Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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Henry Ernest Sigerist wurde am 7. April 1891 in Paris geboren und wuchs in<br />
Zürich auf, wo er auch das Gymnasium besuchte. Er interessierte sich vor allem<br />
für alte Sprachen und Geschichte, beschäftigte sich mit Hebräisch und Arabisch<br />
und begann schließlich an der <strong>Universität</strong> Zürich ein Studium der Orientalistik.<br />
Er lernte Sanskrit und Persisch, studierte in London ein Semester Chinesisch,<br />
begann dann in Zürich mit dem Studium der Naturwissenschaften, entschied sich<br />
aber schließlich für die Medizin. Als junger Arzt diente er während des Ersten<br />
Weltkrieges zwei Jahre im Sanitätsdienst Schweizer Armee, doch hatte er da<br />
bereits beschlossen, seine weitgespannten kulturhistorischen Interessen mit der<br />
Medizin zu verbinden, indem er sich der Geschichte der Medizin widmete. Noch<br />
während des Krieges, im Jahr 1917, nahm er deshalb Kontakt zu Karl Sudhoff<br />
in <strong>Leipzig</strong> auf, der ihn in diesem Entschluss bestärkte und sein Interesse auf die<br />
Medizin des frühen Mittelalters lenkte. 1921 habilitierte sich Sigerist in Zürich<br />
mit der Schrift „Studien und Texte zur frühmittelalterlichen Rezeptliteratur“. Als<br />
1924 die <strong>Leipzig</strong>er Fakultät Vorschläge für Sudhoffs Nachfolge zusammenstellte,<br />
empfahl Sudhoff wärmstens den jungen Züricher Privatdozenten als einen<br />
„Mann von großer Zukunft“. Das Dresdener Ministerium erteilte Sigerist den<br />
Ruf, obwohl dieser mit 34 Jahren der weitaus jüngste unter den Bewerbern und<br />
kein „Reichsdeutscher“ war.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg war es der <strong>Leipzig</strong>er Medizinischen Fakultät trotz<br />
aller Schwierigkeiten gelungen, in Forschung und Lehre wieder Beachtung zu<br />
erlangen und für moderne Wissenschaftsgebiete Ordinariate einzurichten (1919<br />
Geschichte der Medizin; Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde; Haut und Geschlechtskrankheiten;<br />
Pädiatrie; Physiologische Chemie; 1920 Operative sowie<br />
Technische Zahnheilkunde; 1922 Gerichtsmedizin; Orthopädie). Sudhoff konnte<br />
seinem Nachfolger 1925 ein vorbildliches Institut übergeben, das einen eigenen<br />
kleinen Hörsaal, eine Bibliothek mit etwa 20.000 Bänden, ein Handschriftenarchiv<br />
und eine Sammlung medizinhistorisch interessanter Objekte besaß.<br />
Am 13. Januar 1926 hielt Sigerist seine <strong>Leipzig</strong>er Antrittsvorlesung zum Thema<br />
„Die historische Betrachtung der Medizin“, in der er die Medizin in einen kulturgeschichtlichen<br />
Kontext stellte und die Dynamik medizintheoretischen Denkens<br />
im Zusammenhang mit der gesamten wissenschaftlichen und kulturellen<br />
Entwicklung erklärte. Die Medizingeschichte sollte ihre „Brückenfunktion“<br />
zwischen allgemeinen medizinischen, philosophischen und ethischen Problemen<br />
sowie den Spezialdisziplinen der Medizin ebenso wie zwischen Geistes- und<br />
Naturwissenschaften stärken, ihre Fragestellungen sollten zudem „aus der lebendigen<br />
Medizin“ kommen. Aus einem Spezialinstitut wollte Sigerist ein allgemein<br />
medizinisches Institut schaffen, das Geschichte der Medizin nicht als<br />
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