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Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

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selbst hat in verschiedenen seiner Briefe immer wieder über jene Gespräche,<br />

die sich über mehrere Tage verteilten, berichtet. Besonders ausführlich ist seine<br />

Erzählung in einem Schreiben an den Königsberger Freund Flottwell und in<br />

einem Aufsatz in der Zeitschrift „Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit“.<br />

Schauplatz der Unterredungen des Unversitätsprofessors mit dem „Salomon<br />

des Nordens“ ist das heute noch existierende (allerdings stark umgebaute)<br />

Apelsche Haus am Markt. Gottsched wird am 15. Oktober 1757 durch einen<br />

Boten aufgefordert, sofort beim König zu erscheinen, der schon auf ihn warte.<br />

Der Professor tritt ein, küsst der Majestät den Rocksaum, dann entwickelt sich<br />

das Gespräch, das anfangs deutsch, dann in Französisch geführt wird. Friedrich<br />

interessiert sich für die literarischen Arbeiten Gottscheds, aber auch für die Werke<br />

von Gottscheds Gemahlin, und schließlich geht es um die deutsche Literatur<br />

insgesamt. Der „Literaturpapst“ ist schwer beeindruckt: „Denken Sie mein<br />

lieber Freund, ist das nicht schon Ehre genug, mit einem so großen Herren fast<br />

eine Stunde geredet, und Ihm die schönen Wissenschaften der Deutschen bekant<br />

gemacht zu haben?“ In einer zweiten, noch am gleichen Tag stattfindenden<br />

Unterredung ergeht sich der Herrscher über das Unvermögen der deutschen<br />

Sprache, französische Dichtungen wiederzugeben. Gottsched versichert voller<br />

Eifer, man könne in Deutsch alles übersetzen, was der König nur wünsche. Dann<br />

wagt er sogar, eine kritische Bemerkung vorzubringen: Den deutschen Dichtern<br />

fehle die „Aufmunterung“, da man an den Höfen nur französisch rede. Inzwischen<br />

verstreicht Stunde auf Stunde, und das Gespräch verläuft mit „aller möglichen<br />

Geschwindigkeit und Hitze“, ja, der König ergeht sich in der Schilderung<br />

„allerley lustiger Sachen“. Gottsched ist nun ganz euphorisch: „Nun! was<br />

düncket Ihnen, Werther Freund, von dieser langen Unterredung eines Königes,<br />

eines Helden, der [...] gleich beym Antritt aus dem Reise-Wagen nach mir fraget,<br />

da sich unsere Raths-Herren und Handels-Leute auf dem Vorsaal befinden<br />

und Autientz suchen, mit einem Professor sich von solchen Dingen unterhält...“<br />

Allein, es geschehen, so Gottsched, weitere „Wunder“. Am nächsten Tag trifft<br />

ein Brief aus königlicher Hand im Goldenen Bären, Gottscheds Wohnung, ein.<br />

Er enthält u. a. Verse Friedrichs: „Ich sahe, daß es sich auf unsere discourse bezog,<br />

und machte geschwinde 12 deutsche Verse zur Antwort.“ Der König hatte<br />

in seinem Gedicht über die Kultur bei den verschiedenen Nationen nachgedacht<br />

und wendet sich dann direkt an Gottsched: „Nun magst du, Schwan der Sachsen,<br />

dich befleißen,/ Der geizigen Natur die Gabe zu enreißen:/ Daß eine Sprach’,<br />

die rauh und widrig dröhnt,/ Durch dein Bemühn sanfter tönt“ (zeitgenössische<br />

Übersetzung). Einige Tage später (26. Oktober), nach der Rückkehr des Königs<br />

von einer Visite in Torgau, kommt zu einem neuen, fast vierstündigen Gespräch,<br />

das nur durch militärische Anordnungen kurz unterbrochen wird, die die Dispo-<br />

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