Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 43<br />
3.3 personale <strong>Ermittlungen</strong><br />
In seinem Urteil zur Onlinedurchsuchung hat das<br />
BVerfG 220 den Schutz vor technischen Eingriffen<br />
des Staates in den Vordergrund gestellt und dazu<br />
das neue Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit<br />
und Integrität informationstechnischer<br />
Systeme 221 formuliert. Dem stellt es die nicht beachtliche<br />
Enttäuschung des personengebundenen<br />
Vertrauens in den Kommunikationspartner“ gegenüber. Für einfache Ermittlungshandlungen<br />
der Strafverfolgung <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> spricht das<br />
BVerfG deutliche Worte und sieht durch sie keine<br />
Grundrechte verletzt. Das gilt für<br />
� die Kenntnisnahme aller öffentlich zugänglichen<br />
Informationen ,<br />
� die Recherche in allgemein zugänglichen Informations-<br />
und Kommunikationsdiensten, die sich<br />
zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten<br />
Personenkreis richten ,<br />
� die Verwendung einer einfachen Legende (Fake<br />
Account) und<br />
� auch für die legendierte Kommunikation über<br />
einen längeren Zeitraum .<br />
Für diese diese einfachen Ermittlungshandlungen<br />
reicht deshalb <strong>im</strong> Anschluss an die ältere Entscheidung<br />
des BVerfG zur Bestandsdatenauskunft<br />
222 die Ermittlungsgeneralklausel 223 als Eingriffser-<br />
mächtigung aus.<br />
Die Grenze zieht das BVerfG, wenn die staatliche<br />
Stelle bei der Kommunikation ein schutzwürdiges<br />
Vertrauen des Betroffenen in die Identität und die<br />
Motivation des Kommunikationspartners ausnutzt,<br />
um persönliche Daten zu erheben, die sie<br />
ansonsten nicht erhalten würde .<br />
Das ist der Fall, wenn das Verfahrensrecht besondere<br />
persönliche Schutzvorrichtungen vorsieht.<br />
Als Beispiele dafür sollen an dieser Stelle die<br />
besonderen Belehrungspflichten zugunsten des<br />
220 BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07,<br />
595/07<br />
221 2.3 Integrität informationstechnischer Systeme<br />
222 BVerfG, Beschluss vom 13.11.2010 - 2 BvR<br />
1124/10<br />
223 1. <strong>Internet</strong> und Strafverfahrensrecht<br />
Beschuldigten (§§ 136, 136a StPO) und das<br />
Recht auf ein faires Verfahren genügen. Sie<br />
greifen besonders dann, wenn nicht nur ein<br />
Anfangsverdacht wegen einer Straftat besteht (§<br />
152 Abs. 2 StPO), sondern über den Kreis von<br />
Verdächtigen hinaus konkrete Anhaltspunkte auf<br />
best<strong>im</strong>mte Beschuldigte bestehen, ohne dass sie<br />
bereits namentlich identifiziert sind.<br />
Nach den vom BGH entwickelten Grenzen der kr<strong>im</strong>inalistischen<br />
List sind die Strafverfolgungsbeamten<br />
nicht gehalten, jeden Irrtum des Verdächtigen<br />
aufzuklären 224 : Die bloße Ausnutzung eines<br />
bestehenden Irrtums kann einer Täuschung allenfalls<br />
dort gleichgestellt werden, wo der Irrtum des<br />
Betroffenen <strong>im</strong> Vertrauen auf eine in Wirklichkeit<br />
nicht bestehende Sachlage gründet und dieses<br />
Vertrauen schutzwürdig ist.<br />
Die Betrachtungen des BVerfG zur Nutzung getarnter<br />
Adressen und Identitäten (Zugangskonten<br />
und Kommunikation) betreffen nur einfache Legenden,<br />
also Täuschungen, unter denen die Tatsache<br />
verschwiegen wird, der Polizei anzugehören,<br />
und über den eigenen Namen zu täuschen.<br />
Zwischen ihnen und der Legende eines <strong>Verdeckte</strong>n<br />
Ermittlers, die eine auf Dauer angelegte, veränderte<br />
Identität ist (§ 110a Abs. 2 StPO) und auf<br />
entsprechende Urkunden gestützt werden darf (§<br />
110a Abs. 3 StPO), ist ein weites Feld.<br />
Für die vom BVerfG bezeichneten Kommunikationsbeziehungen<br />
<strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, für die die einfache<br />
Täuschung reicht und die keine überprüfbaren Legenden<br />
über Herkunft, Ausbildung und Vorleben<br />
bedürfen, gibt die Ermittlungsgeneralklausel die<br />
hinreichende Grundlage. Das gilt zum Beispiel für<br />
die, auch längerfristige, Teilnahme in Sozialen<br />
Netzwerken, wobei nicht mehr an Täuschung nötig<br />
ist als die Nutzung des Szenejargons und passender<br />
Wortmeldungen.<br />
Cardingboards und andere geschlossene Benut-<br />
224 BGH, Urteil vom 08.10.1993 - 2 StR 400/93, Rn<br />
28, mwN und Auseinandersetzungen mit anderen<br />
BGH-Entscheidungen.<br />
Siehe auch: Karl-Bruno Kaefer, Vernehmung des<br />
Beschuldigten, Kr<strong>im</strong>inalistik 6/99, 423 (424).