22.10.2012 Aufrufe

Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

Jubiläen 2007 - Universitätsarchiv Leipzig - Universität Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zum einen hat Georg-Siegfried Schmutzler an ihr von 1933 an studiert, und zwar<br />

zunächst Pädagogik und Philosophie. Dabei ist er insbesondere von Theodor Litt<br />

geprägt worden, der später heimlicher Doktorvater seiner Dissertation über die<br />

Erziehungstheorie Schleiermachers wurde. Über ihn schreibt Schmutzler: „Litt<br />

lieferte mir und meiner Generation das philosophisch-pädagogische Rüstzeug<br />

zum geistigen Widerstand gegenüber den Zumutungen der NS-Ideologie und<br />

ihres Wahrheitsanspruches wie auch gegenüber der Ideologie, mit der wir es im<br />

östlichen Nachkriegsdeutschland zu tun hatten.“ Nach den Kriegserfahrungen<br />

schrieb er sich 1946 als Dr. phil. erneut als Student an der Theologischen Fakultät<br />

ein, wo er zugleich als Assistent von Prof. Sommerlath am Institut für Systematische<br />

Theologie tätig war. Sein theologisches Examen legte er 1951 ab.<br />

Zum anderen wurde Schmutzler nach kurzen Tätigkeiten als Gemeindepfarrer<br />

in Panitzsch und Studieninspektor (Dozent) am Predigerseminar Lückendorf<br />

(Institut zur Vikarsausbildung) 1954 zum evangelischen Studentenpfarrer gewählt.<br />

Zur <strong>Leipzig</strong>er Studentengemeinde hatte er schon als Student vor und nach<br />

dem Krieg engen Kontakt gehalten. Nun war er ihr Pfarrer. 500 bis 600 Studierende<br />

nahmen damals aktiv an den verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten<br />

teil. Schmutzler legte Wert auf eine biblische und christologische<br />

Zentrierung aller Arbeit – aber in lebendiger Kommunikation zu den betroffenen<br />

Studentinnen und Studenten und in wacher Wahrnehmung der politischen Ereignisse<br />

der Zeit.<br />

1956, auf dem Hintergrund des Aufstandes in Ungarn und einer weiteren Welle<br />

der Entdemokratisierung an der <strong>Universität</strong>, die bei einzelnen Dozenten und vielen<br />

Studenten nicht unwidersprochen blieb, geriet der kritische Studentenpfarrer<br />

ins Visier der Stasi und wurde von ihr zum „Sündenbock“ gestempelt. Am<br />

5. April 1957 verhaftete man ihn und brachte ihn in die Stasi-Untersuchungshaft<br />

in der <strong>Leipzig</strong>er Beethovenstraße, einem Gebäudekomplex, dem damals mit<br />

der Theologischen Fakultät und vielen weiteren geisteswissenschaftlichen Instituten,<br />

die im Peterssteinweg ihren Eingang hatten, universitäre Einrichtungen<br />

dicht gegenüberlagen. Zu den bewegendsten Schilderungen aus seinem Lebens-<br />

und Haftbericht zählt für mich, wie er kurze Zeit nach seiner Einlieferung in<br />

die U-Haft ein akustisches Zeichen der Solidarität empfängt: „An dem Abend,<br />

als ich dem Arzt vorgestellt wurde, hatte ich noch ein besonderes Erlebnis. Ich<br />

hatte meine Schnitten hinuntergewürgt, und das graue Elend der düsteren Zelle<br />

mit den dicken Wänden und dem erbärmlichen Licht (15-Watt Birne hoch oben)<br />

wollte mich gerade überfallen. Da, ich traue meinen Ohren nicht, das sind doch<br />

Posaunen! Und wie nahe! Es klingt ja geradezu, als bliesen sie innen im Hause.<br />

Deutlich höre ich den Passionschoral: ‚Herzliebster Jesu, was hast du verbro-<br />

72

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!