Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, S. 42 3.2.7 Quellen-Zugriff auf nicht kommunikative Aktivitäten Die heimliche Überwachung der laufenden, nichtkommunikativen Aktivitäten in informationstechnischen Systemen aus der Ferne ist ein weiterer Anwendungsfall der Onlinedurchsuchung und als Eingriffsmaßnahme im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht zugelassen 215 . 3.2.8 Spyware Der gezielte Einsatz von Spyware (Keylogger, Remote Forensic Software) gegen eine unbestimmte Gruppe von Verdächtigen oder gegen einzelne Beschuldigte muss sich am Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 216 orientieren. Die StPO kennt keine Ermächtigungsgrundlage, die ausdrücklich dieses Grundrecht einschränkt. Entsprechende Maßnahmen sind also nicht erlaubt. Bei einer nur geringfügigen Beeinträchtigung des Grundrechts könnten klassische Eingriffsbefugnisse durchgreifen, wie es das BVerfG wegen der Beschlagnahme auf Servern 217 und bei der Beschlagnahme von E-Mails ausgeführt hat 218 . Ein solcher flacher Grundrechtseingriff wird wegen der E-Mail-Bestätigungsdienste 219 als technische Observationshilfe im Sinne von § 100h StPO diskutiert. Über deren Reichweite und die der Rasterfahndung (§§ 98a, 98b StPO) auf Ermittlungen mit Internet-Bezug gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse und Meinungen. 215 Siehe: 3.2 technische Mittel. 3.2.6 Onlinedurchsuchung. 216 2.3 Integrität informationstechnischer Systeme 217 3.1.9 Beschlagnahme von Dateien beim Hostprovider 218 3.1.8 Beschlagnahme von E-Mails 219 3.2.1 technische Observationshilfen
Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, S. 43 3.3 personale Ermittlungen In seinem Urteil zur Onlinedurchsuchung hat das BVerfG 220 den Schutz vor technischen Eingriffen des Staates in den Vordergrund gestellt und dazu das neue Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 221 formuliert. Dem stellt es die nicht beachtliche Enttäuschung des personengebundenen Vertrauens in den Kommunikationspartner“ gegenüber. Für einfache Ermittlungshandlungen der Strafverfolgung im Internet spricht das BVerfG deutliche Worte und sieht durch sie keine Grundrechte verletzt. Das gilt für � die Kenntnisnahme aller öffentlich zugänglichen Informationen , � die Recherche in allgemein zugänglichen Informations- und Kommunikationsdiensten, die sich zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten Personenkreis richten , � die Verwendung einer einfachen Legende (Fake Account) und � auch für die legendierte Kommunikation über einen längeren Zeitraum . Für diese diese einfachen Ermittlungshandlungen reicht deshalb im Anschluss an die ältere Entscheidung des BVerfG zur Bestandsdatenauskunft 222 die Ermittlungsgeneralklausel 223 als Eingriffser- mächtigung aus. Die Grenze zieht das BVerfG, wenn die staatliche Stelle bei der Kommunikation ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Identität und die Motivation des Kommunikationspartners ausnutzt, um persönliche Daten zu erheben, die sie ansonsten nicht erhalten würde . Das ist der Fall, wenn das Verfahrensrecht besondere persönliche Schutzvorrichtungen vorsieht. Als Beispiele dafür sollen an dieser Stelle die besonderen Belehrungspflichten zugunsten des 220 BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07 221 2.3 Integrität informationstechnischer Systeme 222 BVerfG, Beschluss vom 13.11.2010 - 2 BvR 1124/10 223 1. Internet und Strafverfahrensrecht Beschuldigten (§§ 136, 136a StPO) und das Recht auf ein faires Verfahren genügen. Sie greifen besonders dann, wenn nicht nur ein Anfangsverdacht wegen einer Straftat besteht (§ 152 Abs. 2 StPO), sondern über den Kreis von Verdächtigen hinaus konkrete Anhaltspunkte auf bestimmte Beschuldigte bestehen, ohne dass sie bereits namentlich identifiziert sind. Nach den vom BGH entwickelten Grenzen der kriminalistischen List sind die Strafverfolgungsbeamten nicht gehalten, jeden Irrtum des Verdächtigen aufzuklären 224 : Die bloße Ausnutzung eines bestehenden Irrtums kann einer Täuschung allenfalls dort gleichgestellt werden, wo der Irrtum des Betroffenen im Vertrauen auf eine in Wirklichkeit nicht bestehende Sachlage gründet und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Die Betrachtungen des BVerfG zur Nutzung getarnter Adressen und Identitäten (Zugangskonten und Kommunikation) betreffen nur einfache Legenden, also Täuschungen, unter denen die Tatsache verschwiegen wird, der Polizei anzugehören, und über den eigenen Namen zu täuschen. Zwischen ihnen und der Legende eines Verdeckten Ermittlers, die eine auf Dauer angelegte, veränderte Identität ist (§ 110a Abs. 2 StPO) und auf entsprechende Urkunden gestützt werden darf (§ 110a Abs. 3 StPO), ist ein weites Feld. Für die vom BVerfG bezeichneten Kommunikationsbeziehungen im Internet, für die die einfache Täuschung reicht und die keine überprüfbaren Legenden über Herkunft, Ausbildung und Vorleben bedürfen, gibt die Ermittlungsgeneralklausel die hinreichende Grundlage. Das gilt zum Beispiel für die, auch längerfristige, Teilnahme in Sozialen Netzwerken, wobei nicht mehr an Täuschung nötig ist als die Nutzung des Szenejargons und passender Wortmeldungen. Cardingboards und andere geschlossene Benut- 224 BGH, Urteil vom 08.10.1993 - 2 StR 400/93, Rn 28, mwN und Auseinandersetzungen mit anderen BGH-Entscheidungen. Siehe auch: Karl-Bruno Kaefer, Vernehmung des Beschuldigten, Kriminalistik 6/99, 423 (424).
Seite 1 und 2: Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im
Seite 41: Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im
Seite 69: Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im

Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

Template löschen?

Als Template speichern?