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Reichwald, Ralf / Piller, Frank

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Die tayloristische Industrieproduktion<br />

mende Individualisierung im privaten Verbrauch ergänzt. Dazu tragen unter anderem<br />

Änderungen im beruflichen Umfeld vieler Konsumenten bei. Der weitgehende<br />

Wandel der Arbeit in entwickelten Gesellschaften von körperlicher zu einer reinen<br />

“Wissensarbeit” betont die kreative Nutzung des Humankapitals. Die dadurch bedingte<br />

qualifiziertere Ausbildung und eine ständige Weiterbildung lehren den Menschen,<br />

die Komplexität von Problemen zu erkennen und alternative Perspektiven zu betrachten.<br />

Als Folge einer größeren Entscheidungsautonomie vieler Mitarbeiter im Rahmen<br />

dezentraler Organisationsprinzipien steigt auch die Bedeutung von Eigenverantwortung,<br />

Selbständigkeit und Individualität. Es ist anzunehmen, dass solchermaßen<br />

durch die veränderten betrieblichen Rollen und eine neue “Selbständigkeit” emanzipierte<br />

Mitarbeiter ihre berufliche Mitbestimmung und ihr Einkaufsverhalten im beruflichen<br />

Bereich (passende Produkte, Denken in Dimensionen langfristiger “Anwendungskosten”<br />

etc.) auch auf ihr privates Konsumverhalten übertragen (<strong>Piller</strong> 2006a).<br />

Dies ist ein wesentlicher Treiber der Heterogenisierung der Nachfrage.<br />

Oft wird der Trend zur Individualisierung auch durch soziodemographische Änderungen<br />

erklärt. Mit zunehmendem Wohlstand, der sich u. a. in einem höheren Einkommen,<br />

mehr Freizeit und einem höheren Bildungsniveau manifestiert, wächst der<br />

Wunsch nach individuellen Produkten. Diesen Zusammenhang beschrieb nicht nur<br />

Maslow mit seiner Bedürfnispyramide, sondern hier setzt auch die soziologisch<br />

begründete Argumentation der Individualisierung an. Wissenschaftler wie Beck (1986)<br />

oder Scitovsky (1989) halten die Massenproduktion für eintönig und neuen<br />

Ansprüchen nicht mehr angemessen, da “das menschliche Bedürfnis nach Abwechslung<br />

und Neuheit genauso groß ist wie der Wunsch zu überleben. Die Massenproduktion<br />

hat ihren Reiz verloren, weil immer mehr Menschen die gleichen oder ähnliche<br />

Gegenstände besitzen” (Fournier 1994: 59). Gerade kaufkräftige Konsumenten<br />

versuchen, ihre Persönlichkeit durch eine individuelle Produktwahl zu demonstrieren.<br />

Auch führen bevölkerungsdemographische Verschiebungen zu einer steigenden<br />

Zahl an älteren konsumintensiven Bevölkerungsgruppen, die großen Wert auf ein qualitativ<br />

hochwertiges und passendes Angebot legen. Hinzu kommen noch die steigende<br />

Zahl an Single-Haushalten und Veränderungen in der Zusammensetzung der<br />

Bevölkerung (nationale Identität, soziale Gruppen), die ebenfalls zu einer Fragmentierung<br />

der Nachfrage führen.<br />

Neben einer zunehmenden Pluralisierung individueller und gesellschaftlicher<br />

Wertsysteme ist der Wertewandel auch gekennzeichnet von einer verstärkten<br />

Hinwendung zur Erlebnisorientierung, einer zunehmenden Designorientierung und<br />

einem neuen Qualitäts- und Funktionalitätsbewusstsein, das langlebige und verlässliche<br />

Produkte fordert. Schätzungsweise beherrscht bei 20-30 Prozent der Käuferschaft<br />

der Hedonismus die grundlegende Konsumhaltung. Hedonistisches Verhalten betont<br />

auf individueller Ebene Spontaneität und kurzfristige Kaufentscheidungen und führt<br />

auf einer aggregierten Ebene zu einer zunehmenden Heterogenität der Nachfrage<br />

(Litzenroth 1997). Hinzu kommt in allen Konsumentenschichten ein steigendes<br />

Engagement im Freizeitbereich. Im Zusammenhang mit kleineren Haushaltsgrößen<br />

und abnehmenden familiären Bindungen können speziellere Hobbys und Interessen<br />

verwirklicht werden. Dieser soziale Individualismus überträgt sich auf die materiellen<br />

Bedürfnisse. Auch lässt die Markentreue der Konsumenten immer mehr nach, selbst<br />

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