen Tatsachen orientiert<br />
sich zunächst an ihrem individuellen Aussagewert.<br />
So sagen Funkzellendaten zunächst nichts anderes<br />
aus, als dass sich die SIM-Karte mit der betreffenden<br />
Anschlusskennung zu einem best<strong>im</strong>mten<br />
Zeitpunkt irgendwo in dieser Funkzelle befunden<br />
hat. Sie sagen nichts darüber aus, wer das<br />
Mobiltelefon getragen hat, und lassen offen, ob es<br />
die Anschlusskennung noch ein weiteres Mal gibt.<br />
Die Frage nach der mehrfachen Anschlusskennung<br />
lässt sich verhältnismäßig einfach klären.<br />
Die IMSI ist einmalig und wenn sie mehrfach vorkommen<br />
sollte (es gibt selten mehrere Karten, die<br />
gleichzeitig angesprochen werden), dann lassen<br />
sich die weiteren Umstände recht einfach klären.<br />
Komplizierter ist die Frage danach, wer das betreffende<br />
Handy getragen hat. Hat derselbe Mensch<br />
das Telefon erfahrungsgemäß <strong>im</strong>mer selber genutzt,<br />
dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass es<br />
<strong>im</strong> entscheidenden Fall ein Anderer war. Dasselbe<br />
gilt, wenn <strong>im</strong> Zusammenhang mit gleichartigen<br />
Straftaten <strong>im</strong>mer wieder dieselbe Anschluss- oder<br />
Zielnummer auftaucht. Das rechtfertigt die Annahme,<br />
dass dieselben Personen auftreten, die jedoch<br />
ständig kritisch überprüft werden muss.<br />
Die grundsätzlich offene Frage danach, wer mit<br />
Funkzellendaten in Verbindung gebracht werden<br />
kann, lässt sich also nur bei der Betrachtung der<br />
Rahmenbedingungen klären - oder auch nicht.<br />
Ich habe mir angewöhnt, die Frage nach der Aussagebedeutung<br />
von Tatsachen als Geltung zu bezeichnen.<br />
Damit gibt es eine Geltung, die der Tatsache<br />
selbst innewohnt, und eine höhere Geltung, die<br />
sie <strong>im</strong> Zusammenspiel mit anderen Tatsachen erlangt,<br />
die sie bestätigen. Umgekehrt können diese<br />
anderen Tatsachen ihre Geltung auch wieder entkräften.<br />
Der Sinn dieser Betrachtung ist ein ganz einfacher:<br />
Die Suche nach der "Wahrheit" ist ein Prozess<br />
288 , der zunächst nach Fakten fragt, die<br />
wegen ihrer Aussage <strong>im</strong> Einzelnen und dann in<br />
der Gesamtschau bewertet werden müssen. Die<br />
Erkennung einer "absoluten Wahrheit" ist nur bei<br />
ganz einfachen Sachverhalten möglich. Der<br />
Vorgang, "Apfel fällt vom Baum", ist die Wirkung<br />
eines Naturgesetzes. Der nähere Grund dafür -<br />
Reife, Wurmstichigkeit oder äußere Beeinflussung<br />
- ist eine Frage, die anhand weiterer Tatsachen<br />
geklärt werden muss. Wenn die Zeit der<br />
Apfelernte ist und auch andere Äpfel vom Baum<br />
fallen, zudem der betrachtete Apfel keine äußeren<br />
Verletzungen und <strong>im</strong> Innern keine Würmer hat,<br />
dann dürfte seine Reife als Grund für seine<br />
Lösung vom Baum feststehen.<br />
Alle weniger einfachen Sachverhalte verlangen<br />
danach, dass alternative Ursachen nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten<br />
ausgeschlossen<br />
werden. Der deus ex machina der griechischen<br />
Tragödie, esoterische Fernwirkungen oder geisterhafte<br />
Protagonisten haben dabei keinen Platz.<br />
288 Siehe auch: BGH, Beschluss vom 18.01.2011 – 1<br />
StR 663/10, Rn 22.