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Reichwald, Ralf / Piller, Frank

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization<br />

das’ vor allem durch den Rückgriff auf die vorhandene Leistenbibliothek bestimmt. Ein<br />

klassischer Schuhmacher würde für jeden Kunden einen eigenen Leisten modellieren<br />

– ein sehr teurer und abstimmungsintensiver Prozess. Adidas dagegen ordnet einfach<br />

die Maße eines Kunden dem best-passenden Leisten zu. Da die ‘mi adidas’-Schuhe<br />

aber auf Bestellung gefertigt werden und so kein Lagerhaltungsrisiko besteht, können<br />

deutlich mehr Leisten herangezogen werden als beim Größenspektrum einer<br />

Massenproduktion. Das Problem der Individualfertigung wird so zu einem reinen<br />

Informationsproblem: Adidas muss nur sicherstellen, dass in der Produktion jeder<br />

Mass-Customization-Schuh auch auf Basis des richtigen Leisten gefertigt wird und am<br />

Ende der richtigen individuellen Bestellung zugeordnet wird. Ansonsten unterscheidet<br />

sich die Produktion aber nicht von einem Massenprodukt.<br />

Kasten 4–2: Eigenschaften von Mass Customization<br />

(Quelle: Auszug aus dem Beitrag “Mass Customization – Die Wettbewerbsstrategie der Zukunft”<br />

von B. Joseph Pine, der als Begründer der Mass Customization gilt, in: <strong>Frank</strong> <strong>Piller</strong>:<br />

Kundenindividuelle Massenproduktion, München / Wien: Hanser 1998: 1-32)<br />

Mass Customization ist in erster Linie ein Managementsystem – ein Geschäftsmodell eines<br />

Unternehmens und dessen Umgang mit den Kunden, Produkten und Prozessen. Wir wollen das<br />

Wesen der Mass Customization anhand eines Modells verdeutlichen, das in der folgenden<br />

Abbildung dargestellt ist. Um dieses Modell zu verstehen, betrachten wir zunächst seine zwei<br />

Dimensionen:<br />

Die Änderungsrate der Produkte entspricht der Häufigkeit, mit der ein Produkt oder eine<br />

Leistung im Zeitablauf oder für einen bestimmten Kunden modifiziert wird. Ist sie niedrig, sind<br />

die Produkte also stabil, liegen standardisierte Produkte mit nur wenigen, schleichenden und<br />

vorhersehbaren Änderungen vor; dynamische Produkte dagegen besitzen eine hohe Änderungsrate,<br />

sie verändern sich ständig, oft unvorhersehbar und revolutionär – bis hin zu dem<br />

Extrem, dass jedes einzelne hergestellte Produkt von den anderen verschieden ist.<br />

Ähnliches gilt für die Änderungsrate der Prozesse, welche die Häufigkeit beschreibt, mit der<br />

die Geschäftsprozesse zur Fertigung eines Produkts oder Erstellung einer Dienstleistung<br />

modifiziert werden. Entsprechend können Prozesse stabil oder dynamisch sein.<br />

Die sich so ergebende Matrix beschreibt vier generische Geschäftsmodelle, die das Handeln von<br />

Unternehmen in Abhängigkeit ihrer Änderungsrate der Produkte und Prozesse bestimmen (bewusst<br />

oder unbewusst). Unternehmen, die auf der Basis einer ausgeprägten Differenzierung mittels innovativer<br />

und individueller Produkte miteinander konkurrieren, folgen dem Inventionsmodell. Sie erfinden<br />

und entwickeln ununterbrochen neue Produkte und (Fertigungs-)Prozesse für deren Herstellung<br />

(sehr hohe Änderungsraten). Jahrhundertelang folgten Unternehmen diesem Modell:<br />

Spezialisierte, handwerkliche Einzelfertiger (Manufakturen) werden auch dann einen Auftrag annehmen,<br />

wenn ein Kunde etwas will, was das Unternehmen zunächst nicht herstellen kann (sei es ein<br />

neues Produkt oder eine spezifische Anpassung eines bestehenden Produkts), und dann herausfinden,<br />

ob und wie das individuelle Produkt herstellbar ist. Denken Sie zum Beispiel an einen<br />

Spezialmaschinenhersteller, der nur nach Kundenauftrag individuelle Lösungen entwickelt. Selbst<br />

wenn solch ein Unternehmen dieselbe Sache zwei- oder mehrmals erstellen würde, wäre das<br />

Ergebnis jedes Mal etwas anders, da die Produktionsprozesse niemals stabilisiert (standardisiert)<br />

wurden. Es ist die ureigene Natur des Inventionsmodells, dass seine Anwender – wahre Erfinder<br />

und Innovatoren – kontinuierlich Produkte und Prozesse verändern und oft deshalb nur basteln, tüfteln<br />

und experimentieren, um zu sehen, was für ein neuer Output dabei wohl herauskommen wird.<br />

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