Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig
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Zum einen hat Georg-Siegfried Schmutzler an ihr von 1933 an studiert, und zwar<br />
zunächst Pädagogik und Philosophie. Dabei ist er insbesondere von Theodor Litt<br />
geprägt worden, der später heimlicher Doktorvater seiner Dissertation über die<br />
Erziehungstheorie Schleiermachers wurde. Über ihn schreibt Schmutzler: „Litt<br />
lieferte mir und meiner Generation das philosophisch-pädagogische Rüstzeug<br />
zum geistigen Widerstand gegenüber den Zumutungen der NS-Ideologie und<br />
ihres Wahrheitsanspruches wie auch gegenüber der Ideologie, mit der wir es im<br />
östlichen Nachkriegsdeutschland zu tun hatten.“ Nach den Kriegserfahrungen<br />
schrieb er sich 1946 als Dr. phil. erneut als Student an der Theologischen Fakultät<br />
ein, wo er zugleich als Assistent von Prof. Sommerlath am Institut für Systematische<br />
Theologie tätig war. Sein theologisches Examen legte er 1951 ab.<br />
Zum anderen wurde Schmutzler nach kurzen Tätigkeiten als Gemeindepfarrer<br />
in Panitzsch und Studieninspektor (Dozent) am Predigerseminar Lückendorf<br />
(Institut zur Vikarsausbildung) 1954 zum evangelischen Studentenpfarrer gewählt.<br />
Zur <strong>Leipzig</strong>er Studentengemeinde hatte er schon als Student vor und nach<br />
dem Krieg engen Kontakt gehalten. Nun war er ihr Pfarrer. 500 bis 600 Studierende<br />
nahmen damals aktiv an den verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten<br />
teil. Schmutzler legte Wert auf eine biblische und christologische<br />
Zentrierung aller Arbeit – aber in lebendiger Kommunikation zu den betroffenen<br />
Studentinnen und Studenten und in wacher Wahrnehmung der politischen Ereignisse<br />
der Zeit.<br />
1956, auf dem Hintergrund des Aufstandes in Ungarn und einer weiteren Welle<br />
der Entdemokratisierung an der <strong>Universität</strong>, die bei einzelnen Dozenten und vielen<br />
Studenten nicht unwidersprochen blieb, geriet der kritische Studentenpfarrer<br />
ins Visier der Stasi und wurde von ihr zum „Sündenbock“ gestempelt. Am<br />
5. April 1957 verhaftete man ihn und brachte ihn in die Stasi-Untersuchungshaft<br />
in der <strong>Leipzig</strong>er Beethovenstraße, einem Gebäudekomplex, dem damals mit<br />
der Theologischen Fakultät und vielen weiteren geisteswissenschaftlichen Instituten,<br />
die im Peterssteinweg ihren Eingang hatten, universitäre Einrichtungen<br />
dicht gegenüberlagen. Zu den bewegendsten Schilderungen aus seinem Lebens-<br />
und Haftbericht zählt für mich, wie er kurze Zeit nach seiner Einlieferung in<br />
die U-Haft ein akustisches Zeichen der Solidarität empfängt: „An dem Abend,<br />
als ich dem Arzt vorgestellt wurde, hatte ich noch ein besonderes Erlebnis. Ich<br />
hatte meine Schnitten hinuntergewürgt, und das graue Elend der düsteren Zelle<br />
mit den dicken Wänden und dem erbärmlichen Licht (15-Watt Birne hoch oben)<br />
wollte mich gerade überfallen. Da, ich traue meinen Ohren nicht, das sind doch<br />
Posaunen! Und wie nahe! Es klingt ja geradezu, als bliesen sie innen im Hause.<br />
Deutlich höre ich den Passionschoral: ‚Herzliebster Jesu, was hast du verbro-<br />
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