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Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

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Selbstzweck, sondern als Methode trieb. Eine Vielzahl von Vorlesungen, Seminaren<br />

und Übungen zu einem großen Themenspektrum zog bald Studenten<br />

aller Studienjahre, Ärzte der Fakultät und der Stadt sowie Hörer von anderen<br />

Fakultäten an. In den Kolloquia referierten bedeutende Fachleute, und bald kamen<br />

an das Institut auch zahlreiche ausländische Gäste. Sigerist hatte eine Instituts-Mitgliedschaft<br />

für Interessenten eingeführt, deren Zahl ständig stieg und im<br />

Sommersemester 1929 schon 65 betrug, was mehr als 10 Prozent aller <strong>Leipzig</strong>er<br />

Medizinstudenten entsprach. Die Bibliothek hatte einen jährlichen Zuwachs von<br />

über 1.000 Bänden; der Handapparat enthielt 60 laufende Zeitschriften.<br />

Sigerists frühere Schüler, darunter mehrere Inhaber angesehener Lehrstühle für<br />

Medizingeschichte, erinnerten sich später an die großartige Atmosphäre im Institut<br />

und an die beeindruckende Persönlichkeit des Direktors, der – hochgebildet,<br />

polyglott, vielseitig und undogmatisch – auf die Mitarbeiter seine Begeisterung<br />

für die Wissenschaft zu übertragen wusste und nur eines forderte, nämlich absolute<br />

Qualität der Arbeit. Ihm gelang es, eine Vielzahl von Persönlichkeiten mit<br />

unterschiedlichen Neigungen und Interessen, alle Individualisten wie er selbst,<br />

durch die gemeinsame Arbeit auf dem Gebiet der Medizingeschichte zusammenzuführen.<br />

Er nannte sie die „Kyklos-Gruppe“ nach dem von ihm selbst im Stil<br />

der alten Apothekerzeichen konstruierten Symbol, das auch dem Jahrbuch des<br />

Instituts den Namen „Kyklos“ gab. Sigerist bewältigte mit Lehre und eigener<br />

wissenschaftlicher Arbeit, umfangreicher Korrespondenz, Verwaltungsaufgaben,<br />

Vortragstätigkeit, Mitarbeit in Gesellschaften und bei der Herausgabe von Zeitschriften<br />

und Sammelbänden ein gewaltiges Arbeitspensum, doch war er auch<br />

der Mittelpunkt des geselligen Institutslebens bei Semesterabschlussfeiern, Kostümbällen<br />

und gemeinsamen Badeausflügen. Als 1929 der Berliner Lehrstuhl<br />

für Medizingeschichte vakant war, erstellte Sudhoff für Sigerist ein ausgezeichnetes,<br />

geradezu begeistertes Gutachten, was um so höher zu bewerten ist, als<br />

dieser sonst eher zu harschen Urteilen über Fachkollegen neigte. Man kann vermuten,<br />

daß Sigerist mit seiner Bewerbung nach Berlin vor allem gehofft hatte,<br />

Zugeständnisse beim Ministerium in Dresden erzwingen zu können, denn durch<br />

die Wirtschaftskrise hatte er zunehmend Schwierigkeiten, den Institutsbetrieb<br />

aufrecht zu erhalten und bezahlte oft Personal und Arbeitsmaterial, zum Beispiel<br />

Bücher für die Institutsbibliothek, aus der eigenen Tasche. Als zudem der<br />

geplante Neubau eines Medizinhistorischen Instituts verschleppt wurde, sandte<br />

Sigerist am 22. Dezember 1930 eine Bitte um Entlassung an das Ministerium in<br />

Dresden, das ihn allerdings zur Rücknahme des Gesuches bewog und ihm für das<br />

Wintersemester 1931/32 Urlaub bewilligte, den er – auf Einladung von William<br />

H. Welch, dem Direktor des Institute of the History of Medicine an der Johns<br />

Hopkins University in Baltimore – zu einer siebenmonatigen Studienreise durch<br />

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