Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet - Cyberfahnder
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<strong>Kochhe<strong>im</strong></strong>, <strong>Verdeckte</strong> <strong>Ermittlungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, S. 58<br />
A.4.3 beobachtete Erscheinungsformen<br />
Durch Verwaltungsvorschriften (MiZi, MiStra 285 )<br />
sind Gerichte, Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden<br />
zur gegenseitigen Unterrichtung in best<strong>im</strong>mten<br />
Fällen verpflichtet. Das gilt zum Beispiel<br />
wegen der Eidesstattlichen Versicherungen über<br />
die Vermögenslosigkeit von Privatpersonen und<br />
Firmen sowie über die Eröffnung von Insolvenzverfahren.<br />
In diesen Fällen prüft die Staatsanwaltschaft,<br />
ob ein Anfangsverdacht wegen Betrug (§<br />
263 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Bankrott (§ 283<br />
StGB) oder Verletzung der Insolvenzantragspflicht<br />
(§ 15a InsO) besteht, indem sie die gerichtlichen<br />
Vorgänge einsieht oder z.B. den Insolvenzverwalter<br />
wegen der Insolvenzgründe und den Zeitpunkt<br />
der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit befragt.<br />
Dabei prüft sie auch, ob die Vorschriften<br />
über die Buchhaltung und die Termine für die Aufstellung<br />
von Jahresabschlüssen eingehalten wurden<br />
(§ 242 HGB, §§ 41, 42a GmbHG).<br />
Ich rechne diese Prüfungsaufgaben den Vorermittlungen<br />
zu, weil sie anlassbezogen sind und der<br />
Anlass die tatsächlichen Anhaltspunkte für die<br />
Prüfung liefert.<br />
A.4.4 Initiativermittlungen<br />
Nr. 4.5 der Anlage E zu den RiStBV ermächtigt die<br />
Staatsanwaltschaft und die Polizei wegen der<br />
Organisierten Kr<strong>im</strong>inalität ausdrücklich zu <strong>Ermittlungen</strong>,<br />
um die Frage zu klären, ob ein Anfangsverdacht<br />
besteht. Dazu darf die Staatsanwaltschaft<br />
die <strong>Ermittlungen</strong> gegen Nebentäter zurückstellen,<br />
um zunächst die Haupttäter zu identifizieren<br />
und ihre Beteiligung zu klären. Dabei handelt<br />
es sich um Vorfeld- und Vorermittlungen.<br />
Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist eine<br />
typische Ausformulierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.<br />
Ihm liegt eine Güterabwägung<br />
zugrunde, die das Strafverfolgungsinteresse der<br />
Allgemeinheit nach qualitativen und quantitativen<br />
Gesichtspunkten trennt und der Ermittlungstiefe<br />
285 Mitteilungen in Zivilsachen – MiZi;<br />
Mitteilungen in Strafsachen – MiStra.<br />
den vorübergehenden Vorzug gibt. Daraus ist kein<br />
Verzicht auf Strafverfolgung abzuleiten, sondern<br />
die Anweisung, die besonders gefährlichen Strukturen<br />
<strong>im</strong> Umfeld der schwersten Kr<strong>im</strong>inalität aufzuklären.<br />
Dazu wird eine mildere Verfolgung der Nebentäter<br />
in Kauf genommen.<br />
Die ausdrückliche Benennung der Organisierten<br />
Kr<strong>im</strong>inalität bedeutet hingegen nicht, dass die Güterabwägung<br />
nicht auch für andere Kr<strong>im</strong>inalitätsbereiche<br />
gilt. Je nach der Schwere der Kr<strong>im</strong>inalität<br />
greifen auch dort die gleichen Grundsätze. Der<br />
populistische Merksatz, "die Kleinen bestraft<br />
man ...", gilt nach verfassungs- und strafverfahrensrechtlichen<br />
Grundsätzen eben nicht.<br />
A.4.5 Ermächtigung zu Vorermittlungen<br />
§ 160 Abs. 1 StPO verpflichtet die Staatsanwaltschaft<br />
zu <strong>Ermittlungen</strong>, sobald sie Kenntnis von einer<br />
Straftat erhält. Das heißt aber noch nicht, dass<br />
zu ihrer sicheren Überzeugung eine Straftat begangen<br />
wurde. In dieselbe Richtung geht § 160<br />
Abs. 2, 2. Halbsatz StPO, der die Staatsanwaltschaft<br />
zur Erhebung und Sicherung der Beweise<br />
verpflichtet, deren Verlust zu besorgen ist. Beide<br />
Vorschriften verlangen nach staatsanwaltschaftlichen<br />
Handlungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit Vorermittlungen.<br />
Dem schließt sich mit klaren Worten<br />
der § 163 StPO an. Er verpflichtet die Polizei zum<br />
ersten Zugriff. Sie hat Straftaten zu erforschen<br />
und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen<br />
zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu<br />
verhüten. § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gibt den hier interessierenden<br />
Auftrag: Bei Gefahr in Verzug<br />
muss die Polizei alle Anordnungen treffen, zu denen<br />
sie befugt ist.<br />
Diese Befugnisse richten sich nach dem Verdachtsgrad.<br />
Die Postbeschlagnahme darf sich nur<br />
gegen Beschuldigte richten (§ 99 StPO) und setzt<br />
voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine<br />
Straftat bestehen. Dasselbe gilt für andere gehe<strong>im</strong>e<br />
<strong>Ermittlungen</strong> (§ 101 Abs. 1 StPO), nicht aber<br />
zum Beispiel für die Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2<br />
StPO) und die Durchsuchung be<strong>im</strong> unbeteiligten<br />
Dritten (§ 103 StPO).