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und Koordinierungsstelle zur beruflichen Qualifizierung von jungen

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Textbeispiel 2<br />

"Solingen ist meine Heimat"<br />

3 SPRACHLICHE KOMPETENZEN<br />

Zehn Jahre nachdem beim Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç in Solingen fünf Menschen umkamen, sind<br />

die ersten Täter wieder frei. Sie sind <strong>zur</strong>ückgekehrt, jederzeit kann die Familie ihnen begegnen.Von Gençs kommt kein<br />

aggressives Wort.<br />

Wie sie denn damit umgehe, jederzeit einem der Täter begegnen zu können? "Natürlich kann man sich begeg-<br />

nen, weil man ja in der gleichen Stadt lebt", antwortet Mevlüde Genç ruhig. Aber das sei "die Sache Allahs".<br />

Wenn er es denn wolle, dann wird es eben so geschehen. Und außerdem: "Ich würde sie wohl auch gar nicht<br />

wieder erkennen." Kein aggressives Wort. Die kleine gläubige Muslima will eine Botschaft vermitteln: "Wir<br />

haben nur ein einziges Leben, das sollten wir in Liebe verbringen." Trotz allem.<br />

Solingen, 29. Mai. Zehn lange Jahre sind vergangen seit jener Nacht, in der jugendliche Skinheads aus der<br />

Nachbarschaft Benzin in den Flur des Hauses der Familie Genç in der Unteren Wernerstraße schütteten <strong>und</strong><br />

anzündeten. Seit jener Nacht, in der Mevlüde Genç in den Flammen zwei ihrer Töchter, ihre Nichte <strong>und</strong> zwei<br />

Enkelinnen verlor.Vierzehn weitere Hausbewohner erlitten zum Teil schwere Verletzungen. "Obwohl es mir<br />

schwer war, ist die Zeit vergangen", sagte die heute 60-Jährige.<br />

Ihr Sohn Bekir, dem 36 Prozent seiner Haut verbrannten, leidet bis heute. Unzählige Operationen hat er hin-<br />

ter sich, fünf größere stünden noch bevor, berichtet Mevlüde Genç: "Er hat seine Jugend nicht erleben könn-<br />

nen." Für die Tat wurden im Oktober 1995 vier junge Solinger zu Freiheitsstrafen zwischen zehn <strong>und</strong> fünfzehn<br />

Jahren verurteilt. Zwei <strong>von</strong> ihnen haben inzwischen ihre Strafe verbüßt – <strong>und</strong> leben wieder in Solingen. (...)<br />

Das Mitgefühl mit den tatsächlichen Opfern kann leicht verloren gehen. Seit längerer Zeit bereits gehen<br />

Neid-Gerüchte über den vermeintlichen Reichtum der Familie Genç <strong>von</strong> M<strong>und</strong> zu M<strong>und</strong>. Mit der Realität hat<br />

das nichts zu tun. Das Ehepaar Genç lebt <strong>von</strong> einer kleinen Rente <strong>und</strong> Arbeitslosenhilfe, für die sie 30 Jahre<br />

lang eingezahlt haben. "Das ist doch alles falsch, was einzelne Leute da behaupten!", empört sich Oberbür-<br />

germeister Franz Haug.<br />

Der Christdemokrat weiß: Für die Außenwelt ist Solingen eine Stadt auf Bewährung. Und er weiß deshalb<br />

auch, was es bedeutet, wenn Mevlüde Genç sagt, sie habe "keine Sek<strong>und</strong>e" daran gedacht, <strong>von</strong> hier wegzu-<br />

ziehen. Stattdessen wirbt die einfache Frau für ein friedliches Miteinander: "Wir sollten nicht als Fremde, als<br />

Ausländer betrachtet werden." Denn schließlich: "Ich habe aus Solingen meine Heimat gemacht." Trotz allem.<br />

Pascal Beucker, taz, 30.5.2003<br />

49<br />

Interkulturelle Kompetenz als Chance

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